Jarzombek: Wenn der Digitalpakt scheitert, werden Schulen (je nach Standort) abgehängt

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BERLIN. Thomas Jarzombek ist bildungspolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion und damit der Gegenspieler von Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP). Er hält ihr Zaudern beim Digitalpakt 2.0 für hoch problematisch. Darüber hinaus kritisiert der Düsseldorfer Bundestagsabgeordnete im Gespräch Bildungsminister, die glauben, mit selbst entwickelten Schulplattformen besser zu fahren als mit marktreifen Lösungen – wie die in NRW.

Sprecher der CDU/CSU im Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung:
Thomas Jarzombek. Foto: Tobias Koch / Bundesministerium für Klima und Wirtschaft

„Also, ich habe da eine ganz klare Meinung. Ich glaube, dass die öffentliche Hand grundsätzlich keine Software selbst entwickeln sollte, nur in äußersten Ausnahmefällen. Und ich sehe, dass es hier einen Markt gibt von mittelständischen Unternehmen, die Lösungen für Schulen anbieten“ – sagt CDU-Bildungsexperte Thomas Jarzombek, angesprochen auf die Entscheidung des (CDU-geführten) NRW-Schulministeriums, seine marode Schulplattform Logineo zu sanieren – ohne erhoben zu haben, wie teuer das wird und ob nicht eine kommerzielle Lösung einfach eine bessere wäre.

Schulen hätten in der Pandemie IT-Lösungen mit sehr viel Engagement auf die Bedürfnisse ihrer Schülerinnen und Schüler angepasst – und seien dann dazu gezwungen worden, das vermeintlich kostenlose Logineo zu nutzen. Eine Menge Motivation sei damit kaputt gemacht worden. Jarzombek: „Nach letztem Stand braucht Logineo rund 200 Millionen Euro öffentlicher Mittel für die nächsten Jahre. Deshalb ist das natürlich keineswegs eine kostenlose Lösung, sondern ganz schön teuer für die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler. Ich glaube, es macht mehr Sinn, solche Lösungen im Markt zuzukaufen, den Schulen selbst auch die Hoheit zu überlassen, zu entscheiden, was sie eigentlich machen wollen.“

„Da gehen Strukturen verloren, weil diejenigen, die die Verantwortung tragen, Personal dann eben kündigen müssen“

Auch an Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) übt Jarzombek scharfe Kritik. Mit Blick auf eine Neuauflage des Digitalpakts sagt er: „Stand der Dinge ist eine große Unsicherheit bei allen Beteiligten, weil einerseits die Bundesministerin erklärt hat, es soll einen Digitalpakt 2.0 geben. Auf der anderen Seite aber kommen die Verhandlungen nicht vorwärts.“ Seit einigen Monaten entstehe der Eindruck, dass das Programm vielleicht doch nicht komme – oder deutlich später als erwartet.

„Und das ist natürlich ein Problem“, sagt Jarzombek. Denn: „Gerade in den Kommunen müssen Entscheidungen getroffen werden – über die Verlängerung von Verträgen, auch über Personal. Und in dem Moment, in dem nicht genau klar ist, dass es da weitergeht, wird das – ähnlich wie bei den Sprach-Kitas – dazu führen, dass Verträge einfach auslaufen, oder sogar gekündigt werden müssen. Denn vor Ort muss die Frage beantwortet werden, wie die Verpflichtungen, die sie langfristig eingehen, auch finanziert werden. Der Digitalpakt läuft im Mai nächsten Jahres aus. Es wird dann noch weiteren Mittelabfluss für bereits eingereichte Projekte geben, neue Vorhaben können aber nicht mehr angegangen werden. Und es können auch keine Personen weiterbeschäftigt werden.“

Das heißt, viele angeschobene Projekte laufen aus, weil zunächst keine Anschlussfinanzierung erfolgt? Jarzombek: „Exakt so sieht das aus. Die Haushaltsberatungen im Bund sehen traditionell immer so aus, dass sie sich durch den Herbst hinweg ziehen. Dann wird in der Regel in den Sitzungen im November, Dezember endgültig der Haushalt beschlossen. Insofern besteht noch die Möglichkeit, die versprochenen Mittel bereitzustellen. Wenn keine Mittel eingestellt werden, dann wird auch im nächsten Jahr kein Digitalpakt 2.0 starten können. Und so hat man ja die Ministerin auch verstehen können, die schon hat anklingen lassen, dass sie es nicht so schlimm fände, wenn das erst 2025 passieren würde – das ist eine Logik, die wir, ehrlich gesagt, nicht richtig nachvollziehen können.“

Wenn im Mai der alte Digitalpakt auslaufe, dann bleibe mindestens eine Lücke von sieben Monaten. Jarzombek: „Da gehen Strukturen verloren, weil diejenigen, die die Verantwortung tragen, Personal dann eben kündigen müssen. Das ist dann weg. Die Leute werden auch nicht mehr so schnell wiederkommen. Es ist ohnehin für die Kommunen eines der größten Probleme, geeignetes IT-Personal zu finden.“

Am Geldmangel dürfte der Digitalpakt 2.0 aus seiner Sicht nicht scheitern. „Grundsätzlich geht dem Bund überhaupt nicht das Geld aus“, sagt Jarzombek. „Das Verrückte ist ja: wir haben momentan die höchsten Steuereinnahmen, die es jemals gegeben hat. Der Bund hat genügend Möglichkeiten. Nichtsdestotrotz wird gerade im Haushalt für Bildung und Forschung massiv gespart. Mehr als eine Milliarde muss gespart werden, kein anderes Ressort wird so stark rangenommen wie Bildung und Forschung. Gleichzeitig steigt der Sozialetat um über 5 Mrd. Euro. Doch hat sich die Bundesbildungsministerin festgelegt, dass sie ein Startchancen-Programm im nächsten Jahr beginnen möchte. Allein dafür will sie die vom Bundesfinanzminister versprochene Bildungsmilliarde investieren.“

„Ich hatte in den letzten Wochen den Eindruck, dass der Bund sein Startchancen-Programm durchdrücken will und der Hebel dafür der Digitalpakt 2.0 ist“

Die Idee des Startchancen-Programms (News4teachers berichtete) gründe sich auf erfolgreich laufenden Länderprogrammen wie in Nordrhein-Westfalen zum Beispiel die Talentschulen oder in Schleswig-Holstein die Perspektivschulen. „Muss der Bund hier nochmal neue Ideen entwickeln – oder wäre es nicht besser, die Länder bei dem, was sie ohnehin schon machen, zu unterstützten?“, fragt Jarzombek und betont: „Zum Glück hat sich die Bundesbildungsministerin jetzt doch durchgerungen, diese Länderprogramme im Startchancen-Programm mit zu berücksichtigen. Auf erste grobe Eckpunkte haben sich Bund und Länder jetzt geeinigt. Aber das ist noch kein Durchbruch. Fraglich ist weiterhin, ob der Digitalpakt 2.0 zusätzlich wirklich kommt. Ich hatte in den letzten Wochen den Eindruck, dass der Bund sein Startchancen-Programm durchdrücken will und der Hebel dafür der Digitalpakt 2.0 ist – nach dem Motto: ‚Wenn ihr beim Startchancen-Programm nicht richtig mitmachen wollt, dann kriegt ihr auch kein Geld für den Digitalpakt.‘ Das ist eine milde Form der Erpressung und kommt bei den Ländern nicht besonders gut an.“

Was würde denn passieren, wenn der Digitalpakt 2.0 überhaupt nicht zustande käme? Jarzombek: „Am Ende muss ja irgendjemand die Kosten übernehmen, die heute der Bund trägt. Es ist ja kein Geheimnis, dass es unter den 16 Bundesländern arme und reiche gibt. Ein Land wie Bayern wird im Zweifelsfall alles auch aus der eigenen Tasche finanzieren können. Aber insbesondere in den neuen Bundesländern oder in einem Stadtstaat wie Bremen stellt sich dann halt immer die Frage: Geht das überhaupt noch? Und manche werden sagen müssen: Nein. Das wird dann zur Frage der Chancengerechtigkeit: Ob Kinder in der Schule lernen, mit digitalen Medien umzugehen, hängt dann vom Wohnort ab. Denn auf der kommunalen Ebene gibt es das gleiche Problem: In der vergleichsweise wohlhabenden Stadt Düsseldorf sind viel mehr Dinge möglich als zum Beispiel im benachbarten Duisburg oder in anderen Gemeinden des Ruhrgebiets, wo es traditionell finanziell ziemlich knapp ist. Insofern droht die Digitalisierung der Schulen in eine Zweiklassengesellschaft.“ News4teachers

Hier – auf einfach.digital.lernen – geht es zum vollständigen Interview mit Thomas Jarzombek.

Steigt der Bund aus dem Digitalpakt aus? Länder fürchten, dass die neu angeschaffte Schul-IT ab nächstem Jahr verrottet

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3 Kommentare
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Konfutse
6 Monate zuvor

Bei uns in der Schule habe ich nicht einmal die Basics; wir haben kein verlässliches WLAN….das macht so ziemlich viel hinfällig.

Carsten
6 Monate zuvor

Zum Glück kann unter „Digitalisierung“ jeder verstehen, was er will.

Dejott
6 Monate zuvor

Ich esel mich seit Jahren tatsächlich mit Schulplattformen und Zeugnisprogrammen herum. Beides nicht durchgestaltet und ohne fluffige Userkompatibilität. Habe bis heute nicht verstanden, warum das nicht professionell geht.
Dazu gibt’s Tablets ohne Software, die allein schon aufgrund der winzigen Größe (man will ja lieber doch kein Geld ausgeben) nahezu sinnlos sind. Diensthandy? Nicht existent, aber häufig notwendig.
Und natürlich haben wir keine Lehrerstunden, lassen aber die immer größer werdenden Systeme halbgar von Lehrkräften verwalten.
Ganz gruselig: Die Homepage von Schulen.
Professionelle externe IT-Verwaltung, brauchbare Hard und Software, userfreundliche Plattformen….Der Weg ist weit. Nach 20 Berufsjahren würde ich sagen: Klappt nicht. Ich kenne Schule mittlerweile zu gut.