Initiative für einen schlankeren Staat: “Schulen erhalten mehr Selbstbestimmung!”

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BERLIN. Mit viel Papierkram und langsamen Entscheidungen gilt der deutsche Staat als träge. Eine Gruppe um die ehemaligen Bundesminister Steinbrück und de Maizière hat Ideen, wie es künftig besser laufen soll – auch in Schulen.

Abgenommen. (Symbolfoto) Foto: Shutterstock

Bundesweit einheitlich im Internet das Auto zulassen oder Kindergeld beantragen, weniger Papierkram für Handwerker, einheitlichere Standards in Schulen: Nach ihrem Appell für einen «handlungsfähigen Staat» hat eine Initiative um die früheren Bundesminister Thomas de Maizière (CDU) und Peer Steinbrück (SPD) in Berlin 30 konkrete Vorschläge vorgelegt. Sie laufen auf eine umfassende Neuordnung der Verwaltung in Bund, Ländern und Kommunen hinaus – auf «grundlegende Umbauten im Maschinenraum des Staates», wie die Initiative mitteilte.

Hinter der im November gegründeten «Initiative für einen handlungsfähigen Staat» stehen neben den beiden ehemaligen Ministern die Medienmanagerin Julia Jäkel und der frühere Verfassungsrichter Andreas Voßkuhle. In der vergangenen Woche hatten sie gemeinsam mit Kommunalpolitikern und Wirtschaftsvertretern einen Aufruf für eine Staats- und Verwaltungsreform gestartet.

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, der als Schirmherr der Initiative agiert, legten die Initiatoren nach eigenen Angaben einen mehr als 80-seitigen Bericht mit Empfehlungen vor. Ob diese umgesetzt werden, obliegt der künftigen Bundesregierung und den übrigen Parteien. In einigen Fällen wären wohl Verfassungsänderungen nötig.

Initiatoren fordern Digitalministerium im Bund

Zentrale Forderung ist ein eigenes Ministerium für Digitales und Verwaltung, denn der digitale Staat sei «die Voraussetzung von allem», heißt es in einer Mitteilung. So soll eine Neuordnung der mehr als 10.000 unterschiedlichen Software-Lösungen in Bund, Ländern und Kommunen gelingen – als Grundlage zur Vereinheitlichung von Dienstleistungen wie etwa der Kfz-Zulassung oder der Anmeldung eines neuen Wohnsitzes.

Doch die Initiatoren wollen an noch mehr großen Stellschrauben drehen. Sie fordern unter anderem ein Gesamtkonzept von Bund und Ländern für militärische und zivile Sicherheit; eine Bündelung der 170 unterschiedlichen Sozialleistungen, die derzeit von fast 30 Behörden verwaltet würden; und eine Neuordnung der Aufgaben zwischen Bund, Ländern und Kommunen. Gemeinsame Standards beim Abitur sollten zum Beispiel nicht mehr durch Absprachen der Kultusministerkonferenz, sondern durch verbindliche Beschlüsse des Bundesrats geregelt werden, schlägt die Initiative vor.

Und, grundsätzlicher: «Schulen erhalten mehr Selbstbestimmung.» Im Wortlaut des Papiers heißt es: «Schulen und ihre Leitungen wissen in der Regel selbst am besten, wie sie zum verabredeten Ergebnis kommen. Sie benötigen keine Mikrosteuerung, sondern vielmehr Freiräume und damit mehr Verantwortung. Das gilt etwa bei der Entwicklung von Lerninhalten oder bei der Umsetzung von Bildungsstandards. Über diesen Schritt könnte zudem die Attraktivität des Lehrerberufes gehoben und ein produktiver Wettbewerb zwischen den Schulen gefördert werden.»

Konkret schlagen die Initiatorinnen und Initiatoren vor:

  • «Schulleitungen und Lehrkräfte werden von administrativen, technischen und sozialpsychologischen Aufgaben und von Berichtspflichten befreit. Für diese Tätigkeiten wird Fachpersonal eingestellt.»
  • «Es wird Schulen möglich gemacht, gemeinsame Trägerschaften für Personal sowie für die Vergabe von Investitions- und Sachmitteln zu bilden, um eine flexible und bedarfsgerechte Schulentwicklung zu fördern.»
  • «Eltern und Schülerinnen und Schüler sind Mitwirkende am Schulgeschehen, treten aber nicht selten auf, als wären sie die Kunden. Die pädagogischen Befugnisse der Lehrkräfte werden gestärkt gegenüber überzogenen Ansprüchen durch Eltern oder Schülerinnen und Schüler. Dazu zählt sowohl der Abbau von Dokumentationspflichten, Protokollen und ausufernden Benotungsrechtfertigungen als auch die politische Rückendeckung und der juristische Beistand im Fall gerichtlicher Verfahren.»

Grundsätzlich plädieren die Initiatoren für eine «Vertrauens- statt Misstrauenskultur» im Verhältnis zwischen Staat und Bürgern. Damit ist gemeint, dass weniger Nachweise verlangt werden sollen, von der Dokumentation von Hygienevorschriften für Metzger bis zur Arbeitszeitdokumentation bei Aushilfen. Stattdessen solle der Staat in Stichproben schärfer kontrollieren und bei Verstößen härtere Strafen verhängen als heute.

So schreiben die Initiatoren: «Wer bei sich alles in Ordnung hält, wird entlastet. Wer dieses Vertrauen missbraucht, wird härter als heute sanktioniert. Das ist fair und gerecht.»

Hier geht es zum vollständigen Papier.

“Der Lehrplan sollte ein Instrument sein, kein Ziel“: PISA-Chef Schleicher über mehr Freiheit für die Schulen

 

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9 Kommentare
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Schlaubi
6 Monate zuvor

Mehr Freiheit ist ja gut. Die Schulen sollten aber erstmal ein Konzeot dazu ausarbeiten (parallel zu allen anderen noch zu erstellenden Konzepten).

Teacher Andi
6 Monate zuvor
Antwortet  Schlaubi

Das hört sich ja so an, als ob die Schulen alle konzeptlos arbeiten würden und nur nach Vorgaben der Regierung handelten. Ich kann Sie beruhigen, das ist bei weitem nicht so.

Realist
6 Monate zuvor

Ich ünbersetze mal:

“Wir haben hier mindestens 20 Jahre Investionsstau, Personalmangel, Attraktivitätismangel, Digitalisierungslücke, Finanzierungsprobleme und Bürokratiewahnsinn.

Wir haben den Karren so tief in den Dreck gefahren, dass keiner mehr bei uns im den Ministerien Lust hat, sich damit zu befassen. Das versazt einem nur die Stimmung und die Karriere.

Also macht euren Mist zukünfitg alleine!

Damit unser Versagen nicht so auffällt, nennen wir das ganze ab sofort ‘Eigenverantwortung’.

Wir sind dann mal draußen. Viel Spaß!”

Hans Malz
6 Monate zuvor
Antwortet  Realist

Ergänzung: Wenn etwas schief läuft, dann sind wir nicht Schuld.

Rainer Zufall
6 Monate zuvor

“Wer bei sich alles in Ordnung hält, wird entlastet.”
Also interne Kritik unterdrücken und nichts ans Schulamt weiterleiten – alles wie immer. 😉

Die Emofehlung hat ein paar sehr erfrischende Vorschläge, diese werden dementsprechend von Regierung und Ländern verhindert, nehme ich an…

Mannkannesnichtfassen
6 Monate zuvor

Bisher kenne ich “mehr Freiheit und Selbstbestimmung für Schulen” als Euphemismus für ” Wir lassen euch allein und ihr seid für alles verantwortlich. Wenn ihr dann etwas sinnvoll ändern wollt, erklären wir euch, warum es nicht geht.”

Canishine
6 Monate zuvor

Auch wenn ich bei „Schulen erhalten mehr Selbstbestimmung“ nie so genau weiß, was damit gemeint sein soll (siehe andere Kommentare), werden in den drei Spiegelpunkten Perspektiven- und Richtungswechsel formuliert, die wesentlich für grundsätzliche Änderungen/Verbesserungen sind.

Karl Heinz
6 Monate zuvor

“vielmehr Freiräume und damit mehr Verantwortung”

Das schöne (neo)liberale Mantra.
In der Praxis bedeutet dies:
Mehr Arbeit, mehr Aufwand, mehr Schreibkram, mehr Anträge etc für die untere Ebene
Bei gleichen Ressourcen…
Während sich die bisherige Verwaltung aus eben genau der Verantwortung stiehlt

Besseranonym
6 Monate zuvor

” So schreiben die Initiatoren: «Wer bei sich alles in Ordnung hält, wird entlastet. Wer dieses Vertrauen missbraucht, wird härter als heute sanktioniert. Das ist fair und gerecht.»

Ehrlich gesagt, ja bitte, hätte ich gerne. Unser Stall ist sauber.
Unser Pflichtenheft für die Zukunftswerkstatt Schule ist längst fertig.

Wann kommt die versprochene Entlastung ?
dafür:
«[Es wird Schulen möglich gemacht, gemeinsame Trägerschaften]
für Personal
sowie für die Vergabe von Investitions- und Sachmitteln zu bilden,
um eine flexible und bedarfsgerechte Schulentwicklung zu fördern.»

Dazu brauchts sofort mehr! LuL- und sogleich ganz viel mehr! IT-menpower. Steht der Finanzplan bereits oder haben wir uns mit dem bereits erstellten Pflichtenheft wieder mal ochsen lassen…..
Macht endlich zu und scheucht die Glorreichen aus dem Pool ( bzw. streicht die KMen zu Gusten des angedachten ‘Superministeriums’ )
Gibt auch Oasen mit Pools in der Wüste.