FRANKFURT/MAIN. Der Bedarf an Lehrkräften ist deutlich höher als die jetzt von der Kultusministerkonferenz (KMK) vorgelegten Zahlen – meint jedenfalls die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW). „Wenn die politischen Vorhaben wie Inklusion und Ganztag umgesetzt werden sollen, müssen deutlich mehr Lehrkräfte ausgebildet und eingestellt werden als von der KMK prognostiziert”, betont GEW-Vorsitzende Marlis Tepe. Die KMK hatte Daten vorgelegt, wonach sich der Lehrermangel insbesondere an Grundschulen ab 2023 entspannt.
Die am Dienstag veröffentlichten PISA-Ergebnisse (News4teachers berichtete) hätten gezeigt, so Tepe, dass fast 20 Jahre nach dem PISA-Schock das Kardinalproblem des deutschen Bildungssystems, die enge Kopplung von Bildungserfolg und sozialer Herkunft, immer noch nicht gelöst sei. “Im Gegenteil: Der Lehrkräftemangel verschärft das Problem“, befand sie. „Um hier voran zu kommen, ist eine länderübergreifende Anstrengung notwendig. Dass die Länder dem im Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD vereinbarten ‚Nationalen Bildungsrat‘ eine Absage erteilt haben, ist ein falsches Signal und deutet auf ein völlig inakzeptables ‚Weiter so‘ hin.“
Ist der schlimmste Lehrermangel 2023 vorbei? Tepe: Problematische Prognose
Grundsätzlich sei zwar zu begrüßen, dass die KMK ihre ursprüngliche Prognose bereits nach einem Jahr korrigiere (News4teachers berichtete). „Das zeigt: Länder und KMK haben erkannt, dass es dringenden Handlungsbedarf gibt“, sagte die GEW-Vorsitzende. Trotzdem dürfe man aber nicht aus den Augen verlieren, dass der von den Ländern gemeldete „Bedarf“ letztlich nichts anderes sei als “die addierte Personalplanung der 16 Länder”. Tepe machte deutlich, dass es problematisch sei, für die Grundschulen ab 2023 Entwarnung zu geben. „Damit wird der Erfolg der jetzt endlich ergriffenen Maßnahmen, mehr Menschen für ein Studium des Grundschullehramts zu gewinnen, infrage gestellt.”
Denn wer heute mit dem Studium anfange, komme frühestens 2025 oder 2026 an die Schulen. “Um das Lehramt an Grundschulen attraktiver zu machen, müssen sich die Länder ein Beispiel etwa an Berlin nehmen und die Grundschullehrkräfte nach A13 (Beamte) und E13 (Angestellte) bezahlen – und an den Schulen zusätzlich Sozialarbeiter und Erzieherinnen einstellen“, meint Tepe. Dies gelte auch für Lehrkräfte an Haupt-, Real- oder Gesamtschulen beispielsweise in Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen, die ebenfalls schlechter bezahlt werden als etwa Lehrkräfte an Gymnasien.
Arbeitslosen Gymnasiallehrern Stellen an Grundschulen anbieten
Dass es relativ zu viele Gymnasiallehrkräfte gibt, während in den übrigen SEK-I-Schulen tendenziell Lehrkräfte fehlen, zeige den dringenden Reformbedarf in der Lehrkräftebildung. „Zudem sollte allen Gymnasiallehrkräften, die bisher nicht zum Zug gekommen sind, eine Stelle an der Grundschule mit einer entsprechenden Zusatzqualifikation angeboten werden“, unterstreicht Tepe.
Bis einschließlich 2023 prognostizieren die Kultusminister laut aktueller Prognose an den Grundschulen eine sehr große Lücke von insgesamt rund 12.400 fehlenden Lehrern und sprechen bis dahin von einer sehr angespannten Situation. Ab 2024 zeigt die Prognose aber in die andere Richtung: Dann wird auch an den Grundschulen rechnerisch ein Lehrerüberschuss erwartet, ab 2027 sogar ein deutlicher. Durchgängig bis 2030 sind laut Prognose vor allem Engpässe an Berufsschulen und Schulen der Sekundarstufe I (Haupt- und Realschulen) zu erwarten. Ebenfalls durchgängig ist dagegen der KMK zufolge mit einem Überangebot an Gymnasiallehrern zu rechnen, und zwar deutschlandweit. News4teachers
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