Druck von Eltern wächst: Initiative „Gute Inklusion“ wollte in Hamburg 10.000 Unterschriften für mehr Lehrer sammeln – sie hat knapp 25.000 bekommen

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HAMBURG. Seit gut acht Jahren ist die UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit einer Behinderung Teil des Schulgesetzes. Viele halten die Umsetzung der Inklusion jedoch für so mangelhaft, dass sie nun zu Tausenden die Volksinitiative «Gute Inklusion» unterstützt haben.

Fährt die Inklusion vor die Wand? Foto: Seth Wells / flickr (CC BY-NC 2.0)
Fährt die Inklusion vor die Wand? Foto: Seth Wells / flickr (CC BY-NC 2.0)

Die erste Runde in der Auseinandersetzung für eine bessere Inklusion an Hamburgs Schulen geht klar an die Volksinitiative. In nur etwas mehr als drei Monaten hat die Initiative «Gute Inklusion für Hamburgs SchülerInnen» nach eigenen Angaben 24.357 Unterstützerunterschriften gesammelt. Diese übergaben Initiativenvertreter am Mittwoch im Rathaus der Senatskanzlei. Sollte das zuständige Bezirksamt Mitte nun die Gültigkeit von 10.000 Unterschriften feststellen, muss sich die Bürgerschaft mit dem Ansinnen der Initiative befassen. Sie verlangt für die Betreuung behinderter Kinder in den Regelschulen mehr Pädagogen, mehr Räume, barrierefreie Schulen sowie Therapie und Pflege für beeinträchtigte Schüler.

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Ziel sei es, am 9. Juni im Schulausschuss eine öffentliche Anhörung zu bekommen, sagte Initiativensprecher Pit Katzer. «Dann wollen wir mal gucken, ob es Angebote gibt vonseiten der Senatsfraktionen.» Die Forderungen der Initiative seien ja sehr bescheiden. «Wir fordern das ein, was die Bürgerschaft 2012 selber beschlossen hat für Schüler mit dem Förderschwerpunkt Lernen, Sprache, emotionale Entwicklung (LSE).» Dazu gehöre etwa, dass für jedes dieser Kinder drei zusätzliche Unterrichtsstunden zur Verfügung stehen. «Das ist zurzeit gar nicht der Fall.»

„Enge Grenzen gesetzt“

Für behinderte Kinder wiederum müsse die Personalversorgung wieder verbessert werden, nachdem mit Abschaffung der Integrationsklassen 2012 die Zuweisung um ein Drittel gekürzt worden sei. «Das wollen wir rückgängig machen», sagte Katzer. Ebenfalls macht sich die Initiative unter anderem für mehr Therapie- und Pflegeräume an den Schulen sowie für barrierefreie Gebäude und Schulhöfe stark. Katzer sagte, viele Schulen bemühten sich bereits um eine Weiterentwicklung im Sinne der Inklusion. «Aber es sind ihnen enge Grenzen gesetzt durch zu wenig Personal und durch die räumlichen Bedingungen. Das müssen wir ändern.» Unterstützt wird die Initiative unter anderem von der Lehrergewerkschaft GEW, vom Grundschulverband Hamburg (GSVHH) und vom Verband Hamburger Schulleitungen (VHS).

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Hintergrund der Forderungen ist die UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit einer Behinderung, die die Inklusion 2006 zum Menschenrecht erklärt hat und 2009 einstimmig von der Hamburgischen Bürgerschaft in das Schulgesetz übernommen wurde. Seither haben alle Kinder mit einer Behinderung oder sonderpädagogischem Förderbedarf das Recht, mit nicht beeinträchtigten Schülern gemeinsam an Regelschulen unterrichtet zu werden – was inzwischen von rund 80 Prozent der Betroffenen genutzt werde.

Die Schulbehörde verwies zuletzt auf die gestiegene Zahl der Betreuer insgesamt. So werde die Zahl der für die Inklusion zuständigen Lehrer, Sozialpädagogen und Erzieher an Grund- und Stadtteilschulen sowie Gymnasien seit dem Schuljahr 2012/13 von 990 auf 1168 am Ende dieses Schuljahrs gestiegen sein. Insgesamt werde in die Inklusion jedes Jahr mehr als 90 Millionen Euro investiert.

CDU, FDP und Linke freuten sich über den Erfolg der Initiative. «Der deutlich hörbare Unmut von Lehrkräften, Eltern und Schülern muss bei Rot-Grün nun endlich Gehör finden», erklärte die CDU-Schulexpertin Karin Prien. Ihre FDP-Kollegin Anna von Treuenfels-Frowein sprach mit Blick auf den rot-grünen Senat von einem allerletzten Weckruf, bei der Inklusion endlich umzusteuern. Die Linken – sie hatten die Initiative von Anfang an unterstützt – nannten jede Unterschrift ein Dokument für das Versagen von Schulsenator Ties Rabe (SPD). dpa

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