Kindern, denen nicht vorgelesen wird, fällt das Lesenlernen schwerer (und trotzdem…)

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In bundesweit mehr als einem Drittel der Familien lesen die Eltern ihren ein- bis achtjährigen Kindern selten oder nie vor. Das treffe vor allem auf Mütter und Väter zu, die einen geringen Bildungsabschluss haben und denen selbst als Kind kaum vorgelesen wurde, berichtete Simone Ehmig, Leiterin des Instituts für Lese- und Medienforschung der Stiftung Lesen, anlässlich der Präsentation des Vorlesemonitors am Mittwoch in Berlin.

Kinder wollen, dass ihnen vorgelesen wird – nicht allen wird der Wunsch erfüllt. (Symbolfoto) Foto: Shutterstock

Wem als Kind selbst vorgelesen worden sei, lese seinen Kindern mit großer Wahrscheinlichkeit aber ebenfalls vor – unabhängig vom Bildungsgrad, so heißt es in der Untersuchung.

Für die repräsentative Studie waren 833 Eltern im Mai und Juni in persönlichen Gesprächen befragt worden. Dabei ging es nicht nur um das Vorlesen von Texten, sondern gerade bei den kleinen Kindern auch um das gemeinsame Betrachten von Bilderbüchern und das Erzählen zu den Bildern. Der Wert der Eltern, die selten oder nie vorlesen, habe sich zwar von rund 40 Prozent im Vorjahr auf über 36 Prozent verringert, sagte Ehmig von der Stiftung mit Sitz in Mainz. «Wir können aber keine Entwarnung geben.»

Die Studie, die die Stiftung Lesen zusammen mit der Deutschen Bahn Stiftung und der Wochenzeitung «Die Zeit» in Auftrag gegeben hatte, habe zwei zentrale Bewegungen hervorgebracht, die aber gegenläufig seien. Bei den Einjährigen gebe es im Vergleich zum Vorjahr wieder einen höheren Anteil von Eltern, die ihren kleinen Kindern nicht vorlesen. «Das ist sehr bedenklich, denn je früher ich beginne, desto eher ist das Lesen Teil meiner Lebenswelt.»

«Es gibt weiterhin einen viel zu hohen Anteil an Kindern, denen ihre Eltern noch nicht oder nicht mehr vorlesen»

Bei den Fünf- und Sechsjährigen seien dagegen wieder mehr Eltern als Vorlesende im Einsatz. «Es gibt weiterhin einen viel zu hohen Anteil an Kindern, denen ihre Eltern noch nicht oder nicht mehr vorlesen», mahnte die Expertin. Das sei gerade für die Mädchen und Jungen beim Übergang zur Schule problematisch. «Das Lesenlernen ist für die Kinder zu Beginn oft mühsam, sich das Lesen zu erschließen führt häufig zu Frustrationen der Kinder.» Umso wichtiger sei die gemeinsame Leseerfahrung von Eltern und Kindern.

Die Leiterin des Instituts für Lese- und Medienforschung der Stiftung Lesen wünscht sich deshalb, dass das Lesen und Vorlesen gesellschaftlich nicht zu stark idealisiert werde. Eltern, die selten vorlesen, begründeten das oft damit, dass sie keine guten Lesende seien und sich für die Kindergeschichten nicht verstellen können. «Damit setzen sie sich viel zu sehr unter Druck.»

Die Stiftung hat auch versucht, herauszufinden, wie man Eltern zum Vorlesen motivieren kann. Einige der Tipps: Nicht lesenden Eltern Bücher schenken, Ausleihmöglichkeiten in Schulen und Kitas verbessern, durch Aktionen wie den Vorlesetag das Interesse der Kinder an Büchern wecken. Denn sie sind der Schlüssel: «In Familien, in denen selten vorgelesen wird, geht die Initiative für das Vorlesen laut Studie in 50 Prozent der Fälle von den Kindern aus», so Ehmig. News4teachers / mit Material der dpa

Eltern-Umfrage: Zwei von fünf Kindern wird nur selten oder nie vorgelesen

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8 Kommentare
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ABC
6 Monate zuvor

Was nützen uns solche Berichte? Gar nichts, da LuL dies schon lange beobachten und wissen. Uns fragt nur niemand. Wann gibt es endlich ernsthafte Konsequenzen für solche Elternhäuser wie z.B. der verpflichtende Besuch einer Eltern- Abend- Schule? Ich kann`s nicht mehr ertragen.Täglich grüßt das Murmeltier…

Angelika Mauel
6 Monate zuvor
Antwortet  ABC

„Wann gibt es endlich ernsthafte Konsequenzen für solche Elternhäuser wie z.B. der verpflichtende Besuch einer Eltern- Abend- Schule?“ – Bitte nicht! Der Staat hat kein Erziehungsrecht gegenüber den Eltern. Kinder könnten sprachlich auch sehr gut gefördert werden, ohne dass ihnen im Krippenalter vorgelesen wird.

Wichtig ist allerdings, dass Jugendämter finanziell und personell so ausgestattet sind, dass sie Hausbesuche machen können, dass sie vorbeugend gegen Vernachlässigung und Gewalt gegenüber Kindern tätig werden können. Das ist leider nicht der Fall. Unglaublich viel Zeit müssen Erzieherinnen an sozialen Brennpunkten darauf verwenden, um Gespräche mit und Besuche durch Jugendamtsmitarbeiter zu vereinbaren. Die Misere, die Guddat und Tsokos in „Deutschland misshandelt seine Kinder“ geschildert haben, dürfte nicht einmal ansatzweise behoben, sondern schlimmer geworden sein. Mit der Entwicklung von Programmen zur Förderung der sozialen und emotionalen Kompetenzen wird zum Teil ein megapeinlicher Schmu gefördert. Das Geld sollte besser in der Familienhilfe landen. An ihr aber wird üblicherweise gekürzt, wenn Mitarbeiter des Jugendamtes Überlastungsanzeigen stellen.

polly
6 Monate zuvor
Antwortet  Angelika Mauel

Sie meinen also, der Staat habe kein Recht, direkte Ansprüche an die Eltern zu stellen. Aber er soll die Jugendämter besser ausstatten, damit die Jugendämter dann mit Hausbesuchen die Eltern „kontrollieren“ können. Die Jugendämter sollen also das korrigieren, was die Eltern verbockt haben.
Wie soll das alles zusammen passen?

Angelika Mauel
6 Monate zuvor
Antwortet  polly

Gewisse Ansprüche muss der Staat an die Eltern stellen, denn laut Art. 6 GG ist die Pflege und Erziehung der Kinder nicht nur das Recht der Eltern, sondern auch die ihnen „zuvörderst obliegende Pflicht“. Aber nicht alles, was nach der jeweils herrschenden aktuellen pädagogischen Marschrichtung angesagt ist, muss von Eltern geleistet werden. Ich habe erlebt, dass die Töchter von aus anderen Ländern stammenden Analphabetinnen hoch motiviert lesen und schreiben gelernt haben. Dem Staat steht es nicht zu, sich über eine Vielzahl privater Entscheidungen hinwegzusetzen. Nachdem wir eine Schulpflicht haben, wäre es vernmessen, wenn der Staat Eltern dazu verpflichten wolle, den Kindern vorzulesen… Sie können auch frei erzählen, mit ihren Kindern kuscheln oder ihre Kinder ohne Rituale einschlafen lassen.

Wie wäre es, wenn Mutti brav zur Schulung geht, und ihr Partner daheim misshandelt gaauf, der fnicht zwingend der Vater des Babys oder Kleinkindes sein muss, ihr Kind? Ist er nicht der leibliche Vater, müsste er nicht entsprechend gebildet werden, Je nachdem wie die Verhältnisse sind, riskieren die Verfeschter von verpflichtenden Prigrammen, dass ein Kind von einem genervten Aufpasser ruppig behandelt wird, bis hin zum Schütteltrauma.

Es mag ja alles gut gemeint sein, aber was Menschen in ihrer Kindheit nicht durch enge Bindungspersonen, die die Eltern idealerweise sind, gelernt haben, lässt sich nicht alles durch Schulungen nachholen. Nachbarschaftshilfe, Hilfe durch Verwandte – können hilfreich sein. Und das Jugendamt wäre immer noch die kompetente Adresse, wenn ein greavierender Förderbedarf besteht. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass man Eltern, die besser vorlesen wollen, sehr gut dazu bewegen kann, indem man ihnen Kinderbücher vorstellt, die sich vom Sprachduktus her leicht vorlesen oder fast auswendig dahersagen lassen, Einen „offenen Bücherschrank“ haben mittlerweile schon einige Kindergärten. Auf youTube gibt es so viele Videos, dass man Eltern Tipps geben kann. Langsam genug lesen, Pausen machen und das Kind immer wieder ansehen – das lernen Eltern eigentlich auch ohne Kurse – sofern sie es wollen.

polly
6 Monate zuvor
Antwortet  Angelika Mauel

Wenn man das alles so sieht wie Sie, dann darf man aber auch nicht jammern, wenn benachteiligte Kinder heranwachsen, bei denen die Benachteiligung eben auf das Verhalten der Eltern zurückgeht. Genau das aber scheint der Tenor des Artikels zu sein.

Finagle
6 Monate zuvor

Dass hier noch niemand als Lösung vorgeschlagen hat ein ChatGPT basiertes Sprachmodul vor die Kids zu setzen, ist schon nahezu erstaunlich…

R.Wadel
6 Monate zuvor

„Die Leiterin des Instituts für Lese- und Medienforschung der Stiftung Lesen wünscht sich deshalb, dass das Lesen und Vorlesen gesellschaftlich nicht zu stark idealisiert werde.“
Ich vermute, es müsste „dennoch“ heißen.

Riesenzwerg
6 Monate zuvor

Lesehund für nicht vorlesende Eltern,
Lesekatze für nicht vorlesende Eltern,
LESEUNTERRICHT oder einfach mal machen und ÜBEN!

Verdammt noch eins!