Die Schule als Stütze der Gesellschaft – Schulkultur fördert das soziale Engagement

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JENA. Die Fußball-EM hat begonnen und in Deutschland herrscht „Friede, Freude, Eierkuchen“, wie schon bei allen EM- und WM-Turnieren seit 2006. Außerhalb der Fußball-Auszeiten sieht es allerdings anders aus. Die Gesellschaft driftet auseinander, die Politikverdrossenheit nimmt zu, rechtspopulistische Parteien sind im Aufwind, nur eine Minderheit von Jugendlichen engagiert sich ehrenamtlich. Die Schule soll es richten, doch ist sie dazu überhaupt in der Lage? Entscheidend ist die Schulkultur, haben jetzt Forscher der Uni Jena erkannt.

Den wachsenden Desintegrationstendenzen der Gesellschaft entgegenzusteuern, gehört zu den meistgeäußerten Forderungen, bei denen der Schule eine entscheidende Rolle zugewiesen wird. Tatsächlich ist es eine wesentliche gesellschaftliche Funktion die der Schule zugewiesen wird, das sie junge Menschen nicht nur befähigt, sich in die Gesellschaft einzufügen, sondern sich aktiv in die Gesellschaft einzubringen.

Eine vitale Gesellschaft lebt nicht zuletzt vom freiwilligen Engagement. Foto: Daniel Thornton / Wikimedia Commons (CC BY 2.0)
Eine vitale Gesellschaft lebt nicht zuletzt vom freiwilligen Engagement. Foto: Daniel Thornton / Wikimedia Commons (CC BY 2.0)

Das junge Erwachsene hierzu gebildet sind, ist nicht nur elementar für ein gelungenes individuelles Leben, sondern auch für den Fortbestand der Gesellschaft. Insofern bilden Schulen eine zentrale Sozialisationsinstanz der Gesellschaft. In den Schulgesetzen oder Bildungsplänen nahezu aller Bundesländer ist mehr oder weniger explizit der Auftrag an die Schule formuliert, neben der Wissensvermittlung, jungen Menschen zur gesellschaftlichen Mitverantwortung und zur Mitgestaltung der demokratischen Grundordnung zu verhelfen.

Ob Schulen das aber überhaupt leisten können und wenn ja, wie dieses Ziel erreichbar wird, haben Prof. Dr. Peter Noack und Dr. Katharina Eckstein vom Institut für Psychologie der Friedrich-Schiller-Universität Jena untersucht. Über ein Jahr verfolgten die Forscher, die Bereitschaft von 1.000 thüringischen Schülern im Alter von 12 bis 18 Jahren, gesellschaftliches und politisches Engagement zu zeigen.

Deutlich wurde dabei, dass der Schulkultur eine entscheidende Bedeutung zukommt ebenso wie der Haltung jedes einzelne Lehrers seinen Schülern gegenüber. Ausschlaggebend für die Engagementsbereitschaft der Schüler seien vor allem Möglichkeiten, ein offenes Diskussionsklima zu erleben und den schulischen Alltag mitgestalten zu dürfen.

„Die Ergebnisse zeigen, dass sich in dem Maße, in dem ein lebendiger Austausch zwischen Lehrern und Schülern auf Augenhöhe stattfindet, auch über kontroverse Themen, eine positivere Haltung gegenüber gesellschaftlichem und politischem Engagement entwickelt“, sagt Katharina Eckert und ergänzt: „Auch die Absicht, selbst einmal aktiv zu werden, steigt.“ Dasselbe Ergebnis zeigt sich, wenn Schüler die Chance haben, sich zu beteiligen und mitzuentscheiden, etwa bei der Planung von Klassenfahrten oder Schulfesten.

Diese Beobachtung unterstreiche den Anspruch an Schulen als Erfahrungs- und Übungsraum für demokratisches Handeln. „Natürlich geht es nicht ohne Wissen“, sagt Peter Noack, „aber wir können nur bestätigen, wie wichtig die Rolle von Schulen als gesellschaftlicher Mikrokosmos ist. Von Bedeutung ist, wie man dort miteinander umgeht, ob man sich als aktives Mitglied der kleinen Gemeinschaft wahrnimmt und das auch in Situationen, in denen es erst einmal nicht um Politik geht.“ Die reine Vermittlung gesellschaftlichen und politischen Wissens habe hingegen weniger deutlich einen Effekt auf die Einstellungen und das Engagement der Schüler. Worte allein reichen demnach nicht aus, vielmehr sind die Lehrer angehalten, gemeinsam mit ihren Schülern zu handeln.

Auch die Jenaer Psychologen weisen der Schule eine entscheidende gesellschaftliche Rolle zu. Dass die Schule gerade in Bezug auf die Erziehung zur demokratischen Handlungsfähigkeit einiges beitragen kann, mache sie gerade bei den aktuellen politischen und gesellschaftlichen Herausforderungen zu einer der Stützen der demokratischen Grundordnung.

Die Jenaer Psychologen stellten darüber hinaus fest, dass die Erfahrungen, die Jugendliche in der Schule machen, je nach Schulform unterschiedlich ausfallen. Bei Regelschülern fiel der Einfluss der Schulkultur auf die Bereitschaft, sich gesellschaftlich zu engagieren, deutlicher aus, als bei Gymnasiasten. „Auch in einer anderen Studie, an der Schüler mit und ohne Migrationshintergrund teilnahmen, stellten wir fest, dass schulische Erfahrungen nicht durchweg dieselben Effekte haben“, so Noack.

Für die Zukunft wünscht sich der Professor weitere Forschung. Denn der Zuwachs an Wissen zu solchen Zusammenhängen stelle eine wichtige Basis, für zukünftige erfolgsversprechende Unterrichtsstrategien dar. (zab, pm)

• zum Bericht: Starke Nachfrage: Mehr Plätze für das Freiwillige Ökologische Jahr
• zum Bericht: Studie: Ehrenamtliches Engagement von Jugendlichen geht zurück

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