Angehende Lehrkräfte werden (noch immer) nicht ausreichend auf eine digitale Schule vorbereitet – Hochschulrektoren schlagen Alarm

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BERLIN. Bekommen angehende Lehrkräfte die Kompetenzen vermittelt, um später ihre Schülerinnen und Schüler angemessen auf die digitale Welt vorbereiten zu können? Die Hochschulrektorenkonferenz (HRK) meldet Zweifel an. Der HRK-Senat hat in dieser Woche Empfehlungen zur Digitalisierung in der Lehrer:innenbildung verabschiedet, die Hinweise für das Studium in den Fachwissenschaften, den Fachdidaktiken und den Bildungswissenschaften sowie auf die veränderten Bedarfe der Hochschulen geben. Implizit werden die bisherigen Defizite deutlich.

Lehramtsstudierende werden nicht immer systematisch auf den Einsatz digitaler Medien im Unterricht vorbereitet. (Symbolfoto). Foto: Shutterstock

„Wir erleben täglich, dass das Wissen um die Funktionsweise digitaler Medien für das Leben in der digitalen Welt unverzichtbar und für eine stabile Demokratie essenziell ist. So kann es beispielsweise schwierig sein, objektive von interessengeleiteten Texten in sozialen Medien zu unterscheiden. Das muss erlernt und eingeübt werden – dabei spielt die Schule eine wesentliche Rolle“ – meint HRK-Präsident Prof. Dr. Peter-André Alt.

Die Hochschulen seien deshalb gefordert, die künftigen Lehrkräfte im Studium umfassend darauf vorbereiten, um Schülerinnen und Schüler beim souveränen Umgang mit der digitalen Welt unterstützen zu können. Das beginne bei Grundkenntnissen in der Informatik und reiche bis in die Potenziale digitaler Medien für die Förderung benachteiligter Kinder und Jugendlicher. Die Hochschulen hätten die Aufgabe, dieses Themenspektrum in die Lehramtsstudiengänge zu integrieren. „Damit dieses gelingen kann, benötigen wir nicht nur eine Anpassung der Curricula durch die Hochschulen, sondern auch eine leistungsstarke digitale Infrastruktur und Personal, das eine Brücke zwischen Technik und didaktischer Anwendung schlagen kann“, sagt Alt. „Dazu sind weitere Ressourcen für die Hochschulen nötig.“

„Wir müssen unbedingt auch die Fort- und Weiterbildung von Lehrkräften in den Blick nehmen“

„Wir müssen unbedingt auch die Fort- und Weiterbildung von Lehrkräften in den Blick nehmen“, betont Prof. Dr. Oliver Günther, HRK-Vizepräsident für Lehre, Studium und Governance. „Sie wird der aktuellen Problemlage nicht immer gerecht, das Angebot ist unübersichtlich und bedarf einer grundlegenden Reform. Dabei ist eine enge Verzahnung mit den Angeboten der Hochschulen notwendig, um die wissenschaftliche Fundierung der Fort- und Weiterbildung zu stärken.“

In der Entschließung des HRK-Senats heißt es: „Digitalisierung verändert Lehr- und Lernprozesse nachhaltig. Insofern und auch vor dem Hintergrund der während der Covid-19-Pandemie gemachten Erfahrungen ist es erforderlich, diese Veränderungen aufzugreifen und die Lehrer:innenbildung systematisch auf die daraus resultierenden Anforderungen auszurichten.“

Neben der Bereitstellung und Pflege der erforderlichen Infrastruktur und rechtssicherer Rahmenbedingungen sei es nötig, geeigneter Werkzeuge zum Lehren und Lernen in einer digitalen Welt auszuwählen und zu entwickeln. Die Lehrer:innenbildung muss Innovationen gegenüber aufgeschlossen sein und die unterschiedlichen Facetten, Chancen und Risiken, Möglichkeiten und Grenzen digitaler Lehr-, Lern- und Prüfungsformate vermitteln, damit diese in Praxisphasen und im Vorbereitungsdienst unterrichtlich erprobt und theoriegeleitet reflektiert werden können“, heißt es, Hierfür böten sich die Kooperation mit Partnerschulen an, die die Studierenden während der Praktika im Rahmen des Masterstudiums betreuen.

„Digitale Werkzeuge und Medien sind als Erweiterungen und Ergänzungen des Präsenzunterrichts in der Schule zu verstehen“

„Um Experimentierfreude zu fördern und zugleich den reflektierten Umgang mit neuen Technologien zu stärken, sind zudem projektorientierte sowie experimentelle Lehr-Lern-Settings im Studium von zentraler Bedeutung. Umgangs- und Kommunikationsformen, Wertvorstellungen und deren Entwicklung in der digitalisierten Welt bilden einen unverzichtbaren Bestandteil des Lehr-Lernprozesses. Gefordert ist die Urteilsfähigkeit, in den Medien oder im Internet zwischen sachgerechten Informationen und nach Beeinflussung trachtenden Meinungen bzw. kommerziellen Angeboten zu unterscheiden.“

Was die „curriculare Verankerung von Themen und Kompetenzen“ angeht, machen die Hochschulrektoren drei Ebenen beim Einsatz digitaler Technik in Schulen aus:

  1. Informatische Kompetenzen: Schülerinnen und Schüler müssen dazu befähigt werden, kompetent, souverän und selbstbestimmt in einer digitalen Welt zu agieren. Dies setzt voraus, dass auch Lehrkräfte dazu in der Lage sind und dass sie die grundlegenden Prinzipien der digitalen Welt kennen sowie algorithmische Strukturen in digitalen Werkzeugen erkennen. Zu einer verantwortungsvollen Verwendung digitaler Lehrformate gehört unabdingbar ein Grundverständnis von Informatiksystemen (z. B. im Einsatzbereich Robotik, Sprachverarbeitung oder Simulation), Umgang mit Daten (Stichworte: Big Data, Datenschutz, Datensouveränität), Lizenzproblematiken (betreffend Lernobjekte, Tools und Apps) und Künstlicher Intelligenz. Die Vermittlung informatischer Kompetenzen sollte lehramtsspezifisch und unter Berücksichtigung entsprechender Schwerpunkte erfolgen.“
  2. Digitale Transformation in der Schulentwicklung: Die Möglichkeiten der Digitalisierung müssen von allen Lehrkräften genutzt werden, um auf unterschiedliche Lerngeschwindigkeiten, unterschiedliche Vorkenntnisse, unterschiedliche Interessen einzugehen, sowie räumlich und zeitlich versetzt zu arbeiten. Dies heißt auch, dass Lehrer:innenbildung berücksichtigt, wie die digitale Transformation die Institution Schule betrifft und ein Umdenken in der Schulentwicklung erfordert. Lehrer:innenbildende Studiengänge haben die digitale Transformation in all diesen Aspekten zu berücksichtigen.“
  3. Digitale Transformation in den Fachwissenschaften und in den Fachdidaktiken: Mit digitalen Medien und Technologien kann der Erwerb fachlicher Kompetenzen bei den Schüler:innen unterstützt werden. Es ist Aufgabe der Lehrer:innenbildung, digitale Medien und Technologien als selbstverständliches Arbeitsmittel für Studierende und Schüler:innen in die fachlichen und fachdidaktischen Veranstaltungen zu integrieren. Noch stärker als derzeit sollten lehrer:innenbildende Hochschulen digitale Werkzeuge in den Fachdidaktiken erforschen und mit Blick auf das fachspezifische Potenzial weiterentwickeln. Die digitale Transformation fordert insgesamt dazu heraus, die Relevanz fachwissenschaftlicher Inhalte neu zu bestimmen, was auch das Überdenken der Schulcurricula nach sich ziehen muss.“

Grundsätzlich wird festgestellt: „Lernen ist und bleibt ein sozialer Prozess. Dabei sind digitale Werkzeuge und Medien als Erweiterungen und Ergänzungen des Präsenzunterrichts in der Schule zu verstehen. Für die Lehrer:innenbildung bedeutet dies, Freiräume und Gelegenheiten zu schaffen, in denen Studierende ebenso wie Lehrende an den Hochschulen  Lernformate, Medien und Methoden kreativ erproben und hinsichtlich ihres didaktisch sinnvollen Einsatzes im Unterricht empirisch begründen und theoretisch reflektieren können. Des Weiteren spielt die Fort- und Weiterbildung für Lehrkräfte in den Schulen eine zentrale Rolle, denn nur so können die jetzt im Dienst stehenden Lehrerinnen und Lehrer für die neuen Herausforderungen gewappnet werden. Die bestehenden Paradigmen für die Fort- und Weiterbildung von Lehrkräften werden dieser Problemlage in keiner Weise gerecht, weder aus inhaltlicher Sicht noch hinsichtlich der organisatorischen und finanziellen Rahmenbedingungen.“ News4teachers

Hier geht es zur vollständigen Entschließung des 150. HRK-Senats „Lehrer:innenbildung in einer digitalen Welt“

Was macht die IT mit der gymnasialen Bildung? Philologen: Digitalisierung der Schulen darf kein Selbstzweck sein

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Mein Name ist Hase
2 Jahre zuvor

Ähnliches habe ich schon gehört, als die ersten Smartphones auf den Markt kamen, wenn nicht schon früher. Erinnert sich hier noch irgendjemand an den Slogan aus den 1990ern: „Information at your fingertips“? Super, dass die HRK schon jetzt darauf aufmerksam wird!

Riesenzwerg
2 Jahre zuvor

Seid mir nicht böse….. ABER

angehende Lehrkräfte wurden und werden bis heute nicht angemessen auf Unterricht mit Verhaltenskreatiefität ausgebildet.

Oder im Umgang mit Helikoptereltern oder den anderen. Elterngespräche wäre auch eine sinnvolle (deswegen vermutlich ausgelassene) Vorbereitung.

Es wird kein home-schooling mehr geben – wohl aber verhaltenskreatiefe Kids, deren Eltern aus den verschiedensten Gründen, nun, nicht erreichbar sind.

Ich halte das für sinnvoller – auch Lehrergesundheit wäre ziemlich gut im Studium, Entspannungstechniken etc.

Aber wann wurde schon je auf „sinnvoll“ geachtet, wenn es um Schule ging und geht?!

Lanayah
2 Jahre zuvor

Ich habe schon während meines Referendariats Amfang der Achtziger mit drm Commodore 64 in der Schule arbeiten dürfen. Damals war das Thema Computer in Schulen heiß umstritten. In meiner weiteren Schullaufbahn habe ich die Digitalusierung in Schulen erlebt, die meiner privaten Lebenswelt immer um Jahrzehnte hinterherhinkte. Vor wenigen Jahren erst sind bei ins die letzten Win98-Rechner entsorgt worden. Mein Fazit ist: Das Problem ist nicht die Unfähigkeit der Lehrer (auch nicht der Älteren, denn PCs gab es schon als wir noch jung waren). Es isz svhlicht der Mangel an Hardware in drn Schulen.

Thomas Höhmann
2 Jahre zuvor

Aus leidvoller Erfahrung kann ich sagen: Genau umgekehrt wird ein Schuh draus: Wer die genannten Kompetenzen besitzt, hat keine Lust, Lehrerin zu werden. Der oder die sucht sich dann einen attraktiven und gut bezahlten Job! Es ist doch klar: Wer will sich denn unter den gegebenen Bedingungen noch vor eine Schulklasse stellen, wenn er nicht muss? Selbst dann wenn sie großartige Kompetenzen besitzt?
Was lernen wir noch daraus?
Wer dennoch den Lehrerberuf ergreift, hat i.A. keine Beziehung zu IT, weder geistig noch emotionell. Da hilft auch kein Weiterbildungsangebot.

Lera
2 Jahre zuvor

Die Hochschule-Rektoren hatten in den letzten 70 Jahren offensichtlich sehr, sehr wenig Einfluss auf die Inhalte der Lehramtsstudiengänge. Schlimm, wenn man so machtlos und zur Passivität verurteilt ist.
Kerze steht im Fenster…

GriasDi
2 Jahre zuvor

Was nützt digitale Ausbildung, wenn an den Schulen keine Dienstgeräte vorhanden sind – geschweige denn andere angemessene Infrastruktur.