DLRG: Jede vierte Grundschule hat keinen Zugang zu einem Hallenbad

12

STUTTGART. Nach Corona ist wieder Land in Sicht beim Schwimmunterricht. Die Zahl der Kinder, die Schwimmen lernen, geht wieder nach oben – wie das Beispiel Baden-Württemberg zeigt. Doch noch immer gibt es lange Wartelisten.

Für den Schwimmunterricht ist zunächst mal eins notwendig: ein Schwimmbad. Foto: pxhere

Nach einem kräftigen Dämpfer wegen Corona und geschlossener Schwimmbäder lernen im Südwesten wieder deutlich mehr Kinder schwimmen. Es herrsche enormer Nachholbedarf, sagte die Geschäftsführerin des DLRG Landesverbandes Württemberg, Eleonore Wagner. Ihren Angaben zufolge wurden im vergangenen Jahr über 11.300 Seepferdchen-Abzeichen abgenommen – rund 20 Prozent mehr als vor Corona.

Beim Bronze-Schwimmabzeichen – erst dann gilt man offiziell als sicherer Schwimmer – konnten die Zahlen von 2019 zumindest fast wieder erreicht werden. Vor Corona waren im Land rund 6000 dieser Abzeichen erworben worden, vor allem von Kindern. Die guten Werte seien dank extremer Bemühungen ehrenamtlicher Ausbilderinnen und Ausbilder und auch dank Förderprogrammen erreicht worden.

Entwarnung gab Wagner aber nicht. «Die Zahlen sind glücklicherweise wieder nach oben gegangen, von Erholung kann man jedoch noch nicht sprechen», betonte sie. Es gebe vielerorts weiterhin lange Wartelisten für Schwimmkurse. «Das liegt zum einen am höheren Bedarf an Ausbilderinnen und Ausbildern, aber vor allem auch am Bedarf an mehr Wasserfläche und Wasserzeiten», erläuterte sie.

Bundesweit hätten 25 Prozent der Grundschulen keinen Zugang zu einem Hallenbad. Bislang sei es nicht möglich gewesen, den Rückstand aufzuholen, der durch die vielen ausgefallenen Kurse entstanden sei. Jährlich würden rund 100 000 Kinder in Baden-Württemberg eingeschult – «bei weitem nicht alle werden bis zum Schuleintritt schwimmen können oder einen Schwimmkursplatz ergattert haben», ergänzte Emanuel Vailakis, Geschäftsführer des Schwimmverbandes Württemberg.

Nach Zahlen der Deutschen Gesellschaft für Bäderwesen gibt es in Baden-Württemberg über 600 Hallenbäder und mehr als 400 Freibäder; darunter auch Kombibäder oder Naturbäder. «Wir haben trotz Corona und Energiekrise nur von ganz wenigen Bädern erfahren, die dauerhaft schließen mussten», erklärte eine Sprecherin. Fehlende Wasserflächen für den Schwimmunterricht seien vor allem dem Umstand geschuldet, dass die Bäder zu wenig Personal hätten oder die Nutzung eines Bades nicht optimal koordiniert werde.

Wie es aktuell um die Schwimmfähigkeit von Kindern im Südwesten bestellt ist, dazu hat das Land keine Informationen. Das geht aus einer Antwort des Kultusministeriums von Ende Januar diesen Jahres auf eine Anfrage der FDP hervor. Bundesweit hat sich die Zahl der Grundschulkinder, die nicht schwimmen können, binnen fünf Jahren von 10 auf 20 Prozent verdoppelt – nicht zuletzt wegen Corona, wie im vergangenen Jahr eine repräsentative Forsa-Umfrage im Auftrag der DLRG ergab.

Das Kultusministerium hatte 2022 das Pilotprojekt «SchwimmFidel» aufgelegt, das bisher fast 2300 Vorschulkindern kostenlose Schwimmkurse ermöglichte. Zuvor hatte es ein Sofortprogramm gegeben, um coronabedingt ausgefallene Kurse zu fördern. Im Haushalt 2023/24 stehen den Angaben zufolge insgesamt jährlich 1,25 Millionen Euro zur Verfügung, um Vorschul- und Grundschulkinder beim Schwimmenlernen zu unterstützen. (dpa)

Für viele Grundschüler ist Schwimmunterricht Pandemie-bedingt ausgefallen

Anzeige


Info bei neuen Kommentaren
Benachrichtige mich bei

12 Kommentare
Älteste
Neuste Oft bewertet
Inline Feedbacks
View all comments
OMG
1 Jahr zuvor

Beispiel Hessen: Das Hallenbad des Schulträgers wird formal privatisiert. Danach sagt der Schulträger, er verfüge über kein Hallenbad für das Schulachwimmen. Der Schulträger ist in der neuen GmbH 51% beteiligt. Nunmehr zahlen die Schulen den Eintritt. 2.5 Euro je Kind und Doppelstunde. Leider ist der Topf der Schulen, den der Schulträger stellt, für die Kosten Schulschwimmen gedeckelt. Also müssen hier die Grundschulen je nach Größe 20 bis zu 50 Euro je Halbjahr von Eltern einsammeln, damit man schwimmen gehen kann. Wen stört es? Scheinbar niemanden.

Dil Uhlenspiegel
1 Jahr zuvor
Antwortet  OMG

Eine rundum günstige Lösung und so elegant.

Ureinwohner Nordost
1 Jahr zuvor
Antwortet  OMG

Ja, dann muss man halt einen gewissen „Schwund“ an Schwimmlernenden im Becken „hinnehmen“.
3% gerecht? Wie bei den Covid-Toten?
Ja, dann ist doch alles i.O.

Beim Militär sind 3% / Jahr auch gesellschaftlich „hinnehmbar“.
So ist das eben.

Ich weiß, …

Ron
1 Jahr zuvor

Es ist nicht nur so, dass viele Grundschulen keinen Schwimmunterricht anbieten können. Für alle anderen stellt sich das Problem, dass die Wassertemperatur vielerorts deutlich abgesenkt wurde. Die Kinder kommen bei uns halb erfroren aus dem Unterricht, obwohl sie ständig in Bewegung sind. In meinen Augen kann das so nicht weitergehen.

Carsten60
1 Jahr zuvor
Antwortet  Ron

Man könnte den schulischen Schwimmunterricht durchaus dadurch ersetzen, dass bis zu einem bestimmten Alter die Vorlage eines Freischwimmerzeugnisses oder so ähnlich gefordert wird. Notfalls kann man armen Kindern den Kurs bezahlen, das wird unterm Strich nicht teurer als jetzt. Wenn dann die Eltern sich querlegen, müssen sie halt mit Sanktionen rechnen wie beim Schulschwänzen.

gehtsnoch
1 Jahr zuvor
Antwortet  Carsten60

Aus Erfahrungen bei der DLRG teile ich dies nicht.
Viele Kids können sich über Wasser halten oder so ähnlich und wer kann sicher sein, dass dies vorgelegte Schwimmzeugnis je selbst abgelegt wurde …
Auch ist nicht die Bezahlung der Kursgebühr ein Hauptproblem, sondern offene Schwimmbäder mit Kapazitäten für Kurse in ortsnaher Umgebung zu finden, besonders dank Corona vor drei Jahren begonnen und nun wegen Energiekosten.

Ureinwohner Nordost
1 Jahr zuvor
Antwortet  gehtsnoch

Sagen Sie dies doch bitte nicht so offen.
Nicht, dass daraus gesamtgesellschaftliche Probleme erwachsen?!

Mama
1 Jahr zuvor
Antwortet  Carsten60

Steht dem nicht die Schulpflicht entgegen? Ich glaube, nicht mal Mitch Buchannon könnte sich vom Schwimmunterricht befreien lassen. Zumindest nicht mit der Begründung „Kann ich schon“.

Ureinwohner Nordost
1 Jahr zuvor
Antwortet  Mama

EIN Erlass aus dem Ministerium…
dann ist Ihr Problem gelöst.

Mama
1 Jahr zuvor
Antwortet  Ron

Meine Kinder konnten zum Glück schon Schwimmen, als Schwimmunterricht auf dem Stundenplan stand. Ich bezweifle aber, dass auch nur ein einziges Nichtschwimmerkind Dank Schulschwimmen Schwimmen lernt. Wir kennen Schwimmen eher als „Wasserparty“ oder „nass werden“.

Mo3
1 Jahr zuvor
Antwortet  Mama

Bei uns gab es ein Lehrschwimmbecken direkt neben der Grundschule und einmal die Woche stand 1 Stunde Schwimmen auf dem Stundenplan. Vor dreißig Jahren wurden den Kindern in der Grundschulzeit dort sogar Abzeichen (Bronze/Silber) abgenommen. Heute ist das anscheinend nicht mehr möglich. Viele Kinder machen die Abzeichen tatsächlich privat, aber bei den paar Kindern, die das Seepferdchen noch nicht haben, wird es auch in der Schule nicht gemacht. Schade.

Ureinwohner Nordost
1 Jahr zuvor
Antwortet  Mama

Ich habe meiner Tochter AUCH das Schwimmen in der Ostsee beigebracht.
Bei Dünung das Kind in die See geworfen, sie bis zum Untergang machen lassen, auffischen und glücklich überleben lassen.
Ganz individuell.
Nach einem Sommer war sie die perfekte Schwimmerin und Taucherin. Perfekt.
Kommt zu uns an die Baltische See.