Werden Privatschulen in Hessen totgespart? Petition für den Erhalt freier Schulen geht an den Start

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WIESBADEN. „Rettet die freien Schulen!“, so lautet der dringliche Appell des Aktionsbündnisses „Freie Schulen fair finanzieren“, das sich in Hessen gebildet hat und nun mit einer Petition auf die prekäre Lage der rund 200 Ersatzschulen im Bundesland aufmerksam machen möchte. Dabei geht es um staatlich anerkannte Schulen, beispielsweise in konfessioneller Trägerschaft, Montessorischulen, Waldorfschulen, freie Alternativschulen, Förderschulen oder auch Landschulheime. Das Problem: Sie alle erhalten zwar im Rahmen des Ersatzschulgesetzes eine Förderung vom Land. Die Finanzierung basiert allerdings auf Zahlen von 2011 – eine Rechnung, die im Jahr 2021 nicht mehr aufgeht.

 „Schulen in freier Trägerschaft haben ihre rechtliche Garantie im Grundgesetz, Artikel 7. Sie erfüllen nicht nur einen Teil des öffentlichen Bildungsauftrags, sondern sie prägen durch ihre pädagogische und strukturelle Vielfalt entscheidend die hessische Schullandschaft. Die Arbeit der freien Schulen in Hessen ist allerdings bedroht, weil das Land seinen Verpflichtungen nur unzureichend nachkommt“, sagt Michael Bünger, Prokurist des Kasseler Engelsburg Gymnasiums, ein privates christliches Gymnasium in katholischer Ordensträgerschaft.

„Auch die Verfassung des Landes Hessen sieht vor, dass es private Schulen gibt und das Land die Verpflichtung hat, diese Schulen im Sinne der Vielfalt zu ermöglichen“, sagt auch Engelsburg-Schulleiter Thorsten Prinz, der das Aktionsbündnis mitgegründet hat. „Das bedeutet eben auch, dass man dafür sorgen muss, dass die Privatschulen auch arbeiten und gute Arbeit machen können – dafür braucht es eine gewisse Finanzierung. Es hilft ja nicht, Privatschulen grundsätzlich zu ermöglichen, dann aber die Qualität der Arbeit zu verunmöglichen.“

Das Klischee der teuren Eliteschule liegt der Engelsburg fern.

Rund 1.000 Schülerinnen und Schüler besuchen, unabhängig vom Einkommen ihrer Eltern, das vier- bis fünfzügige Gymnasium. Lange Zeit gab es gerade wegen der christlichen Trägerschaft der Schule gar kein Schulgeld, dann musste die Schule allerdings zunächst einen freiwilligen Elternbeitrag erheben, um die Kosten des Schulbetriebs zu decken, und inzwischen gibt es ein festes Schulgeld. Familien, die sich den Monatsbeitrag nicht leisten können, sichert unter anderem ein Sozialfond den Zugang. 92 Lehrkräfte sowie drei Schulsozialarbeiter*innen in Teilzeit beschäftigt die Schule.

Eigentlich sollte das Land Hessen inzwischen 85 Prozent der Personalkosten übernommen haben, die ein Schüler oder eine Schülerin durch die Beschulung verursacht. So sieht es das hessische Ersatzschulfinanzierungsgesetz aus dem Jahr 2013 vor. Demnach sollte der Finanzierungssatz nach einem Stufenmodell, das das Jahr 2011 als Referenz zur Berechnung zugrunde legt, von 75 auf 85 Prozent angehoben werden. Tatsächlich deckt die Finanzierung heute allerdings nur 58,9 Prozent der anfallenden Kosten für die Beschulung von Lernenden an freien Schulen im Land.

Die Kosten seien seit 2011 deutlich gestiegen, so Prinz und seine Kolleginnen und Kollegen, die sich zum Aktionsbündnis zusammengeschlossen haben. Grund seien beispielsweise höhere Personal- und Energiekosten. In Zahlen ausgedrückt, ist so allein am Engelsburg Gymnasium eine Finanzierungslücke von 1,3 Millionen Euro entstanden, die die Schule vor enorme Probleme stellt.

„Wenn man sich anschaut, wie viel Geld das Land spart, weil wir diese Bildungsarbeit übernehmen und über 1.000 Schülerinnen und Schüler beschulen und durch das Abitur bringen, dann regt einen das schon auf“, sagt Thorsten Prinz. „Würde das Land unsere Schule übernehmen, müsste es schließlich nicht nur die Finanzierungslücke schließen, sondern auch noch alle anderen laufenden Kosten übernehmen“, argumentiert der Schulleiter und fordert für das neue Gesetz, das zurzeit verhandelt wird, einen dynamischen Bezugsrahmen, der immer die Kosten des letzten Jahres analysiert und davon dann 85 Prozent im nächsten Jahr veranschlagt.

Ein faires Finanzierungsmodell würde außerdem auch nicht nur den Betrieb, sondern auch den Erhalt und die bedarfsgerechte Entwicklung der Schulgebäude einkalkulieren. Wichtig sei deshalb ebenfalls eine echte Partizipation der Ersatzschulen an Investitionskostenzuschüssen, fordert das Aktionsbündnis. Förderschulen, die grundsätzlich höhere Kosten haben, müssten konsequenterweise finanziell auch besser unterstützt werden. „Dann wären wir schon da, wo wir sein müssten. Und dann wäre es auch völlig in Ordnung und unstrittig, dass eine private Schule einen Teil der Finanzierung anders aufbringen muss“, sagt Prinz.

Weitere Informationen zur Petition: https://freie-schulen-fair-finanzieren.de/

Pressekontakt:

Aktionsbündnis „Freie Schulen fair finanzieren“ c/o Engelsburg Gymnasium:

Thorsten Prinz, Schulleiter, 0561-789670, t.prinz@smmp.de,
Dr. Monika Rack, Stellvertretende Schulleiterin,  0561-789670, m.rack@smmp.de,
Michael Bünger, Prokurist Engelsburg-Gymnasium:

Zentrale Verwaltung Bildung und Erziehung
Bergkloster
59909 Bestwig
Telefon: 02904 808245
Mobil: 0170 9271833

Dies ist eine Pressemitteilung des Aktionsbündnisses „Freie Schulen fair finanzieren“.

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Stephan Dickel
2 Jahre zuvor

Privatschulen in Finanznot? – Klagen auf hohem Niveau!
Angeblich hinkt das Land Hessen mit der Finanzierung von Privatschulen hinterher, weil es die Personalkosten auf der Grundlage von vor zehn Jahren erstattet, was so im Ersatzschulfinanzierungsgesetz festgeschrieben sein soll.
Schaut man in das Ersatzschulfinanzierungsgesetz mal rein, findet sich dort tatsächlich die Berechnungsgrundlage aus dem Jahr 2011. Allerdings auch die Regelung, dass sich die Berechnungsgrundlage jährlich wie die Beamtenbesoldung erhöht, was der Autor des Artikels hier verschweigt.
Apropos Beamte: Die hessischen Privatschulen bekommen vom Land Hessen bestens ausgebildete Beamtinnen und Beamte zum „Schnäppchenpreis“ zur Verfügung gestellt. Das hat der Hessische Rechnungshof in 2019 bemängelt. Ändern soll sich daran allerdings erstmal nichts.
Das Land hinkt also beileibe nicht mit der Finanzierung der Privatschulen hinterher, sondern spendiert den Privatschulen jährlich 13,5 Millionen Euro auf die gesetzliche Vorgabe obendrauf.
Ob das Land durch die Privatschulen tatsächlich viel Geld spart, sei dahingestellt. Niemand wird gegen seinen Willen gezwungen, Privatschulen zu betreiben. Die Abermillionen Euro, die das Land für die Privatschulfinanzierung aufwendet, wären bei den staatlichen Schulen meiner Meinung nach mindestens ebenso gut aufgehoben!