Überlastung, Zeitdruck, Burnout: Was hinter dem Mangel an Schulleitungen steckt

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WIESBADEN. Rektor oder Rektorin gesucht: Besonders an Grundschulen gibt es Vakanzen in den Führungsriegen. Warum klappt es häufig nicht mit einer nahtlosen Neubesetzung, wenn Amtsinhaber ausscheiden? Ein Blick nach Hessen: Dort wurden nun aktuelle Zahlen zum Schulleitungsmangel veröffentlicht. Eine Studie im Auftrag der GEW klärt über die Hintergründe auf.

Irgendwie zu viel… Illustration: Shutterstock

In Hessen sind zahlreiche Schulleitungen unbesetzt. Zum Stichtag 31. Oktober vergangenen Jahres waren rund 230 Stellen von Schulleiterinnen und Schulleitern sowie Stellvertreterinnen und Stellvertretern vakant. Wie aus der Antwort des Kultusministeriums auf eine parlamentarische Anfrage der Grünen-Landtagsfraktion hervorgeht, hatte es zum Beginn des aktuellen Schuljahres im Sommer 2024 noch 150 weitere unbesetzte Leitungsstellen gegeben.

Ziel der Landesregierung sei eine möglichst nahtlose Nachbesetzung frei werdender Stellen, erklärte Bildungsminister Armin Schwarz (CDU) in Wiesbaden. Allerdings seien etwa Ruhestandsversetzungen aus gesundheitlichen Gründen oft nicht rechtzeitig absehbar. Manche Anträge für eine Versetzung in den vorzeitigen Ruhestand würden kurzfristig gestellt. Vakanzen könnten auch entstehen, wenn Führungskräfte sich erfolgreich wegbewerben. In Hessen gibt es rund 1.800 öffentliche Schulen.

Von den vakanten Stellen von Schulleiterinnen und Schulleitern sowie deren Stellvertretung waren am Stichtag 31. Oktober vergangenen Jahres allein rund 124 Grundschulen betroffen. Zudem war an zwei Dutzend Förderschulen eine Führungsstelle nicht besetzt, wie aus der Antwort des Ministeriums hervorgeht.

Studie: 76 Prozent können selten oder nie Pausenzeiten einhalten

Unterdessen ergibt eine von der GEW in Auftrag gegebene Studie, dass die Arbeitsbelastung bei den hessischen Rektoren und Direktoren hoch ist. Nach Einschätzung von Studienleiter Matthias Nübling, Geschäftsführer der Freiburger Forschungsstelle für Arbeitswissenschaften (FFAW), die die Erhebung im Herbst 2024 durchführte, belegen die erhobenen Daten, dass Leitungskräfte an Schulen hochgradig belastet sind.

Nübling: «Schulleitungen in Hessen sehen sich im Vergleich zu anderen Berufsgruppen in unserer Datenbank vor deutlich erhöhte Anforderungen durch ihre Arbeit gestellt. So gaben 84 Prozent der Schulleitungen an, dass sie oft oder immer den ganzen Tag in hohem Tempo arbeiten. 76 Prozent können selten oder nie ihre Pausenzeiten einhalten. Ihren allgemeinen Gesundheitszustand bewerten Schulleitungen schlechter als der Durchschnitt der anderen Berufsgruppen oder als die Beschäftigten der Öffentlichen Verwaltung.»

An der Studie nahmen 981 Beschäftigte aus Schulleitungen freiwillig teil. Ihren allgemeinen Gesundheitszustand bewerten die Schulleitungen schlechter als der Durchschnitt der anderen Berufsgruppen oder als die Beschäftigten der öffentlichen Verwaltung. Zudem gingen Schulleitungen vergleichsweise oft krank zur Arbeit. «Symptome für Burnout sind bei Ihnen häufiger auszumachen», sagte Nübling. 19 Prozent der Befragten gaben an, dass sie mindestens einige Male im Monat darüber nachdenken würden, ihren Beruf aufzugeben – das entspreche aber etwa dem Anteil in anderen Berufsgruppen, so der Experte.

GEW: Schlechte Ausstattung ein Grund für hohe Arbeitsbelastung

Der Vorsitzende der GEW Hessen, Thilo Hartmann, forderte die Landesregierung auf, endlich durchschlagende Maßnahmen gegen den Lehrkräftemangel zu ergreifen. Den Schulleitungen müssten regelmäßig Belastungsstudien und gezielte Präventionsmaßnahmen angeboten werden. Und: «Die schlechte Ausstattung der Schulen ist wesentlich für die hohe Arbeitsbelastung der Schulleitungen verantwortlich», sagte Hartmann.

Und weiter: «Das Land Hessen sollte sich als Arbeitgeber dazu verpflichten, den Schulleitungskräften regelmäßig Belastungsstudien und gezielte Präventionsmaßnahmen anzubieten. Ganz generell müssen die Ressourcen für Bildung gestärkt werden. Ganz konkret sind Entlastungsstunden für Leitungskräfte und zusätzliche Funktionsstellen erforderlich. Zudem sollte zusätzliches Personal – zum Beispiel IT-Administratoren und Verwaltungsfachkräfte – für Entlastung sorgen. Erforderlich ist auch eine bessere Bezahlung, insbesondere im Bereich der Grundschulen. Außerdem ist die Landesregierung aufgefordert, endlich durchschlagende Maßnahmen gegen den Lehrkräftemangel zu ergreifen.» Nicht zuletzt sollte die Landesregierung ein angemessen großes Investitionsprogramm auflegen, um die Kommunen beim Schulbau zu unterstützen. News4teachers / mit Material der dpa

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Omg
19 Tage zuvor

Zunächst hat die Hessenschau die zugrundeliegende Anfrage der Fraktion der Grünen nebst Antwort verlinkt. Mich wundert, dass bis auf eine Ausnahme alle anderen Pensionierungen in unserem Schulamtsbezirk regulaer sind. Also wie gehabt, die Ignoranz der Hausspitze, das Zuweisen der Schuld fuer die offenen Stellen den bisherigen Stlleninhabern gegenüber ist schlicht schäbig, unprofessionell und zeigt auf, auf was sich die Lehrkräfte in Hessen freuen duerfen – neben einem Tinitus wegen dem ständigen Blockflötengedudel. Der Artikel machte deutlich: Arbeitszeit und Belastung weit über das moralisch und sittlich ertragbare Maß hinaus, eine Hausspitze, die gerade zeigt, wo sie moralisch steht, keine Anerkennung, unlösbare Probleme, Schultraeger ohne Geld und Lust und und und

Ulla
18 Tage zuvor

Ein Schulleiter muss eine eierlegende Wollmilchsau sein: Verwaltung, Elternarbeit, Kommunikation mit Schulträgern etc, natürlich auch Unterrichtsverpflichtung. Egal was in der Schule schief läuft, es landet auf seinem Schreibtisch, auch abends und am Wochenende. Ich bin zwar seit 25 Jahren begeisterte Lehrerin, aber in die Schulleitung würde ich niemals wechseln wollen.

Fräulein Rottenmeier
18 Tage zuvor
Antwortet  Ulla

Mal schauen, was habe ich heute schon gemacht?
6.30 Uhr Ankunft in der Schule dann Kaffeekochen, Geschirrspüler ausräumen, Kopiergerät anschalten, Rechner hochfahren….
Dann Vertretungsplan checken und aktualisieren, Emails lesen und erste Anfragen beantworten, selber erste Emails schreiben….
Eintrudelnde Kolleginnen begrüßen, erste Absprachen treffen, Fragen beantworten, erste kleine Probleme anhören und versuchen zu lösen.
Dann zwei Stunden Unterricht (Mathearbeit schreiben und nochmal Mathe in einer anderen Klasse geben)
Dann Post bearbeiten, weitere Emails lesen, löschen, schreiben….
Dann mit Handwerkern sprechen, auf Absprachen hinweisen…
Dann mit der Sekretärin weitere Arbeiten besprechen, Rückfragen beantworten,
Dann LK vorbereiten….
Dann Zuschussantrag für OGS für nächstes Schuljahr bearbeiten….
Dann Gespräch mit Hausmeister über miserable Planung einer geplanten Maureraktion sprechen, das Vorgehen besprechen, weitere Absprachen dazu mit OGS treffen…
Dann einige Mathearbeiten korrigieren (Rest morgen oder so)
Zwischendurch weitere Emails lesen, löschen, beantworten.
Mit Schulträger telefonieren und herausfinden, wer zuständig für Lärmschutzmaßnahmen ist (leider erfolglos)
Dann im Schulamt anrufen um eine nötige Vertretungsstelle zu erbetteln….
Dann Email vom Schulrat lesen, grummeln und beantworten…
Dann zusammen mit einer Kollegin die Küche sichten und überlegen, wie man sie sinnvoll umräumen kann….
Zwischendurch immer mal wieder vom Brot abbeißen….aufs Klo gehen….nochmal Kaffeekochen, weil der letzte es natürlich nicht gemacht hat….
Irgendwann dann Sachen packen….morgen ist auch noch ein Tag….
Nachher noch Unterrichtsvorbereitung für Morgen….

So oder ähnlich läuft jeder Tag….und heute war es noch nicht mal besonders stressig….

Se Länd
18 Tage zuvor

genau mein Humor

Mara
18 Tage zuvor

In Hamburg unterrichten Schulleitungen nicht in den Grundschulen. Nur freiwillig. Was auch zu hinterfragen ist.

Fräulein Rottenmeier
18 Tage zuvor
Antwortet  Mara

Ich empfinde Unterrichten als Erholung….ich würde mir das niemals nehmen lassen….

Sandrina
17 Tage zuvor

Das ist schön zu lesen! Ich mag Ihre Beiträge sehr!

Ein bisschen komme ich dann aber doch ins Grübeln. Das Forum ist voll von Lehrern, die sich darüber auslassen, welche Zumutung Unterricht ist. Ich frage mich: welche Arbeitsbedingunge brauchen diese Menschen.
Auch ein akademischer Bürojob ist geprägt von Überraschungen, Störungen, Beschwerden, Problemen und Herausforderungen außer der Reihe.

Mika
17 Tage zuvor
Antwortet  Sandrina

„Das Forum ist voll von Lehrern, die sich darüber auslassen, welche Zumutung Unterricht ist.“

Hätten Sie dafür vielleicht Belege? In meiner Wahrnehmung kritisieren Kollegen hier die Besingungen, unter welchen sie unterrichten müssen. Eine solche Kritik ist absolut sinnvoll, da schlechte Unterrichtsbedingungen zuallererst auch schlechte Lernbedingungen darstellen.

Fräulein Rottenmeier
17 Tage zuvor
Antwortet  Sandrina

Dankeschön 🙂

Aber ja, ich denke auch wie Mika, dass sich die meisten hier aufgrund der Arbeitsbedingungen aufregen und nicht über ihren Job ansich.
Es ist halt auch frustrierend, wenn man macht und tut und merkt, dass man die Ziele, die man sich gesteckt hat, eben nicht erreicht und das aufgrund dieser miserablen Arbeitsbedingungen. Wenn man merkt, dass die Kinder Bedürfnisse haben, die man nicht erfüllen kann wegen zu großer Klassen, wegen zu wenig Personal, wegen katastrophaler Umsetzung von Inklusion, wegen katastrophaler Umsetzung der Integration von neu zugewanderten Kindern….da kann man schon mal störrisch und agro werden….
Und dennoch, wenn ich unterrichte bin ich ganz bei mir, kann mich vollkommen auf den Moment fokussieren, da bin ich in meinem Element, das macht mir Freude…..ich habe für mich auch akzeptiert, dass ich meine Stundenziele oft nicht erreiche, dass es Kinder gibt, denen ich nicht gewachsen bin (also in ihren Bedürfnissen) und wo ich auch versage.
Ich kann an den Arbeitsbedingungen nichts ändern (zumindest nicht im Großen und Ganzen) also versuche ich aus dem, was ich vorfinde, das Beste zu machen….das gelingt mal besser und auch auch mal schlechter. Aber das zieht mich nicht runter, sondern ich schüttel es ab und morgen ist ein neuer Tag….
Ich nehme schlechte Erlebnisse aus dem Unterricht nicht mit nach Hause, eher Überlegungen, wie man es anders versuchen kann, um doch noch zum Ziel zu kommen….

Was ich mit nach Hause nehme, sind aber zahlreiche Vorkommnisse aus meinem SL-Dasein, denn da habe ich sehr oft das Gefühl, niemals das Ziel zu erreichen (und wenn eine Aufgabe von der endlosen Todo-Liste abhakt ist, sind da schon drei neue Aufgaben…), niemals fertig zu werden, immer mehr und immer schneller arbeiten zu müssen…..da komme ich oft an Grenzen. Hier sollte sich ganz entschieden etwas ändern, das ganze System muss entschieden verschlankt werden, sonst ertrinkt man irgendwann in diesen ganzen Verwaltungskram und für die wirklich wichtigen Dinge – Schul- und Unterrichtsentwicklung bleibt überhaupt keine Zeit mehr.

Fräulein Rottenmeier
18 Tage zuvor

Auffällig ist, dass keine Elterngespräche , Fallbesprechungen und sonstige Besprechungen stattgefunden haben….(obwohl ….einen irrlaufender Dolmetscher konnte ich zufällig – weil im Gespräch mitbekommen – kompetent Auskunft geben)….aber morgen Treffen mit dem LR, Freitag Treffen mit der OGS-Leitung….

Und nächste Woche ist jeder Tag verplant für Treffen und Besprechungen und LK …..

Fräulein Rottenmeier
18 Tage zuvor

Zucker finde ich immer wieder Emails, die mit den Worten beginnen: „Leider konnte ich Sie telefonisch nicht erreichen…..“ Echt, mein Job ist kein ImmerdaimBüroundsitzemirdenArschplatt! Hat weder der Schulträger noch das Schulamt kapiert….

447
18 Tage zuvor
Antwortet  Ulla

Fühle ich total.

Würde den Posten nicht geschenkt nehmen.
Alleine, was man dann alles den LuL (normalerweise) oder den SuS gegenüber (selten) durchdrücken muss…

Fräulein Rottenmeier
18 Tage zuvor
Antwortet  447

Aber er hat auch viele schöne Momente….wirklich….insgesamt (oben kommen nur negative Sachen) liebe ich, dass was ich tue und bekomme auch von meinen Kolleginnen entsprechendes Feedback….
Viel Stress, viel Hallas, aber auch viele Dinge, auf die man stolz sein kann….
Durchdrücken war bisher übrigens nie so mein Ding….Konsens trifft es eher….

447
13 Tage zuvor

Wie schon öfters gesagt:
Wir LuL sind froh um jede geistig normale Schulleitung.

Ihre oft detailreichen Beschreibungen zeigen ja, das gute SL möglich ist.

Auch ich freue mich seit kurzem über gute SLs.

Aber…vielen ergeht es eben ganz anders.