Lehrermangel? Bildungsministerin spricht jetzt von „Lehrernotstand“! So viele Seiteneinsteiger wie nie

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SCHWERIN. In ganz Deutschland fehlen Lehrer. Mecklenburg-Vorpommerns Bildungsministerin Oldenburg spricht von einem regelrechten «Lehrkräftenotstand» – und stellt so viele Seiteneinsteigerinnen und Seiteneinsteier ein wie noch nie. Trotzdem bleiben Stellen frei.

Haben Sie mal ’ne Lehrkraft? Foto: Shutterstock

Der bundesweite Mangel an Pädagogen überschattet auch den Schulstart in Mecklenburg-Vorpommern. Zwar seien mit Beginn des neuen Schuljahres 617 Lehrerinnen und Lehrer neu eingestellt worden. Doch könne es an 11 der insgesamt 501 Schulen in öffentlicher Trägerschaft noch zu Schwierigkeiten bei der Absicherung des Pflichtunterrichts kommen, erklärte Bildungsministerin Simone Oldenburg (Linke) in Schwerin. Mit der Zusammenlegung von Klassen und Kursen oder der befristeten Abordnung von Lehrern solle Unterrichtsausfall aber möglichst verhindert werden.

Nach sechs Wochen Sommerferien begann am Montag für die rund 164.600 Schülerinnen und Schüler in Mecklenburg-Vorpommern das neue Schuljahr. Darunter sind auch knapp 15.000 Erstklässler. Insgesamt etwa 20.000 Schüler besuchen eine Schule in privater Trägerschaft.

Nach den Worten Oldenburgs macht der Fachkräftemangel in Deutschland auch um die Schulen keinen Bogen: «Der Lehrkräftemarkt ist so gut wie leer gefegt», konstatierte sie. Da alle Bundesländer Bedarf hätten, gebe es inzwischen einen regelrechten «Lehrkräftenotstand». In Mecklenburg-Vorpommern seien aktuell 94 ausgeschriebene Stellen noch offen, 72 befänden sich im Bewerbungsverfahren. Um offene Stellen besetzen zu können, versuche das Land möglichst viele Referendare nach Abschluss des zweiten Staatsexamens zu halten, greifen immer häufiger aber auch auf Seiteneinsteiger zurück, sagte Oldenburg.

«Ohne Seiteneinsteiger würde das System Schule in Mecklenburg-Vorpommern gar nicht mehr funktionieren»

Von den in diesem Jahr bislang neu eingestellten 617 Lehrerinnen und Lehrern seien 386 ausgebildete Pädagogen. 231 Kräften fehle aber eine pädagogische Ausbildung. Mit 37,4 Prozent sei der Anteil dieser Seiteneinsteiger so hoch wie nie. Die erforderlichen pädagogischen Kenntnisse müssten diese berufsbegleitend erwerben. Laut Oldenburg stehen den Lehrkräften im Seiteneinstieg während der gut vierjährigen Qualifizierung erfahrene Mentoren zur Seite. Insgesamt seien in Mecklenburg-Vorpommern 13.720 Lehrkräfte beschäftigt, 11.700 davon an den Schulen in öffentlicher Trägerschaft.

Kritik kam erneut von der Opposition im Landtag. Der CDU-Abgeordnete Torsten Renz warf Oldenburg vor, zu wenig gegen den Lehrermangel zu tun. Das neue Schuljahr habe begonnen, die alten Probleme blieben bestehen, neue kündigten sich an, doch die Bildungsministerin scheine selbst wenig Handlungsbedarf zu verspüren. «Ohne Seiteneinsteiger würde das System Schule in Mecklenburg-Vorpommern gar nicht mehr funktionieren», sagte Renz. Es fehlten konkreten Maßnahmen, wie der Unterrichtsausfall insbesondere in den naturwissenschaftlichen Fächern bekämpft werden solle. Laut Oldenburg fehlen gerade in diesem Bereich Pädagoginnen und Pädagogen. Nach Überzeugung von Renz würde eine verringerte Unterrichtsverpflichtung das Land attraktiver machen für Lehrer.

Sabine Enseleit von der FDP warnte vor Qualitatsverlust bei der Wissensvermittlung. Zwar sei die vermehrte Einstellung von Seiteneinsteigerinnen und Seiteneinstergern als Teil der Maßnahmen zur Bekämpfung des Lehrkräftemangels nachvollziehbar. Da viele aber keinen akademischen Abschluss hätten, wachse die Gefahr, dass an den Schulen akademisch und pädagogisch ausgebildete Lehrkräfte rar werden. «Gerade an den Grund- und Regionalschulen benötigen die Lehrkräfte aber eine solide pädagogische Ausbildung», mahnte Enseleit.

«Dass es mancherorts nur mit Mühe, beipielsweise durch Klassenzusammenlegungen, gelungen ist, die Kontingentstundentafel abzusichern, zeigt auf, wie groß die Not ist»

Die Grünen-Abgeordnete Jutta Wegner beklagte, dass die zentralen Probleme des Lehrermangels weiterhin nicht angegangen würden. «Klassen mit bis zu 30 Kindern, immer neue Aufgaben und eine mangelnde Ausstattung mit Materialien sind weder geeignete Arbeitsbedingungen noch Anreiz, diesen Beruf zu ergreifen», kritisierte sie. Zudem sei es an der Zeit, die Lehrkräfteausbildung grundlegend zu reformieren. In Baden-Württemberg etwa werde ab dem kommenden Jahr ein dualer Modellstudiengang angeboten, in dem sich theoretische Studienelemente und praktische Phasen abwechseln.

«Die heutige Meldung aus dem Bildungsministerium, dass es mancherorts nur mit Mühe, beipielsweise durch Klassenzusammenlegungen, gelungen ist, die Kontingentstundentafel abzusichern, zeigt auf, wie groß die Not ist», hieß es von der GEW Mecklenburg-Vorpommern. Diese hatte zuletzt massive Kritik an der Landesregierung geübt. Nun habe Bildungsministerin auch öffentlich bekannt, dass sich das Land in einem Lehrkräftenotstand befinde. «Diese Deutlichkeit brauchen wir, um gemeinsam Maßnahmen zu entwickeln, die es uns ermöglichen den Unterricht dauerhaft abzusichern», betonte der GEW-Landesvorsitzende Nico Leschinski. Nach seinen Berechnungen fehlen strukturell mindestens 500 Lehrkräfte im Land. News4teachers / mit Material der dpa

KMK-Kommission sagt 20 Jahre Lehrermangel voraus – sie empfiehlt: Mehrarbeit für Lehrkräfte, Hybridunterricht, größere Klassen

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Fakten sind Hate
8 Monate zuvor

Das neustes aus NRW hinsichtlich Lehrermangel:

Wir haben gerade einen Mangelfachbewerber zur Hand der auch bereits den Antrag zur Anstellung an meiner Schule unterschrieben hat.
Er erhielt nach einer von der Bezirksregierung die Aufforderung sein Führungszeugnis vorzulegen. Der Anstellungstermin wäre etwa in einer Woche vorgesehen. Der Bewerbungsprozess bis zur tatsächlichen Anstellung hätte damit knapp 2-3Wochen gedauert.
Nun stellt sich das Bundeszentralregister in Bonn quer. Aufgrund der vielen Anfragen dauert die Zusendung ab Antragsstellung etwa vier Wochen für Privatpersonen. Der Bewerbungsprozess wird wohl knapp 1,5Monate dauern.

Vermutlich wird unser Bewerber abspringen, da er mehrere Angebote aus der Wirtschaft erhalten hat, die eine kurzfristige Anstellung versprechen.

Pit2020
8 Monate zuvor
Antwortet  Fakten sind Hate

@Lessi

Auch für Lehrkräfte gilt:
Lifelong learning! 😉 🙂

Tanja
8 Monate zuvor

die Wirtschaft und der Trend gehen in Richtung Flexibilität.

Wenn Sie da 5 Tage die Woche von 7 bis 18 Uhr und manchmal später vor Ort in der Schule sind, ist das unattraktiver.

Gen Z will homeoffice montags und freitags uind work abroad

Norddeutsche Primel
8 Monate zuvor
Antwortet  Tanja

Was sagen sie zur Inflation?

Mehrarbeit, Gehalt gleich, Gehalt mit der Inflation viel weniger wert…. 🙁

Fakten sind Hate
8 Monate zuvor

Es kommt demnächst bestimmt eine Neugewichtung des Warenkorbs (Inflation), dort werden erhält dann die Position „Smartphone“ eine besondere Bedeutung. Da Sie und Ihre Kinder mehrere neue teure Geräte (500Euro udn mehr) benötigen, wird die Inlation sicherlich geringfügig sein. Sie werden sich sicherlich – laut Warenkorb – deutlich mehr leisten können. Sie sind also reich.

Rolf
8 Monate zuvor
Antwortet  Fakten sind Hate

3000 Euro Inflationsprämie kommt wann?

Beim Bund dauert die Auszahlung irgendwie fast nen Jahr

Fakten sind Hate
8 Monate zuvor
Antwortet  Rolf

Ich weiß nur vom letzten Durchgang, dass es bei mir einen Monat später als zugesagt auf mein Konto überwiesen worden ist.

MCPIC
8 Monate zuvor
Antwortet  Rolf

natürlich liegt es auch am Geld.
Sonst würden auch mehr wechseln 😀

Rainer Zufall
8 Monate zuvor
Antwortet  Tanja

Ja, die Gen Z will immer für ihre Arbeit bezahlt werden und nutzt die Marktwirtschaft aus, um einen für sie geeigneten Beruf zu finden – typisch!
Aber solange die genügend in die Rentenkasse einzahlen und nicht zu wenig Kinder bekommen, können die wohl kaum so einen Schaden anrichten wie frühere Generationen es bei unserem Rentensystem werden 😉

Gelbe Tulpe
8 Monate zuvor
Antwortet  Rainer Zufall

Logisch. Wenn das Rentensystem stabil sein soll, müssen die Arbeitnehmer möglichst viel einzahlen, und das geht nur über hohe Löhne und zahlreiche Beschäftigte.

Rainer Zufall
8 Monate zuvor

Nein, nein, nein. Haben die denn nicht die früheren Erklärungen der KMK gelesen? Die leisten gute Arbeit und sind zufrieden.

Aber wenn Notstand herrscht, sollten alle Ressourceen genutzt werden – für unsere Kinder! Wie viele Lehrkräfte sind derzeit dort im Landtag? 😀

Hornveilchen
8 Monate zuvor

Aber A13 und die Verbeamtung und irgendwelche Zulagen sollten es doch richten. Warum hilft das alles nicht?

Oberkrämer
8 Monate zuvor
Antwortet  Hornveilchen

Es war doch immer klar, dass das nicht die Gründe sind. Da haben schlaue Lehrer einfach die Gunst der Stunde genutzt!

Pet_Teachers
8 Monate zuvor
Antwortet  Hornveilchen

Weil auch solche Zusagen nicht dazu führen, dass insgesamt mehr Lehrkräfte auf dem Markt zur Verfügung stehen!
Sehen Sie den Tatsachen ins Auge: Lehrkräfte sind Mangelware. Da muss man als Arbeitgeber eben etwas bieten, um auch nur im Rennen um die gefragten Fachkräfte zu bleiben. Ist das wirklich so schwer zu verstehen??

Fragezeichen
8 Monate zuvor
Antwortet  Hornveilchen

Gute Frage.

Bla
8 Monate zuvor
Antwortet  Fragezeichen

Das ist keine gute Frage hier, da diese schon oft genug gestellt wurde und ebenfalls erklärt wurde.

– Ohne A13 würden mit Sicherheit nicht mehr Leute den Lehrerberuf ergreifen. Ein „Mehr an Gehalt“ ist eigentlich (nahezu) nie negativ.
– A13 gibt es auch nicht flächendeckend in allen Bundesländern
– Auch andere Berufsgruppen erhöhen Gehälter – dadurch ist die Erhöhung halt generell vorhanden und nicht nur bei Lehrern. Muss man eben schauen, wie man zu anderen Berufsgruppen steht und erhöht (gerade, wo eben Mangel ist … Da sieht es für Informatiker eben deutlich besser aus)
– Die Rahmenbedingungen stellen natürlich einen primären Faktor für einen Beruf dar. Dies muss ZUSÄTZLICH geschehen. Wie in anderen Berufen eben auch. Hier gilt: Mehr Lohn UND bessere Rahmenbedingungen. Ganz einfach. Rest geht unter oder ist schon untergegangen. Konkurrenz wird immer mehr auf dem ArbeitNEHMERmarkt derzeit.
– Rahmenbedingungen an den Schulen kamen und kommen einfach nicht
– Bei vielen Unternehmen kommen eben auch „Zusatzleistungen“ und „Work-Life-Balance“.
-> Fazit: Gehalt UND Rahmenbedingungen verbessern. Ansonsten fällt man eben durch jeweils den anderen Bereich konkurrenztechnisch einfach raus.

Ist das jetzt sooo schwer zu verstehen?

Lesebrille
8 Monate zuvor
Antwortet  Hornveilchen

Naja, neue Lehramtsinteressente müssen ja auch erstmal ihr Studium beenden.
Die Auswirkungen von A13 und Verbeamtung sieht man also frühestens in ein paar Jahren.

Und der andauernden Verschlechterung der Arbeitsbedingungen wird durch diese Maßnahmen selbstverständlich nur etwas entgegengewirkt.
Viele andere Baustellen bleiben da noch offen (marode und dreckige Gebäude, fehlende oder veraltete Ausstattung und Arbeitsmaterialien, zunehmende Arbeitsbelastung durch wachsende Ansprüche und Bürokratie, fehlende Unterstützung, etc.).
Ein attraktiver Beruf wird das Lehramt durch A13 oder Verbeamtung allein noch nicht.

GriasDi
8 Monate zuvor

Ob Seiteneinsteiger pädagogische Ausbildung haben ist doch egal. Allerdings sollten diese ein Traineeprogramm (Referendariat) durchlaufen müssen.

Bla
8 Monate zuvor
Antwortet  GriasDi

Warum? Wenn die pädagogische Ausbildung egal ist.
Warum sollten es sonst Lehramtsstudenten?
Das Referendariat gehört grundlegend verändert.

Gelbe Tulpe
8 Monate zuvor

Sigmar Gabriel ist doch Lehrer. Und Angela Merkel könnte Physik und vielleicht auch Mathematik unterrichten.

Bla
8 Monate zuvor
Antwortet  Gelbe Tulpe

Oder Politik(-wissenschaft)?