Über Schulöffnungen entscheiden Länder nun frei – Eltern und Lehrer skeptisch

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BERLIN. Die Lehrergewerkschaften GEW und VBE sowie der Bundeselternrat haben in einer gemeinsamen Stellungnahme kritisiert, dass den Bundesländern bei den Schulöffnungen zu viel Ausgestaltungsspielraum eingeräumt wird. Sie warnen vor „einem Überbietungswettbewerb bei Schulöffnungen, nachdem die Länder nun selbst über die Geschwindigkeit und Ausgestaltung der weiteren Lockerungsschritte entscheiden können“, so heißt es mit Blick auf die Ergebnisse des gestrigen Bund-Länder-Gipfels. Umso wichtiger sei eine wissenschaftliche Begleitforschung der unterschiedlichen Maßnahmen und der Effekte, die diese haben. Gesundheitsschutz und Machbarkeit müssten Priorität haben.

In die Schulen kommt nach und nach wieder Leben. Foto: Shutterstock

Die GEW-Vorsitzende Marlis Tepe warnt vor einer zu hohen Arbeitsbelastung der Lehrkräfte. „Erste Rückmeldungen bestätigen: Nicht wenige Lehrkräfte haben die Belastungsgrenze durch die Entgrenzung ihrer Arbeit schon überschritten. Sie sollen Präsenz-, Fernunterricht und die Notbetreuung stemmen sowie die Vertretung von Kolleginnen und Kollegen, die zur Risikogruppe gehören, übernehmen. Das ist die Quadratur des Kreises und bringt die Lehrkräfte ans Limit“, sagt sie.

Udo Beckmann, Bundesvorsitzender des Verbandes Bildung und Erziehung (VBE), warnt angesichts der Belastungen – und der bestehenden Beschränkungen des Präsenzunterrichts – vor zu hohen Erwartungen: „Zunächst muss es darum gehen, die neuen Regeln an Schule einzuüben und mit den Schülerinnen und Schülern das Erlebte aufzuarbeiten. Zudem muss sich das neue Lernen mit geteilten Gruppen erst einspielen. Dabei muss unbedingt die Arbeitszeit und die Belastung der Lehrkräfte in den Blick genommen werden.“

Zwei oder drei Schülergruppen parallel unterrichten

Das Ziel, Klassen zu teilen, sodass Schülerinnen und Schüler wechselnd vor Ort unterrichtet werden und zuhause Aufgaben erledigen, sei aus Sicht der Einhaltung des Gesundheitsschutzes absolut richtig, so Beckmann. „Entsprechend der Situation vor Ort wird es aber in der Regel zwei oder drei Gruppen geben, die parallel zu unterrichten und zu begleiten sind. Hier fehlen noch Antworten auf die Frage, wie dies sinnvoll – und ohne die Lehrkraft permanent zu überlasten – gelingen kann, wobei auch gleich zu klären ist, wie Zeit für Kooperation im Kollegium organisiert werden soll. Zudem wird durch die Anforderung, ‚individuelle Konzepte‘ für die Schule zu erstellen, viel Verantwortung an die Schulleitung gegeben. Hier hatten wir eine konkrete Ansprechperson in den Kultusministerien eingefordert. Da sind die Schulbürokratien in den Bundesländern weiter gefragt.“

Tepe betont, dass die Krise die Bildungsungerechtigkeit verschärfe: „Insbesondere die ohnehin benachteiligten Schülerinnen und Schüler werden durch den Fernunterricht weiter abgehängt. Armen Familien nützen 150 Euro aus dem 500-Millionen-Paket nichts, weil sie sich mit diesem Geld trotzdem keine Tablets oder Laptops leisten können.“ (Die Bundesregierung hat ein entsprechendes Programm beschlossen – News4teachers berichtet hier ausführlich darüber.) „Hier brauchen wir andere Lösungen“, meint Tepe.

Ihr Vorschlag: „Die Schulen könnten etwa Geräte einkaufen und an die Kinder und Jugendlichen verleihen. Jetzt müssen die Ausstattung der Lehrkräfte und Schülerinnen und Schüler mit digitalen Endgeräten sowie die Einrichtung der notwendigen Infrastruktur schnell weiter vorangetrieben werden. Zudem sind die Fortbildungsangebote für Lehrkräfte qualitativ zu verbessern und auszubauen. Denn die schönste digitale Ausstattung nützt nichts, wenn die Schulen kein stimmiges pädagogisches Gesamtkonzept haben.“

„Bildungsungerechtigkeiten nicht weiter verschärfen“

Auch Stephan Wassmuth, Vorsitzender des Bundeselternrates, blickt mit Sorge auf besonders förderbedürftige Schülerinnen und Schüler. „Ich glaube, das Verständnis ist groß, wenn mit Blick auf die Sicherheit die Schulöffnungen nur langsam ausgedehnt werden. Trotzdem muss natürlich im Blick bleiben, dass sich Bildungsungerechtigkeiten nicht weiter verschärfen dürfen“, erklärt er. „Je später die Schülerinnen und Schüler aber in die Schule kommen, desto wahrscheinlicher wird es, dass die curricularen Vorgaben nicht mehr geschafft werden können. Zudem ist in dem Rahmenkonzept festgeschrieben, dass der Präsenzunterricht „soweit möglich und sinnvoll nach dem regulären Stundenplan erfolgen“ soll, wenngleich die Lehrkraft „Schwerpunkte, die die Sicherung der Kompetenzen für das aktuelle Schuljahr […] im Blick haben“, setzen soll. News4teachers

Der Beitrag wird auch auf der Facebook-Seite von News4teachers diskutiert.

Kultusminister planen das nächste Schuljahr – wohl mit weiterem Fernunterricht

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