Bund schnürt 500-Millionen-Paket für digitalen Unterricht in der Coronakrise – Schulen bekommen Geld für Online-Lerninhalte

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BERLIN. Die große Koalition will verhindern, dass bestimmte Schüler in Zeiten geschlossener Schulen und Homeschooling abgehängt werden. Helfen soll nun eine Art Laptop-Zuschuss. Die Schulen sollen zudem in Online-Lerninhalte investieren.

Schüttet Geld aus: Bundesbildungsministerin Anja Karliczek. Foto: obs / Bundesministerium für Bildung und Forschung / BMBF / Hans-Joachim Rickel

Die von Union und SPD vereinbarten 500 Millionen Euro Extra-Hilfsgelder für bedürftige Schüler und Schulen in der Corona-Krise sollen schnell fließen. Es liefen bereits Gespräche mit den Ländern darüber, sagte Bundesbildungsministerin Anja Karliczek (CDU) am Donnerstag in Berlin.

Die Koalitionsparteien hatten in der Nacht zum Donnerstag bei einem Spitzentreffen vereinbart, ein «Sofortausstattungsprogramm» über eine halbe Milliarde Euro aufzulegen. Das Geld sollen die Schulen für die Erstellung von Online-Lehrangeboten nutzen. Außerdem sollen bedürftige Schüler einen Zuschuss von 150 Euro bekommen, für den Kauf eines Laptops oder eines anderen Gerätes für den Unterricht zu Hause.

Bildungsexperten und Lehrerverbände hatten seit Beginn der Schulschließungen davor gewarnt, dass bestimmte Schüler abgehängt werden könnten, wenn zu Hause keine Geräte wie Laptops, PCs oder Tablets vorhanden seien oder wenn Eltern sie nicht genügend in der außergewöhnlichen Lernsituation unterstützten (News4teachers berichtete).

Zwar wird in den Schulen jetzt allmählich der Lehrbetrieb wieder aufgenommen, an einen normalen Schulalltag mit allen Schülern ist wegen strenger Abstands- und Hygieneregeln aber voraussichtlich noch monatelang nicht zu denken. Digitales Lernen werde deshalb in den nächsten Monaten immer wichtiger, sagte Karliczek. «Dass der Regelbetrieb noch länger nicht wieder stattfinden kann, ist mittlerweile allen sehr bewusst.»

Für Schulpolitik sind in Deutschland die Bundesländer selbst zuständig. Über die Verteilung der Hilfsgelder kann der Bund daher nicht allein entscheiden. In Gesprächen mit den Ländern muss erst noch geklärt werden, welche Schüler Anspruch auf die 150 Euro erhalten sollen und wann und wie das Geld ausgegeben wird. «Wir müssen einen schnellen Weg finden, (…) dass wir recht zügig gewährleisten können, dass alle Kinder gut ausgestattet sind mit der Technik, die sie brauchen», sagte Karliczek.

GEW und VBE kritisieren die Höhe der Zuschüsse

Grundsätzlich wird das Corona-Hilfspaket für Schulen und Schüler zwar begrüßt, an der Höhe des geplanten Laptop-Zuschusses gibt es aber Kritik. Es sei blanker Hohn, anzunehmen, dass Eltern und Jugendliche, die sich bisher die Anschaffung eines digitalen Endgerätes nicht leisten konnten, dies mit 150 Euro könnten, sagte der Vorsitzende des Verbandes Bildung und Erziehung (VBE), Udo Beckmann.

Darüber hinaus mangele es den Schulen an technischer Ausstattung, ohne die ein digitaler Unterricht nunmal nicht möglich sei. Die heutige Ankündigung schüre überhöhte Erwartungen, so Beckmann. „Die Leidtragenden sind die Lehrkräfte, die sich dann vorhalten lassen müssen, weshalb sie nicht alle ab morgen in Video-Chats Unterricht machen. Die digitalen Endgeräte sichern in erster Linie die Kommunikation, aber wie sich das weitere Lernen zuhause gestaltet, entscheidet die Lehrkraft anhand ihrer Methodenkompetenz und ihres Wissens um die Fähigkeiten und Fertigkeiten der Schülerinnen und Schüler.“

Ähnliche Kritik kam von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW). „Das ist ein richtiger Schritt: Die Tücke liegt jedoch im Detail“, sagte GEW-Vorsitzende Marlis Tepe. „Für arme Eltern reicht die Hilfe von rund 150 Euro nicht aus. Wer Sozialhilfe bekommt, kann den Eigenanteil beim Kauf der Tablets oder PCs nicht stemmen – vor allem wenn in den Familien mehrere Schulkinder leben.“ Für diese Haushalte müsse es zusätzliche Unterstützung geben. Tepe schlug vor, das Geld vor Ort nach Sozialindex zu verteilen. Die Kommune als Schulträger müsse gemeinsam mit den Schulen entscheiden und Vorschläge für geeignete Endgeräte entwickeln. „Die soziale Schere darf durch den Fernunterricht nicht noch weiter auseinandergehen“, mahnte die GEW-Vorsitzende. Sie machte zudem darauf aufmerksam, dass es zurzeit nicht genügend Endgeräte auf dem Markt gebe.

Die baden-württembergische GEW-Landesvorsitzende Doro Moritz schlug stattdessen vor, dass die Schulen Leihgeräte ausgeben.

Die bildungspolitische Sprecherin der Grünen, Margit Stumpp, sagte am Donnerstag: «Es ist zu begrüßen, dass nun auch die Bundesregierung anerkennt, dass das Homeschooling zu sozialen Verwerfungen führen kann und auch der Bund in der Verantwortung ist, für Chancengerechtigkeit zu sorgen». Die Unterstützung von Kindern und Jugendlichen ohne digitale Endgeräte sei richtig, dürfe aber nicht alles sein. Auch Lehrkräfte müssten entsprechend fort- und weitergebildet werden.

Die meisten Lehrer nutzen klassische Arbeitsblätter

Eine Forsa-Umfrage im Auftrag der Robert Bosch Stiftung hatte kürzlich gezeigt, dass die meisten Lehrer während Schulschließungen vor allem auf klassische Arbeitsmaterialien statt auf neue digitale Formate setzen. Die große Mehrheit der Lehrerinnen und Lehrer von der Grundschule (79 Prozent) bis zum Gymnasium (90 Prozent) gab an, Aufgabenblätter zu nutzen.

Video-, Audio- oder Schreibkonferenzen im Netz wurden im Vergleich dazu nur von einem kleinen Teil der Lehrkräfte genutzt. Etwas populärer sind Erklärvideos, die bei gut jedem dritten Lehrer zum Einsatz kamen. Die meisten Lehrkräfte (69 Prozent) sehen Verbesserungsbedarf bei sich selbst, was den Umgang mit digitalen Lernformaten betrifft. Fast genauso viele (64 Prozent) sind der Ansicht, ihre Schule benötige eine bessere technische Ausstattung. dpa

Im Wortlaut

Der Koalitionsausschuss hat ein Sofortausstattungsprogramm in Höhe von 500 Millionen Euro vereinbart, um Schulen sowie Schülerinnen und Schüler in der aktuellen Ausnahmesituation zu unterstützen. Dazu erklärt Bundesbildungsministerin Anja Karliczek (CDU):

„Ein Regelbetrieb an den Schulen, wie wir ihn vor der Zeit der Pandemie kannten, wird auf absehbare Zeit wegen der Infektionsgefahr leider nicht möglich sein. Daher wird das digitale Lernen im Lernalltag unserer Kinder auch in den nächsten Monaten immer wichtiger werden. Je länger die Schulen nicht in den Regelbetrieb gehen können, desto besser muss unser Schulsystem digital aufgestellt sein. Dafür fördern wir in Zeiten von Corona digitales Lernen wie noch nie zuvor.

Ich bin sehr froh, dass der Koalitionsausschuss beschlossen hat, dafür zusätzlich 500 Millionen Euro zur Verfügung zu stellen. Dieses Geld wird dafür verwandt werden, bedürftige Kindern mit mobilen Endgeräten auszustatten. Pro Kind wird nach dem Beschluss ein Betrag von 150 Euro zur Verfügung stehen. Es soll die Ausstattung der Schulen gefördert werden, die für die Erstellung professioneller online-Lehrangebote erforderlich ist.

Darum ist es jetzt ein guter Schritt, dafür zu sorgen, dass sie über die entsprechenden Endgeräte verfügen. Ich werde nun nach einem schnellen Weg suchen, wie die 500 Millionen Euro, die der Koalitionsausschuss gestern Abend beschlossen hat, zielgenau eingesetzt werden können. Wir haben heute mit den Ländern Gespräche dazu aufgenommen.

Ich danke allen Lehrerinnen und Lehrern die sich in Windeseile auf die aktuelle Situation eingestellt haben und nun das digitale Lernen voranbringen. Das ist eine große Herausforderung für sie alle. Ich danke aber auch allen Eltern – den Müttern und Vätern – die ihre Kinder beim digitalen Lernen begleiten. Durch ihr Engagement unterstützen sie ihre Kinder, aber sie tun auch genauso etwas dafür, ganz Deutschland am Laufen zu halten.“

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Simon Gehrig
3 Jahre zuvor

Gilt das Paket auch für deutsche Auslandsschule?