Psychologin: „Kinder aus belasteten Familien müssen jetzt bevorzugt betreut werden“

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GÖTTINGEN. Hilfsangebote für Familien in schwierigen Situationen sind in Coronazeiten nur schwer und meist sehr eingeschränkt aufrecht zu erhalten. Die Göttinger Psychologin Anette Conzelmann fordert daher die Notbetreuung auch für betroffene Familien zu öffnen.

In Deutschland soll der Schulbetrieb ab dem 4. Mai schrittweise wieder aufgenommen werden. Nordrhein-Westfalen ist gar vorgeprescht und hat bereits seit letzten Donnerstag den Präsenzunterricht für Klassen, die kurz vor dem Abschluss oder einem Schulwechsel stehen wieder aufgenommen. Die große Mehrheit der Schüler bleibt jedoch weiterhin zu Hause und einer Öffnung der Kitas hat Bundeskanzlerin Angela Merkel gerade wieder eine Absage erteilt.

Für manche Kinder kommt die Kontaktbeschränkung einer Katastrophe gleich. Foto: ambermb / Pixabay (P. L.)

Eine Notbetreuung in Kindertagesstätten und Schulen gibt es derzeit nur für Kinder von Eltern, die in „systemrelevanten“ Berufen arbeiten. Aus Sicht der Göttinger Psychologin Anette Conzelmann müssten letzt allerdings dringend Familien mit psychisch auffälligen Kindern und Jugendlichen, konflikthafte Familien, in denen die Kinder bislang externe Hilfsangebote wahrgenommen haben, sowie Familien mit Kindern mit Behinderungen bevorzugt betreut werden.

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Durch Ausgangsbeschränkungen und die fehlende Außerhausbetreuung habe sich insbesondere die Situation dieser Kinder und Jugendlichen dramatisch verschärft. „Unser bisheriges Leben mit all seinen stabilisierenden Routinen ist außer Kraft gesetzt, dieser Ausnahmezustand ist schon für gesunde Familien ein Belastungstest“, so Conzelmann. Besonders problematisch sei die Situation für belastete Familien, weil inzwischen der Zugang zu externen Hilfen erschwert ist. Zudem steigt die Gefahr von familiären Konflikten, dysfunktionaler Erziehung und Misshandlungen stark an, das belegten auch Daten aus China.

„Eine bevorzugte Betreuung in Kindertagesstätten und Schulen würde die prekäre Situation von betroffenen Kindern, Jugendlichen und Familien deutlich entschärfen und auch die negativen Folgen auf die psychische und körperliche Gesundheit der Betroffenen abmildern“, so Conzelmann. Sie schließt sich damit der Stellungnahme der Deutschen Gesellschaft für Psychologie (DGPs) an, die Ende März eine Notbetreuung für psychisch kranke Kinder und Kinder psychisch kranker Eltern forderte.

Zur Entlastung der prekären Situation kann laut der Kinder- und Jugendpsychologin auch der Einsatz von Teletherapie beitragen. „Wir haben mit psychotherapeutischen Videositzungen und Telefonsprechstunden bereits vor der Corona-Krise gute Erfahrungen gesammelt, sie kann jetzt dazu beitragen, die psychotherapeutische Versorgung aufrechtzuerhalten. Die Behandlung kann von zu Hause aus fortgesetzt werden, ohne dass die Betroffenen in die therapeutische Praxis kommen müssen, dadurch wird eine längere Behandlungspause vermieden“, so Conzelmann. (pm)

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