„Drama, Baby“: Wie ein Wettbewerb Lehrern hilft, Schüler für die Klassiker zu begeistern

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MÜNCHEN. Goethes Faust? „Zu analog“, meinen wohl nicht wenige Schüler heute. Viele halten die Klassiker der Literatur für nicht mehr zeitgemäß – ohne sie je gelesen zu haben. Ein aktueller  Wettbewerb – der Hörspiel-Contest von Reclam und Sony Music – zielt darauf, das Interesse junger Menschen an der Literatur des 18. und 19. Jahrhunderts zu wecken. Ein aussichtsloses Unterfangen? Der Gewinner des Wettbewerbs 2018 sowie sein Schulleiter meinen: keineswegs. Und für die Schulen ist der Motivationsschub nicht einmal mit besonderem Aufwand verbunden.

Chance für Schiller & Co.: Der bundesweite Reclam-Hörspiel Contest unterstützt Lehrkräfte dabei, Schüler und Klassische Literatur zusammenzubringen. Foto: Wikimedia Commons

Bücher seien manchmal so fesselnd für ihn, dass er nachts noch viel zu lange weiterlese, erzählt der 17-jährige Felix Kalb. Auf die Frage, ob diese Begeisterung für seine Altersklasse normal sei, muss er schon ein wenig lachen: „Naja, eher gar nicht. Zumindest bei den Jungs. Da fällt mir außer meinem besten Freund, der viel auf Englisch liest, niemand ein.“ Trotzdem waren seine Freunde und Mitschüler am Franziskus Gymnasium im baden-württembergischen Mutlangen mit Feuereifer dabei, als es darum ging, Felix beim Reclam-Sony Hörspiel-Contest „Drama, Baby!“ mit möglichst vielen Stimmen zum Sieg zu verhelfen.

„Alle haben mitgefiebert“, erinnert sich Schulleiter Harald Ocker. „Felix hat die ganze Schule motiviert und wir Lehrer haben ihn auch unterstützt.“ Dass der damals 16-Jährige das Talent zum Sprecher besaß und beim Wettbewerb um eine Rolle in einer Reclam-Literaturvertonung gute Chancen hatte, war sowohl Ocker als auch Felix‘ Deutschlehrerin bereits bei einer Schulveranstaltung aufgefallen. Die Lehrerin schlug dann die Teilnahme vor.

Pädagogen als Talentscouts? „Ja, die Initialzündung muss manchmal schon vom Lehrer kommen“, ist Ocker überzeugt. „Wenn man einen begabten Schüler oder eine begabte Schülerin hat und es ergeben sich Chancen wie solch ein Wettbewerb, dann sollte man das auf jeden Fall fördern.“ Oft schlummerten die Talente aber auch im Verborgenen, fügt der Schulleiter hinzu und empfiehlt, das Kollegium zu befragen oder einen kleinen schulinternen Wettbewerb zu veranstalten. „Man muss den Schülern etwas zutrauen und sie ermutigen, ihre Talente auszuprobieren“, so Ocker weiter. „Da braucht es gar nicht viel Aufwand.“ Mit dem Reclam Contest ging das jedenfalls fast wie von selbst: Die Schüler waren hochmotiviert und Felix‘ Bemühungen beim Vorbereiten des Bewerbungsvideos und beim Stimmensammeln haben sich bezahlt gemacht.

Denn er hat den Wettbewerb im letzten Jahr gewonnen und durfte gemeinsam mit Schauspieler Niklas Nißl („Fack ju Göthe 2“) und Lisa Vicari (Netflix-Serie „DARK“) nach einem Coaching durch Profisprecher Johannes Steck ins Tonstudio. „Die Aufnahme im Studio war eindeutig die beste Erfahrung. Solch eine Gelegenheit bekommt man so niemals“, blickt der Schüler begeistert zurück, der den Gaston und den Lämmermeier aus Frank Wedekinds „Frühlingserwachen“ eingesprochen hat.

Doch was ist mit den anderen Schülerinnen und Schülern? Konnte der Contest den Funken überspringen lassen? Felix muss seinem Schulleiter beipflichten, wenn der sagt: „Man muss schon eine gewisse Affinität zur Literatur haben, um mitmachen zu können.“ Ebenso einig sind sich allerdings beide, dass die Aufmerksamkeit für klassische Werke und besonders, die Möglichkeit, sie auf andere Weise als durchs Lesen zu erfahren, sicherlich gestiegen ist. „Selbst Abiturienten lesen nur mehr oder weniger die Pflichtlektüre. Ich finde, es ist eine gute Idee durch gute Hörbücher mehr Jugendliche zu erreichen“, meint Ocker. Und Felix ergänzt: „Manchmal fehlt auch einfach die Zeit neben den anderen schulischen Verpflichtungen. Obwohl wir natürlich schon bequemer geworden sind durch die medialen Möglichkeiten.“ Dennoch hätten viele vor dem Wettbewerb gar nicht gewusst, dass man sich die Literatur als Hörbuch ganz einfach in der Bibliothek oder zum Beispiel über Spotify besorgen kann.

„Wenn die Lust zum Lesen nicht so groß ist, dann eröffnet ein Hörbuch zumindest eine Alternative und auch lesefaulere Schüler können ihr Sprachgefühl durchs Hören entwickeln“, sagt Ocker und denkt dabei auch an die Zeit, als die eigenen Kinder klein waren und durchs CD-Hören auf langen Autofahrten im Handumdrehen Kinderklassiker wie den Räuber Hotzenplotz auswendig gelernt haben. Vertonte Sprache wirke einfach gut, wenn es gut gemacht sei.

Auch wenn es ihm hauptsächlich darum ging, einen begabten Schüler zu fördern, sieht der Schulleiter noch einen wichtigen positiven Effekt, der durch die Teilnahme am Contest entstanden ist: „Wirklich jeder an der Schule hat sich engagiert. Das ging bis hin zum Konzertabend mit LEA, den wir durch Felix‘ Teilnahme gewonnen haben und den wir mit einem Spendenlauf für unser Sozialprojekt kombiniert haben“, so Ocker. Die Schüler und Schülerinnen waren nach dem Konzert, das pünktlich zum 10-jährigen Schuljubiläum stattfand, so in Schwung, dass sie bis in die Nacht hinein um die 6.500 Runden gelaufen sind und durch die erlaufenen Spenden eine Krankenstation in einem indischen Waisenhaus erhalten konnten. „Das war insgesamt eine richtig schöne Gemeinschaftserfahrung für unsere junge Schule.“

Hier gibt es weitere Informationen zum Schul-Contest von Sony Entertainment und Reclam:

www.reclam-hoerbuecher.de/dramababy/

Anmeldeschluss ist der 11. November 2019

 

 

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