GEW rechnet Bildungsministerium vor: 6.300 Lehrkräfte fehlen. Das sagt: Stimmt nicht!

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MAINZ. Der Lehrkräftemangel macht sich in den Schulen bundesweit bemerkbar –  nur nicht in Rheinland-Pfalz? Während das Bildungsministerium in Mainz keine Probleme bei der Stellenbesetzung erkennen kann, kommt die GEW mithilfe einer Umfrage auf die stattliche Zahl von 6.300 fehlenden Lehrkräften.

Fehlen viele Lehrkräfte – oder gar keine? (Symbolfoto) Foto: Shutterstock

„Die Umfrage belegt: An allen Schulen fehlen derzeit Fachkräfte“, so heißt es in einer aktuellen Pressemitteilung der GEW Rheinland-Pfalz. „Dies führt in wachsendem Maße zu Unterrichtsausfall, Vertretungsunterricht oder verschleiertem Unterrichtsausfall – sogenannten ‚Mitaufsichten‘ oder ‚Mitführen von Klassen‘, ‚eigenverantwortliches Arbeiten‘, ‚Arbeiten ohne Lehrkraft‘ oder ähnlichem. Zeitgleich werden die Bedingungen vor Ort in Bezug auf die wachsenden Anforderungen des Schulalltags schwieriger und komplexer.“ Zusätzlich seien die Belastungen an den Schulen durch die COVID-19-Pandemie, die Flutkatastrophe des Jahres 2021 sowie den Ukraine-Krieg und seine Folgen allerorts zu spüren.

„Schülerinnen und Schüler, Erziehungsberechtigte und Lehrkräfte stoßen immer wieder an die eigenen Belastungsgrenzen“, sagt GEW-Landeschef Klaus-Peter Hammer. „Den drohenden Unterrichtsausfall zu kompensieren und aufzufangen ist eine enorme, oftmals zum Scheitern verurteilte Herausforderung. Häufig muss die außerordentlich wichtige direkte Arbeit am Kind und damit die individuelle Förderung ausfallen. Dem eigenen Anspruch, guten Unterreicht und Bildungsarbeit zu leisten, können immer mehr Schulen nicht mehr gerecht werden.“

Die GEW sieht deshalb dringenden Handlungsbedarf. Um den Anforderungen gerecht zu werden, müssten die Arbeitsreserven deutlich ausgeweitet und ein besonderer Fokus auf multiprofessionelle Teams gelegt werden. Um Menschen für den Lehrberuf zu gewinnen und Lehrkräfte im Beruf zu halten, seien einerseits deutlich verbesserte Arbeitsbedingungen nötig sowie andererseits eine sachgerechte Entlohnung. So leiste sich Rheinland-Pfalz als eines der letzten Bundesländer für den Bereich der Grundschullehrkräfte eine im Vergleich zu Lehrkräften in anderen Schularten geringere Entlohnung.

Erstaunlich fällt die Reaktion des Bildungsministeriums aus: Alle Planstellen seien mit grundständig ausgebildeten Lehrkräften besetzt, heißt es – und die Zahlen der GEW seien nicht nachvollziehbar.

«Trotz all dieser Maßnahmen ist es leider nicht zu verhindern, dass es aufgrund von Ausfällen insbesondere durch Krankheiten kurzfristig zu personellen Engpässen und zusätzlichen Belastungen kommt»

Das Bildungsministerium verwies darauf, dass allein im laufenden Schuljahr mehr als 1900 neue Lehrkräfte eingestellt worden seien. Mit Blick auf die neu zugewanderten Schülerinnen und Schüler aus der Ukraine und anderen Ländern – insgesamt über 16 000 – seien im Schuljahr 2022/2023 rund 750 zusätzliche Planstellen sowie finanzielle Mittel für weitere 100 Vollzeitbeschäftigungsmöglichkeiten eingeplant. Im Doppelhaushalt 2023/2024 sei Vorsorge getroffen worden, um noch weitere 850 solcher Verträge nutzen zu können.

«Trotz all dieser Maßnahmen ist es leider nicht zu verhindern, dass es aufgrund von Ausfällen insbesondere durch Krankheiten kurzfristig zu personellen Engpässen und zusätzlichen Belastungen kommt», teilte das Ministerium mit. «Dies haben wir im vergangenen Winter in der gesamten Gesellschaft gesehen und das gilt auch für unsere Schulen.» Um Ausfälle zu kompensieren, seien aber mittlerweile 1725 Vertretungskräfte-Stellen geschaffen und mit Planstellen hinterlegt worden. Dazu komme noch Geld für befristete Beschäftigungen. Die Corona-Aufholmittel – 63 Millionen Euro Bundes- und 47 Millionen Landesmittel – seien auch zu einem wesentlichen Teil in die Unterrichtsversorgung und die Entlastung der Lehrkräfte investiert worden.

Die GEW wiederum kann das nicht nachvollziehen – und fordert unter anderem einen «Kurswechsel bei der Einstellungspolitik», multiprofessionelle Teams, damit die Lehrkräfte wieder mehr Zeit für den Unterricht hätten, und bessere Arbeitsbedingungen. «Wenn jetzt keine Entlastungen angedacht werden, kollabiert das System in absehbarer Zeit», heißt es im Forderungskatalog der Gewerkschaft.

Nach Einschätzung der bildungspolitischen Sprecherin der oppositionellen CDU-Landtagsfraktion, Jenny Groß, «ist es bereits fünf nach zwölf». Groß, die selbst Lehrerin ist, forderte eine Offensive gegen den Lehrermangel. «Die kann nur wie folgt aussehen: Mehr Planstellen an den Schulen im Land.» News4teachers / mit Material der dpa

„Lehrermangel nachhaltig lösen!“ GEW startet eine Petition an die Kultusministerkonferenz

 

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9 Kommentare
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Kendri
1 Jahr zuvor

Wir reden hoffentlich von „Entlastungen“ und nicht „Entlassungen“?

Mariechen
1 Jahr zuvor
Antwortet  Kendri

Och, wenn das nicht bald besser wird, wäre mir ne Entlassung auch recht…

Studienrat
1 Jahr zuvor

Aktive Realitätsverweigerung durch Politiker ist ja in diesem Land mittlerweile an der Tagesordnung.

Dil Uhlenspiegel
1 Jahr zuvor

Bitte nicht mehr Lehrer werden, sind bereits voll.

Konfutse
1 Jahr zuvor

Vielleicht sollte die GEW als Lösungsvorschlag verbalisieren, dass man nun am besten alle Schulen in RLP zu Einheits-oder Gemeinschaftsschulen ummodelt. Dann heißt es nämlich nicht mehr „Lehrer“ sondern „Lernbegleiter“. Das klingt nicht so wüst, da könnte dann das ignorante Volk denken, achja, das ist ja nicht so schlimm….solange keine Lehrer fehlen, is ja alles gut.
Oder ist die Idee nicht so neu? grübelgrübel….

Nadine
1 Jahr zuvor

Eine Freundin von mir wird im Mai mit dem Ref fertig und bekam bei einer Infoveranstaltung der ADD zum Bewerbungsverfahren genau das zu hören: Sie können nicht alle einstellen, dabei ist der Jahrgang bereits nur halb so groß wie sonst. Und Ethiklehrer braucht man eigentlich nicht – komisch nur, dass meine Tochter am Gymnasium seit fast einem kompletten Schuljahr keinen Ethikunterricht hat – auf Grund von Lehrermangel, wie es die Schulleitung den Eltern mitteilte…

Sportlehrerin
1 Jahr zuvor
Antwortet  Nadine

Ich höre auch im Bekanntenkreis, deren Kinder aufs Gymnasium gehen, dass der Sportunterricht aufgrund von Lehrermangel oft ausfällt (betrifft verschiedene Schulen) Trotzdem warte ich mit einem 1er Schnitt seit 2 Jahren auf eine Planstelle….

gehtsnoch
1 Jahr zuvor

Wie,
eine neu geschaffene Planstelle muss auch mit einem Menschen besetzt sein um keinen (Lehrer)- Mangel zu haben?