Duales System in der Krise: So wenig Abschlüsse wie nie – die berufliche Bildung in Deutschland stürzt ab

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BERLIN. Viel war zuletzt von der Krise im deutschen Bildungssystem die Rede. Ein jährlicher internationaler Vergleich der OECD sieht wie immer Licht und Schatten. Kritisch sieht es bei den Berufsabschlüssen aus, obwohl gerade die wegen des Fachkräftemangels wichtiger werden. Die GEW fordert, mehr Geld in die berufliche Bildung zu investieren.

Ausbildungsplatz? Och nö. (Symbolfoto) Foto: Shutterstock

Der Anteil junger Erwachsener mit einer klassischen Berufsausbildung in der Tasche ist einer OECD-Studie zufolge in Deutschland stark zurückgegangen. Im vergangenen Jahr konnten 38 Prozent der 25- bis 34-Jährigen einen Berufsabschluss vorweisen, 2015 waren es noch 51 Prozent dieser Altersgruppe, wie aus dem am Dienstag veröffentlichten jährlichen Ländervergleich «Bildung auf einen Blick» der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) hervorgeht. Der Rückgang im Bereich Berufsbildung in Deutschland sei der größte in allen OECD-Ländern, hieß es.

Er geht mit zwei Entwicklungen einher: Auf der einen Seite streben mehr junge Menschen höhere Abschlüsse wie ein Studium an. 2015 hatten noch 30 Prozent der 25- bis 34-Jährigen einen Hochschul- oder ähnlichen Abschluss in der Tasche. 2022 waren es bereits 37,5 Prozent. Zugleich erhöhte sich am anderen Ende der Anteil derjenigen, die maximal einen mittleren Schulabschluss ohne weitere Qualifikation wie eine Berufsausbildung hatten von 13 auf 16 Prozent. Im Bericht ist die Rede von einer zunehmenden «Bildungspolarisierung».

Der Staatssekretär im Bundesbildungsministerium, Jens Brandenburg (FDP), zeigte sich besorgt. «16 Prozent – das sind fast 1,7 Millionen junge Erwachsene, die nicht als dringend benötigte Fachkräfte zur Verfügung stehen», sagte er bei einer Online-Pressekonferenz. Diese jungen Menschen hätten weniger Chancen auf gute Beschäftigung und ausreichendes Einkommen.

Die berufliche Ausbildung müsse attraktiver und zugänglicher werden, forderte der Generalsekretär der OECD, Mathias Cormann, in einem Vorwort zur Studie. Die Leiterin des «OECD Berlin Centre», Nicola Brandt, appellierte zudem an die Politik, bereits «in den jüngsten Jahren» mit der Förderung anzusetzen, um zu verhindern, dass junge Leute zurückfielen und am Ende ohne eine guten Abschluss dastünden. Sie sprach von einem besonderen Druck, dem das deutsche Bildungssystem ausgesetzt sei und nannte «mehr Migration» als in anderen Ländern und auch den Lehrkräftemangel.

In der jährlichen Studie werden die Bildungssysteme der 38 Mitgliedsstaaten der OECD und weiterer Partnerländer miteinander verglichen. Analysiert wird auch etwa, wie viel Geld die Länder jeweils für Bildung ausgeben oder wie der Betreuungsschlüssel in Bildungseinrichtungen aussieht. Für Deutschland gibt es wie immer positive und negative Befunde:

  • Deutschland gibt demnach im Jahr im Schnitt kaufkraftbereinigt 14.700 Euro pro Bildungsteilnehmer von der Grundschule bis zum Studium aus. Im OECD-Schnitt sind es 11 800 Euro. Kritisch merkt die Studie dennoch an, dass Deutschland im Verhältnis zu seinem Bruttoinlandsprodukt weniger Geld in Bildung investiert als der OECD-Durchschnitt: 4,6 Prozent im Vergleich zu 5,1 Prozent.
  • Das Lehrkraft-Schüler-Verhältnis ist vergleichsweise gut: Über alle Bildungseinrichtungen von der Grundschule bis hin zur Universität hinweg liegt es in Deutschland bei 1 zu 13, im OECD-Schnitt bei 1 zu 15.
  • Lehrkräfte verdienen in Deutschland vergleichsweise sehr gut: Mit 15 Jahren Berufserfahrung sind es dem Bericht zufolge kaufkraftbereinigt je nach Schultyp etwa 80.000 bis 90.000 Euro pro Jahr. Nur in Luxemburg wird demnach mehr gezahlt. Im OECD-Schnitt liegt die Einkommensspanne zwischen 47.000 und 50.000 Euro.
  • Eine positive Entwicklung: Der Anteil der 18- bis 24-Jährigen, die weder in einer Ausbildung sind, noch einer Arbeit nachgehen, hat sich wieder verringert. Von 9,7 Prozent im Jahr 2021 auf 8,6 Prozent im vergangenen Jahr. Deutschland steht hier im OECD-Vergleich (14,7) sehr gut da und gehört zur Gruppe der Länder mit der niedrigsten Quote.

Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) mahnt zusätzliche Mittel und Reformen für den Übergang der jungen Menschen von der Schule in die Ausbildung an. „Das Berufsbildungssystem steckt in der Krise, es ist strukturell unterfinanziert. Dabei müssen die jungen Menschen dringend besser auf die Ausbildung vorbereitet und beim Übergang von der Schule mehr unterstützt werden. Die Arbeitgeber müssen sich ernsthaft der Aufgabe stellen, die Abbrecherquote durch qualitativ gute Angebote zu senken. Deshalb haben der Pakt für die Berufsbildenden Schulen, aber auch die im Koalitionsvertrag der Ampelregierung vereinbarten Projekte wie das Startchancenprogramm, der Digitalpakt 2.0 und die Schulbausanierung höchste Priorität“, sagte Ralf Becker, GEW-Vorstandsmitglied Berufliche Bildung und Weiterbildung.

„Wenn wir nicht endlich aktiv werden, wird der Anteil der Menschen, die keinen formalen Berufsabschluss haben, weiter steigen. Laut Berufsbildungsbericht haben in Deutschland 2,3 Millionen Menschen im Alter zwischen 18 und 34 Jahren keinen Berufsabschluss. Es ist absurd, einerseits über den Fachkräftemangel zu jammern und andererseits einen großen Teil der jungen Menschen, die da sind, nicht auszubilden“, stellte Becker fest.

Er machte deutlich, dass der steigende Anteil junger Erwachsener in Deutschland mit sehr niedrigem und sehr hohem Bildungsniveau zunehmend zu einer Polarisierung führe. Der Effekt: Es gebe immer weniger junge Menschen mit mittlerer Qualifikation. „Die Schere klafft immer weiter auseinander. Während uns die gestiegene Zahl der Hochschulabschlüsse freut, macht der wachsende Anteil junger Erwachsener ohne Berufsabschluss große Sorgen. Diesen jungen Leuten werden Lebens- und Berufsperspektiven genommen, sie haben wenig Teilhabechancen in der Gesellschaft. Deshalb muss das Berufsbildungssystem so reformiert und finanziert werden, dass wieder mehr junge Erwachsene einen Abschluss schaffen“, betonte der GEW-Berufsbildungsexperte.

Er wies darauf hin, dass Deutschland nach wie vor viel zu wenig Geld in die Bildung investiere, um das Land zukunftsfähig zu machen. Die Bundesrepublik investiere 4,6 Prozent des Bruttoinlandsprodukts in Bildung, der OECD-Schnitt liege bei 5,1 Prozent. „Die Milliarden Euro, die zu wenig für Bildung ausgegeben werden, fallen dem Land später durch niedrigere Steuereinnahmen und höhere Sozialausgaben doppelt und dreifach auf die Füße“, unterstrich Becker.

In der OECD haben sich 38 Industrie- und höher entwickelte Länder zusammengeschlossen. Die Organisation erstellt regelmäßig Analysen und Studien wie etwa auch die Pisa-Studie und gibt Politikempfehlungen ab. Die Mitgliedsstaaten fühlen sich nach Angaben der Organisation der Marktwirtschaft und Demokratie verpflichtet. News4teachers / mit Material der dpa

Auch das gehört zur Bildungskrise: Der Ausbildungsmarkt kommt nicht in Schwung. Ist die Duale Ausbildung noch zu retten?

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PaPo
7 Monate zuvor

Deutschland gibt demnach im Jahr im Schnitt kaufkraftbereinigt 14.700 Euro pro Bildungsteilnehmer von der Grundschule bis zum Studium aus. Im OECD-Schnitt sind es 11 800 Euro. Kritisch merkt die Studie dennoch an, dass Deutschland im Verhältnis zu seinem Bruttoinlandsprodukt weniger Geld in Bildung investiert als der OECD-Durchschnitt: 4,6 Prozent im Vergleich zu 5,1 Prozent.
Das BIP pro Kopf ist vielleicht auch nicht der adäquateste resp. einzig ausschlaggebende Messwert, da fehlt bspw. das Preisniveau von Dienstleistungen und Gütern etc., also was man jeweils für das entsprechende Geld auch bekommt.

Das Lehrkraft-Schüler-Verhältnis ist vergleichsweise gut: Über alle Bildungseinrichtungen von der Grundschule bis hin zur Universität hinweg liegt es in Deutschland bei 1 zu 13, im OECD-Schnitt bei 1 zu 15.
*lol*
Hier die Klassenteiler für das Schuljahr 2019/20 nach Ländern: https://www.kmk.org/fileadmin/Dateien/pdf/Statistik/Dokumentationen/2019-09-16_Klassenbildung_2019.pdf?fbclid=IwAR1JB9BOIynQp0L1twEiXvCqTmIKuO8JWv3_oLZ_FWE5ZJQk1EFxVRf3c2A. Und die Obergrenzen werden i.d.R. ausgeschöpft resp. überschritten. Was bringt einem dabei ein Wert für das Lehrkraft-Schüler-Verhältnis insg.? Von den anderen Verzerrungsfaktoren ganz zu schweigen…

Lehrkräfte verdienen in Deutschland vergleichsweise sehr gut: Mit 15 Jahren Berufserfahrung sind es dem Bericht zufolge kaufkraftbereinigt je nach Schultyp etwa 80.000 bis 90.000 Euro pro Jahr. Nur in Luxemburg wird demnach mehr gezahlt. Im OECD-Schnitt liegt die Einkommensspanne zwischen 47.000 und 50.000 Euro.
Nicht an Schulen…
A16 sind in Gruppe 8 in Bayern 84786,36 € Netto.
A15 sind in Gruppe 8 in Bayern 76431,60 € Netto.
A14 sind in Gruppe 8 in Bayern 68753,88 € Netto.
A13 sind in Gruppe 8 in Bayern 62926,56 € Netto.
… hat man hier Hochschullehrer mit Professuren etc. hinzugezählt?
Mal abgesehen davon, dass Durchschnittswerte hier ziemlicher Unsinn sind…

Marc
7 Monate zuvor
Antwortet  PaPo

Das mit dem Verdienst ist sowieso ein Witz, wenn im Lehrerzimmer alles von E9 bis A16 zusammen den gleichen Job macht.

PaPo
7 Monate zuvor
Antwortet  PaPo

Tschuldigung… Brutto… da war der Wunsch Vater des Gedankens. ^^

Realist
7 Monate zuvor
Antwortet  PaPo

Gerade die Netto-Beiträge sind bei Beamten schwer vergleichbar, da neben der Steuerklasse auch die Anzahl der Kinder eine erhebliche Rolle spielt sowie das Bundesland: Drei und mehr Kinder bedeuten schnell über 1000€ netto zusätzlich in einigen Bundesländern (bei gleicher Steuerklasse!) dank der stark erhöhten Familienzuschläge. Kindergeld (und demnächst Kindergrundsicherung) gibt‘ dann noch obendrauf.

Zumindest für Personen in Steuerklasse I ohne Kinder sind die Beamten-Besoldungen für Akademiker in bestimmten Fachwissenschaften nicht mehr mit der freien Wirtschaft konkurrenzfähig: Wer studiert noch MINT auf Lehramt? Alleine BMW zahlt dieses Jahr eine außertarifliche Sonderzahlung von knapp 7000€ zusätzlich zum sowieso schon extrem hohen IGM-Gehalt. Effektiv erhalten BMW-Beschäftigte mit der tariflich vereinbarten Sonderzahlung 14 Monatsgehälter. Bei einer 38,5-Stunden-Woche, geregelten Arbeitszeiten und ohne gesundheits-ruinierende, unbezahlte Korrektur-Marathons nachts und am Wochenende in Abtitur-Zeiten. Lehrkräfte an Gymnasien dagegen leisten pro Woche dagegegen zusätzlich zur 40- (in einigen Bundesländer 41-) Stunden-Woche im Schnitt noch knapp 4 unbezahlte Überstunden (unter Berücksichtigung der Ferien!), wie mehrere Studien bereits gezeigt haben. Und da bei 12 (nur) Monatsgehältern für Beamte.

Wer etwas auf dem Kasten hat, der studiert kein Lehramtv mehr. Es sei denn, er schielt darauf dauer- oder immer wieder „krank“ zu werden (unbegrenzte Fortzahlung der Besoldung im Krankheitsfall bei Beamten) oder er plant mindestens drei Kinder zu bekommen. Kurz: „Low-Performer“ studieren Lehramt oder wollen dahin (siehe die „Quereinsteiger“, die sich aktuell so an Schulen bewerben…)

Für alle anderen heißt es: „Lehramt? Ich bin doch nicht blöd!“

Mika
7 Monate zuvor
Antwortet  PaPo

Ein Gymnasialkollege in Bayern hat Netto also pi mal Daumen das Doppelte eines Angestelltennetto (mit über 20 Jahren Berufserfahrung) in Brandenburg. Das ist echt krass…

Realist
7 Monate zuvor
Antwortet  Mika

Selbst wenn dem so sei: Wenn der Kollege in München wohnt (und nicht in der Uckermark) nützt ihm das wenig…

Mika
7 Monate zuvor
Antwortet  Realist

Wenn er im bayrischen Wald wohnt, schon. Und in München gibt’s doch ne satte Ortszulage, oder? Bekommen Angestellte auch nicht.

Bayer
7 Monate zuvor
Antwortet  Mika

einfach nachgucken, Altersstufe macht was aus, Kinder etc auch

https://www.bbb-bayern.de/wp-content/uploads/2023/03/230309_Besoldungstabelle-2023-1.pdf

KARIN
7 Monate zuvor
Antwortet  PaPo

In BW Technische Oberlehrerin, über 40 Jahre im Dienst, 27 Std. Deputat, seit 10 – 15 Jahren

A 11 Endstufe 12, Grundgehalt 4 749,19 Euro, kein Weihnachts- oder Urlaubszeit!

Jahresgehalt : 56 990,28 Euro!

Beamtin, kein Aufstieg in A12 möglich, da keine oder kaum Funkgionsstellen dazuausgeschrieben werden!

Fragen noch?..

Sven A.
7 Monate zuvor
Antwortet  KARIN

Ganz ehrlich, da können die Bundesländer froh sein, dass sie verbeamten (die Falle erkennen die Beamten erst, wenn es zu spät ist). Wäre man, wie bei anderen Arbeitgebern nur angestellt und würde nicht seine ganze Altersvorsorge riskieren, man würde ihnen (den Bundesländern und dem Schuldienst) den Mittelfinger zeigen.

Berufspädagoge
7 Monate zuvor

Verwundert uns das? In der Berufsbildung arbeiten wir z.T. mit Rahmenlehrplänen, die in ihrer Struktur so schlecht sind, dass darauf aufbauend kaum logisch sinnvolle Schulcurricula erstellt werden können. Wir legen Berufschulklassen zusammen und schicken Sie durchs ganze Bundesland, nur um ein paar Lehrer/innenstellen einzusparen. Wir denken nicht über Bundeslandgrenzen hinaus, so dass Ausbildungsbetriebe am Rand eines Bundeslandes ihre Azubis nicht zur nächstgelegenen Berufsschule schicken (sie liegt hinter der Landesgrenze) sondern in die Berufsschule ihres Landkreises bzw. Bundeslandes. Diese Liste können wir noch endlos fortsetzen… Zunehmend sitzen aber immer mehr Studienabbrecher viele Jahre später auch in meinen Berufschulklassen.Dies lässt mich immer noch hoffen, dass die duale Ausbildung doch besser ist als ihr Ruf.

potschemutschka
7 Monate zuvor
Antwortet  Berufspädagoge

Hoch lebe der Föderalismus im Bildungswesen!

Mika
7 Monate zuvor

Ich weiß ehrlich gesagt nicht, wie das mit dem kaufkraftbereinigten Einkommen gemeint ist. Ich bekomme als Angestellte ( und deren Brutto ist deutlich höher als das der Beamten) mit über 20 Jahren Berufserfahrung (das Ref nicht mitgezählt) in der höchsten Erfahrungsstufe am Gymnasium ein Jahresbrutto von rund 72.000€. Netto sind das bei mir unter 40.000€ im Jahr (Steuerklasse 4, 2 Kinder, Zulagen gibt’s nicht für Angestellte). Mehr geht Brutto in Brandenburg als normale Lehrkraft nicht. Wie kommen die auf 80.000 – 90.000€ mit 15 Jahren Berufserfahrung?

Ragnar Danneskjoeld
7 Monate zuvor
Antwortet  Mika

Stell es dir doch mal für mein Bundesland vor:
Kollege A in Stuttgart erhält den selben Sold wie Kollege B im Schwarzwald. Unterm Strich hat Kollege B mehr Geld zu Verfügung, weil z.B. Wohnraum in Stuttgart deutlich teurer ist. Das Konzept der zwischenstaatlichen Kaufkraftbereinigung ist allerdings nicht zuletzt deshalb problematisch, weil es die Binnenheterogenität unterschlägt. Ein deutscher Kollege in Prag (Auslandsschuldienst) steht (womöglich) daher auf einem ähnlichen Kaufkraftlevel wie seine Kollegen im Bayerischen Wald, usw.

DerechteNorden
7 Monate zuvor

Was müssen Lehrkräfte in den anderen Ländern denn so für ihr Geld tun? DAS ist nie wirklich Thema.
Und wie geht es an, dass wir einerseits Lehrkräftemängel haben und andererseits ein so gutes Lehrkraft-Schüler*innen-Verhätnis von 1:13 besteht?

Ich hätte da noch mehr Fragen, belasse es aber dabei.

Lisa
7 Monate zuvor
Antwortet  DerechteNorden

Kann ich Ihnen für Kolumbien beantworten. Das Gleiche wie hier. Allerdings ohne nennenswerte Migration: Jedes Kind spricht Spanisch, und ausländische Kinder lernen die Sprache ca in einem halben Jahr. I- Kinder gibt es nur, wenn sie sich in den Unterricht einfügen können, ganz brutal gesagt: Nicht stören. Da keine Schulpflicht existiert, können Schüler sehr schnell einer staatlichen Schule verwiesen werden, wenn sie respektlos sind. Interessant sind für Lehrer die Zonas Rojas, die roten Zonen. Das sind die sozialen Brennpunkte. Nicht durch Integration, sondern durch Armut. Dort zählt jedes Jahr doppelt für die Pension, so dass man sich wenn man möchte, Recht früh pensionieren lassen möchte. Aber das wollen gar nicht viele. Im Gegensatz zu Privatschulen, in denen man teilweise ausgebeutet und über die langen Sommerferien nicht bezahlt wird, sind an staatlichen Schulen die Gewerkschaften sehr stark, und die Lehrer haben viele Arbeitnehmerrechte. Ab und zu gibt es aber Lehrerstreiks und Lehrer-Protest, immer unter großer Anteilnahme der Öffentlichkeit. Überhaupt hat der “ Profe“ ein positives Image, und der Gedanke von “ Aufstieg durch Bildung“ ist wie in vielen Drittwelt Ländern noch fest verankert.

DerechteNorden
7 Monate zuvor
Antwortet  DerechteNorden

Stellt sich diese Fragen niemand?
Lisa beschreibt zwar, wie es in Kolumbien ist, aber das sind keine wirklichen Antworten, weil ich natürlich polemisch frage.
Zu 1: Müssen sich die einzelnen Lehrkräfte in anderen Ländern auch um alles selbst kümmern? Oder haben wir uns unsere vermeintlich höhere Durchschnittsbesoldung nicht redlich verdient?
Zu meiner zweiten Frage: Wie kommt dieses Verhältnis von 1:13 zustande? Selbst meine I-Klasse hat 21 S*S, andere Lerngruppen sind größer. Die kleinsten bei uns an der Schule sind 15 Personen stark. Wie errechnet sich das Verhältnis? Und wer ist für die Zahlen zuständig bzw. gibt sie an die OECD weiter? Ich bezweifle das Ergebnis jedenfalls ganz stark.

Sven A.
7 Monate zuvor
Antwortet  DerechteNorden

Es ist ja auch nie Thema, dass alle anderen Berufe in Deutschland im OECD-Vergleich auch überdurchschnittlich bezahlt werden. Frage mich, warum das aber nur bei den Lehrern so eine wichtige Rolle spielt. Immerhin könnte man doch auch so indirekt deutschen Handwerkern und Polizisten unterstellen, dass mal weniger gierig oder froh sein sollen nicht wie ihre türkischen Kollegen bezahlt zu werden.

Hysterican / Andre Hog
7 Monate zuvor

Bleiben wir da in der Tradition der StuKa (Sturzkampfbomber im WK-II – mit heulen und Getöse Vernichtung unter uns lassend)… oder gehen wir einfach sang- und klanglos unter.

Die Fülle der Baustellen in unserem Schulsystem ist – vllt auch geprägt durch das System der Legislaturperioden auf max 4 Jahre planend – mit dem Ziel, möglichst nicht als finanzielle Belastung im Gesamthaushalt des jeweiligen B-Landes aufzufallen – einfach zu groß.

Nehmen wir die angeblich unsinkbare Titanic, die mit einem zugegebenermaßen nicht unerheblichen Leck – bedingt durch die Bau- und Konstruktionsform über die nicht voneinander getrennten Schotten so zugelaufen ist, dass dies unweigerlich zum Untergang führte.

Zuviel Wasser im Schiff – fahrlässig hineingelassen, technisch nicht abgesichert…und blibb,blubb,blubb … weg ist das ehemalige Prachtgefährt.

Elementarer Unterschied:
Die verantwortlichen Offiziere und der Käptain werden hier rechtzeitig die Biege machen, während die Maschinisten, die Stewarts, das Bordpersonal u.v.a. die Passagiere bei mangelnder Anzahl von Rettungsbooten schlicht untergehen.

Pit2020
7 Monate zuvor

@Hysterican / Andre Hog

Und was ist mit uns?
… Also mit der Bordkapelle?
Wieder bis zum Schluss bleiben?

Sven A.
7 Monate zuvor
Antwortet  Pit2020

Wie man bei vielen Kommentatoren hier liest, dann wird sogar bis zum Schluss die Musik gespielt.

„Ist das denn zu fassen? Wir sinken, wir sinken… ja, dann sinken wir halt“
Klaus Kinski-dem-sein-Double

Georg
7 Monate zuvor

Zwei Ursachen:
Erstens: Zu viele Abiturienten, die anschließend studieren gehen. Ob sie das fachlich und charakterlich können, ist eine andere Frage.
Zweitens: Viel zu geringer Abstand zwischen Bürgergeld und Mindestlohn, erst recht nach der unverschämten Erhöhung um 12%.

Vorschläge zumindest für Punkt 1:
Bologna-Reform rückgängig machen oder zumindest das Abitur wieder so schwer machen, dass nur noch ein gesunder Anteil der Jahrgänge studieren kann. Dazu alle Studiengänge ohne Nachweis eines wie auch immer gearteten Mehrwertes abschaffen, z.B. indem man den Lehrstühlen den Geldhahn abdreht.

Bei Punkt 2 fällt .mir außer echtem Druck nichts ein. In diesem Land wohnen so viele Menschen wie noch nie und es gibt mehr als genug potentielle Fachkräfte.

PaPo
7 Monate zuvor
Antwortet  Georg

Zu viele Abiturienten, die anschließend studieren gehen. Ob sie das fachlich und charakterlich können, ist eine andere Frage. […] Vorschläge zumindest für Punkt 1:
Bologna-Reform rückgängig machen oder zumindest das Abitur wieder so schwer machen, dass nur noch ein gesunder Anteil der Jahrgänge studieren kann.
D’accord, die Selektion sollte aber bereits bei der Zuweisung zur weiterführenden Schule erfolgen, also mittels Verbindlichkeit des (abschließenden) Grundschulzeugnis für die Zuweisung zur weiterführenden Schule. Mithin muss uns eine ordentliche Wahrnehmung einer fortwährenden Selektions- und Allokationsaufgabe wieder ermöglicht werden (mittels Korrekturen beim WIderspruchsverfahren, Stärkung der Real- und Hauptschulen etc.)

Zweitens: Viel zu geringer Abstand zwischen Bürgergeld und Mindestlohn, erst recht nach der unverschämten Erhöhung um 12%.
Das Problem ist, dass das Abstandsgebot etc. nicht gewahrt wird, nicht dass die Erhöhung des Bürgergelds zu hoch gewesen wäre.

Dazu alle Studiengänge ohne Nachweis eines wie auch immer gearteten Mehrwertes abschaffen, z.B. indem man den Lehrstühlen den Geldhahn abdreht.
Ein ganz entschiedenes ‚NEIN!‘ – Wissensgeneration und -vermittlung sind Selbstwerte. Was soll denn hier der „Mehrwer[t]“ sei, wie dieser zu beziffern? Doch nicht lediglich ökonomisch o.ä. – da ichz vermute, dass es Ihnen um Dgl. geht, wie es hier bereits einmal diskutiert wurde:
https://www.news4teachers.de/2022/09/akademisierungswahn-von-wegen-wenn-fachkraefte-gesucht-werden-kuemmert-euch-doch-mal-um-die-vielen-schulabbrecher/#comment-471496 (zzgkl. Folgebeitrag).

Mo3
7 Monate zuvor
Antwortet  PaPo

Was hat der Mindestlohn mit einer Ausbildung zu tun? Für jeden mit einer abgeschlossenen Ausbildung sollte der Mindestlohn kein Thema sein, da man in den meisten Berufen am Ende mehr verdienen wird und man sich anschließend ja auch noch weiter qualifizieren kann. Ohne Ausbildung wird man beim Mindestlohn oder knapp darüber hängenbleiben.

Lisa
7 Monate zuvor
Antwortet  Georg

Das Problem ist nicht, dass viele junge Leute gar nichts tun, sondern dass es mittlerweile massenhaft Jobs gibt, für die man keinen Berufsabschluss braucht. Callcenter beispielsweise, Erlebnisgadtronomie, Paketbote, Auslieferer etc. Meine Schüler überlegen es sich : Das schnelle Geld oder die Ausbildung, bei der man wieder zur Schule muss,, und ja, viele sind froh, die Schule loszusein. Noch fühlen sie sich jung und stark und denken gar nicht daran, dass sie im Prekariat landen. Außerdem waren Arbeitgeber früher so arrogant, dass sie über 20jaehrige als Azubis ablehnten “ zu alt für eine Lehre“ , das hat sich erst mit den Flüchtlingen verbessert. Das betraf bei mir Schülerinnen, die früh schwanger wurden, sie wollten nach drei Jahren eine Ausbildung machen und wurden nicht mehr genommen.

Nora
7 Monate zuvor

Probleme mit Geld zuschütten scheint im ehemaligen Land der Dichter immer mehr Mode zu sein. Egal, wohin man schaut. Überall heißt es „mehr Geld für…“, so als sei Geld ein Allheilmittel und sein Besitz unerschöpflich.
Mehr „kluge Köpfe“ müsste die Forderung lauten“ und „mehr leistungsfähigen Nachwuchs“. Aber auch dazu fällt nur wieder „mehr Geld“ ein, so als wäre Geld unerschöpflich und als würde es auch exakt für die richtigen Dinge ausgegeben.
Ich möchte nicht wissen, wie viele Millionen, wenn nicht gar Milliarden, im Bildungssektor für sinnlose oder sogar kontraproduktive Entscheidungen Jahr für Jahr verschwendet wurden und werden.

Riesenzwerg
7 Monate zuvor

Was soll man sagen?

Das erworbene Wissen strebt qualitativ gegen Null.

Die Abschlüsse auch.

Zusammenhang?

gehtsnoch
7 Monate zuvor
Antwortet  Riesenzwerg

Kann auch heißen: Das vermittelte Wissen im engeren Wissensbegriff – in dieser Zeit mit den sieben Buchstaben – war einfach unzureichend.

Pit2020
7 Monate zuvor
Antwortet  Riesenzwerg

@Riesenzwerg

Antwort:
Das Wissen ist volle krass am Streben?
Dann gibt das Kloppe nach der 6. Stunde! 😉