Notfallmediziner: „Leben retten soll so selbstverständlich werden wie Fahrrad fahren“

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BERLIN. Die Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin fordert zwei jährlichen Stunden Wiederbelebungs-Unterricht pro Jahr für alle Schülerinnen und Schüler ab der siebten Klasse. Jährlich könnten so bis zu 10.000 Leben gerettet werden.

Rund 70.000 Menschen sterben in Deutschland jedes Jahr an einem plötzlichen Herz-Kreislaufstillstand. Etwa 10.000 von ihnen könnten gerettet werden, wenn alle Bürgerinnen und Bürger wüssten, wie man einen anderen Menschen wiederbelebt. Die Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) wartet mit eindrücklichen Zahlen auf, um die Forderung nach einer flächendeckenden Einführung von Wiederbelebungsunterricht für jedes Kind ab spätestens Klasse 7 zu untermauern. Mit einem offenen Brief will die wissenschaftliche Fachgesellschaft die Kultusminister der Länder auf die „stille Pandemie“ aufmerksam machen.

Herzmassage an einem Dummy
Je schneller Hilfe geleistet wird, desto höher sind die Überlebenschancen. Auch Jugendliche sollten daher keine Angst haben zu helfen. Foto: Rama /Wikimedia Commons (CC BY-SA 2.0)

Im Notfall reiche es nicht, den Notarztwagen zu rufen, wenn ein Mensch leblos zusammenbricht. Es sei vielmehr höchst wichtig, dass bei den betroffenen Patienten die Pumpleistung des Herzens direkt und ohne zu zögern von den Angehörigen, Freunden oder fremden Menschen in nächster Nähe übernommen werde. Dauere es im Durchschnitt neun Minuten, bis ein Rettungswagen eintreffe, sei meist nach drei Minuten ohne Sauerstoff das Gehirn bereits geschädigt und nach fünf Minuten ohne schlagendes Herz oder Herzdruckmassage und ohne Sauerstoff sei das Gehirn meist tot.

„Eigentlich sei es sehr einfach“, schreibt die DIVI. Ein Rettungsversuch nach der Faustformel „Prüfen, Rufen, Drücken“ erfordere nur ein wenig Wissen und ein wenig Mut.“ Leider würden aber weiterhin in Deutschland auf politischer Ebene kaum Initiativen ergriffen, um das Wissen in die Bevölkerung zu tragen. Schon zwei Schulstunden Wiederbelebungs-Unterricht einmal im Jahr ab der siebten Klasse in allen Schulen könnten hingegen Abhilfe schaffen. Leben retten solle so selbstverständlich werden wie Fahrrad fahren.

Ein Beispiel liefere Dänemark. Dort wurde im Jahr 2005 der Wiederbelebungs-Unterricht gesetzlich festgeschrieben und Kinder in der Schule in Wiederbelebung ausgebildet. Die Kinder hätten keine Angst zu helfen, würden das Gelernte in die Familien und weiter in die Gesellschaft tragen. „Die Überlebensrate bei einem Herz-Kreislaufstillstand hat sich seither bei unseren nördlichen Nachbarn verdreifacht. Das können wir auch in Deutschland schaffen!“, so die DIVI.

DRK: „Schule muss sicherer werden“ – Schüler sollen Erste Hilfe lernen

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7 Kommentare
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Lanayah
1 Jahr zuvor

Grundsätzlich ist das eine gute Idee, gegen die auch für mich nichts spricht, obwohl mich sonst nervt, das alles auf die Schulen abgewälzt wird. Ich finde Doc Caro, die das (mit?) initiiert auch super. Aber ich frage mich, wo ist das Problem? Warum muss das groß beschlossen werden? Wenn Ersthelfer-Ausbilder 2x im Jahr jede Schule besuchen, und die Kinder in Ersthilfe ausbilden wollen, wird sich kaum jemand querstellen. Allein für die Zahngesundheit gehen bei uns pro Jahr mehr Stunden pro Klasse drauf. Problematisch wird das nur, wenn Schulen das in der gerne zitierten Eigenverantwortumg und ohne externes Personal wuppen sollen

potschemutschka
1 Jahr zuvor
Antwortet  Lanayah

„Wo ist das Problem?“ Wie immer das Geld. Schon die vom Arbeitgeber geforderte 1. Hilfe- Ausbildung bzw. Auffrischung für Lehrer und Erzieher wird nicht einfach so vom Arbeitgeber bezahlt. Da muss die Schule sich um irgendwelche Gutscheine kümmern oder die Kollegen zahlen selbst.

Realist
1 Jahr zuvor
Antwortet  Lanayah

Ist doch klar, auch Malteser, Johanniter und wie sie alle heißen haben extremen Fachkräftemangel. Also muss man diese „Rettungsausbildung“ der Schüler auf den Ackergaul abwälzen, der auch sonst alles widerstandslos hinnimmt. Und das dafür Unterrichtsstunden draufgehen? Schlägt man halt wieder mit der PISA-Keule auf den Gaul. Muss er halt effizienter den Pflug ziehen, ich meine natürlich unterrichten…

TaMu
1 Jahr zuvor

Das ist wichtig, muss aber von speziellen Fachleuten vermittelt werden, das heißt, von Schulungspersonal der Rettungsdienste. Ich habe alle zwei Jahre am Kurs „Erste Hilfe am Kind“ teilgenommen, mittlerweile also viermal, und könnte es im Notfall anwenden, aber ich könnte damit nicht vor eine Schulklasse treten und es sicher und anschaulich vermitteln.
Ich hoffe, dass jetzt nicht die Lehrkräfte den Kindern Wiederbelebung beibringen sollen!

Riesenzwerg
1 Jahr zuvor

„“Leben retten soll so selbstverständlich werden wie Fahrrad fahren““

Grins – bei uns werden viele mit – tada! – dem Auto gebracht.

Generell finde ich, dass wir alle alke zwei Jahre verpflichtet sein müssen, an EHKursen teilzunehmen.

Außerhalb der Schule.

Sonst muss ich tatsächlich Übernachtungs- und Verpflegegeld geltend machen.

Biene
1 Jahr zuvor

Es gibt an einigen Schulen die Möglichkeit des Schulsanitätsdienstes (SSD), die SuS werden dort von fachkundigen Lehrkräften (vorher 1 Woche Lehrgang + Aufbaulehrgänge unter dem Schuljahr) ausgebildet oder diese Lehrkräfte sind zum Teil selbst Teil des Not- und Rettungsdienstes oder bei der freiwilligen Feuerwehr.

Ich selbst gehe alle 6 Monate entweder zum Erste Hilfekurs oder zum Auffrischungskurs. Ich kann den immer gebrauchen (musste auch schon mehrmals in der Schule anwenden; zum Glück nur schwacher Kreislauf auf Grund von mangelnder Flüssigkeit und mangelnder Ernährung).

Tipp am Rande (gut für die Steuer:-)): Lehrkräfte können die Teilnahme am Erste Hilfe Kurs und auch den Auffrischungskursen in die Steuer packen. Sind Fortbildungskosten, die sich für mehrere Seiten Gewinnbringend lohnen.

Ron
1 Jahr zuvor

Und noch ein außerschulisches Projekt, das wieder die Kontinuität des Unterrichts unterbricht. Vor einer Woche waren es die Schulmedientage, die unbedingt gebraucht werden. Aber nicht, dass das mit der Buslotsenausbildung, den Streitschlichtern, den Kümmerern, dem Schülerpersonalrat, der Schülerfirma, den Umweltschulaktivitäten, den Rettungsschwimmern, den Schüler-Patenschaften oder der Schulverschönerungs-AG kollidiert. Ansonsten müssen die Schüler aber auch noch zu ihren Berufspraktika, zum Girlsday, zu den Berufsvorbereitungstagen, zur polizeilichen Gewaltprävention, zum Abenteuerprojekt, zur Drogenprävention, zu Pro Familia, zur Bildungsmesse, zum Schnuppertag in der Berufsschule oder der Oberstufe, zum Verkehrssicherheitstraining, zum Sprachaustausch, zum Computerführerschein usw. usw. Keine Woche ohne Unterbrechung und fehlende Schüler. Aber was gelten schon Mathe oder Deutsch, wenn die Junior-Wahl ruft oder Bundeswehr, Krankenkasse und Sprachtheater sich angemeldet haben. Freitags wird zudem gerne fürs Klima geschwänzt.