Von Prof. (em.) Dr. Hans-Günter Rolff
Hiermit erlaube ich mir, auf ein Handbuch hinzuweisen, das gerade erschienen ist. Es hat das Zeug, ein Standardbuch zu werden. Das umfangreiche Werk (987 Seiten) behandelt das aktuelle Thema der Digitalisierung im Bildungsbereich multiperspektivisch, vor allem aus pädagogischer und schulentwicklerischer Sicht. 49 Autor*innen aus vier Ländern tragen in 36 Aufsätzen dazu bei.
Die Pandemie wirkt wie ein Brennglas, wird häufig gesagt; ich ziehe den Begriff Lupe vor. Gemeint ist, was auch der Fall ist, nämlich dass die Schwächen der Bildungspolitik und Schulentwicklung so klein erschienen, dass sie leicht übersehen werden konnten.
Jetzt aber stehen sie lupenrein und unübersehbar vor Augen: Bei der Digitalisierung des Lernens liegen wir ganz weit zurück. Und zwar nicht nur was das Homeschooling anbetrifft, sondern viel umfassender und tiefergehender beim digital gestützten Lernen insgesamt. Diese große Schwäche wird bleiben, wenn die Pandemie einmal vorbei ist und nichts für die „innere“ Digitalisierung getan wird, also über die Geräte hinaus ein „anderes Lernen“ einzieht.
Digitale Medien eröffnen Chancen für den binnendifferenzierten Unterricht und eine neue Lernkultur, bergen bei einem unkritischen Einsatz aber auch Risiken. Inwiefern können sie personalisiertes und kooperatives Lernen sowie einen lernwirksamen Unterricht mit heterogenen Gruppen fördern?
Um diese Frage zu klären, ist es wichtig, ein umfassendes Konzept digitalgestützten Lernens zu entwerfen, das nicht nur Bestand, sondern auch Zukunft hat, wobei – nebenbei angemerkt – die Vergabe des Deutschen Schulpreises spezial (digital) vor ein paar Tagen gezeigt hat, dass Schulen beim Homeschooling desto besser abschneiden, je mehr sie innerschulische Erfahrungen mit digital gestütztem Lernen gemacht haben.
Also: Wir brauchen ein Gesamtkonzept, dass Lernen mit digitalen Medien über die technische Seite hinausführt, das auch Lernen in der Tiefenstruktur des Unterrichts in der Schule und zu Hause umfasst, Personalisierung als angemessene Form der Individualisierung praktiziert und mit kooperativen Lernen verbindet (z.B. durch Gruppen, die Erklärvideos konstruieren). Das Ganze muss auch implementierbar, also umsetzungsfähig sein.
Dazu liegt jetzt eine 987-seitige Publikation vor, an der 49 Autor*innen aus Deutschland, der Schweiz, Österreich und Kalifornien in 36 Beiträgen mitgewirkt haben. Themen dieser Beiträge sind beispielsweise
- Analysen zum Mediengebrauch von Kindern und Jugendlichen
- Lernorientierte Führung, auch von mittleren Führungskräften
- Unterrichtsentwicklung als Entwicklung digital gestützten Lernens verstehen und Schulentwicklung praktizieren
- Praxisbeispiele zur Didaktik mehrere Fächer
- Bildungstheoretische Standards zum lernen mit digitalen Medien
- Digitales feedback zum Unterricht
- Learning analytics (Was ist das? Vor- und Nachteile)
- Social Media (Probleme und Chancen für das Lernen)
- Lernmanagement-Systeme
- Zusammenarbeit Schule-Schulträger
- Open Educational Resources
- u. a.
Die beiden Herausgeber – einer davon bin ich – haben die Erkenntnisse dieser Beiträge ausgewertet und zu einem praxisorientierten und wissenschaftsgestützten Fazit zusammengefasst, das in 20 Leitorientierungen verdichtet ein ganzheitliches Bild einer gegenwartsnahen und zukunftsoffenen Strategie der Einführung schulweiten und häuslichen Lernens mit digitalen Medien zeichnet.
Das Handbuch bietet auf dem aktuellen Stand der Praxis und der wissenschaftlichen Forschung konkrete Impulse für die Schul- und Unterrichtsentwicklung. Dabei gehen die Autor_innen insbesondere auf die Merkmale eines kompetenzorientierten Unterrichts ein und untersuchen, inwiefern sich der Einsatz digitaler Medien speziell für dieses pädagogische Konzept anbietet. Andere Beiträge befassen sich mit Lernplattformen, Learning Analytics sowie mit Unterrichtskonzepten, die einen hybriden, das heißt gemischten Einsatz digitaler und analoger Lernsettings vorsehen. Das Handbuch schließt mit einem Überblick zu digitalen Medien im Unterricht, gibt dazu didaktische Empfehlungen und bringt Ideen für die Praxis.
Handbuch Lernen mit digitalen Medien
Mit E-Book inside
Herausgegeben von Gerold Brägger / Hans-Günter Rolff
Gebunden 981 Seiten
ISBN:978-3-407-83196-5
Erschienen: 19.05.2021
Hier lässt sich das Buch bestellen (kostenpflichtig)