“Milliarden an zusätzlichem Wohlstand – wenn mehr junge Menschen besser lesen, schreiben und rechnen könnten“

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MÜNCHEN. Bessere Bildung wäre für Deutschland eine der renditestärksten Investitionen überhaupt. Zu diesem Ergebnis kommt eine neue Modellrechnung des ifo Instituts für Wirtschaftsforschung im Auftrag der Bertelsmann Stiftung. Demnach könnte das Erreichen klar definierter Bildungsziele Deutschland langfristig eine zusätzliche Wirtschaftsleistung von knapp 21 Billionen Euro bringen. „In wenigen Jahrzehnten generiert bessere Bildung messbare ökonomische Erträge, die Staat und Gesellschaft spürbar stärken“, sagt Prof. Ludger Wößmann, Leiter des ifo Zentrums für Bildungsökonomik und Mitautor der Studie.

Investment. (Symbolbild.) Illustration: Shutterstock

Die Rechnung der Bildungsökonomen ist langfristig angelegt. Denn die Wirkung besserer Bildung entfaltet sich nicht sofort, sondern über Jahrzehnte hinweg. „Allerdings ist die Wirkung nicht linear“, betont Wößmann. Zunächst müsse investiert werden, erst später stelle sich der Ertrag ein. Nach rund 50 Jahren liege der kumulierte Wert der Verbesserungen bei etwa 6,7 Billionen Euro, nach 80 Jahren sogar bei 20,9 Billionen Euro. Das entspreche „etwa dem Fünffachen des heutigen Bruttoinlandsprodukts“.

Ausgangspunkt der Modellrechnung sind drei messbare Bildungsziele, die Anfang 2025 parteiübergreifend von drei damaligen Bildungsministerinnen vorgeschlagen wurden: Karin Prien (CDU), Theresa Schopper (Grüne) und Stefanie Hubig (SPD) hatten in einem von der Wübben Stiftung Bildung herausgegebenen Band ein gemeinsames Statement veröffentlicht (News4teachers berichtete). Ziel des Vorstoßes sei es, „über Partei- und Landesgrenzen sowie Legislaturperioden hinweg dazu beizutragen, dass Bildung in Deutschland besser wird“, heißt es in dem Papier der drei Ministerinnen. Konkret geht es darum, die Zahl der Schülerinnen und Schüler zu halbieren, die die Mindeststandards in Deutsch und Mathematik nicht erreichen, zugleich aber auch das mittlere Leistungsniveau anzuheben und die Leistungsspitze gezielt zu stärken.

„Gerade die Basiskompetenzen haben einen wesentlichen Einfluss darauf, wie erfolgreich die Einzelnen am Arbeitsmarkt sind und wie sich der gesamtwirtschaftliche Wohlstand entwickelt“

Die ökonomische Bedeutung dieser Ziele ist enorm. Die empirische Wirtschaftsforschung zeige seit Langem einen engen Zusammenhang zwischen Bildungsleistungen und wirtschaftlichem Wachstum. „Bessere Bildung kann Menschen dazu befähigen, sich als selbständige Bürger*innen an der Gesellschaft zu beteiligen“, schreiben die Autorinnen und Autoren. Darüber hinaus stärke sie den sozialen Zusammenhalt und habe einen Eigenwert. Zugleich aber gelte: „Gerade die Basiskompetenzen haben einen wesentlichen Einfluss darauf, wie erfolgreich die Einzelnen am Arbeitsmarkt sind und wie sich der gesamtwirtschaftliche Wohlstand entwickelt.“

Um diese Zusammenhänge greifbar zu machen, haben die Forschenden die Bildungsziele in ein Projektionsmodell überführt. Es simuliert, wie sich verbesserte Leistungen von Schülerinnen und Schülern schrittweise im Arbeitsmarkt niederschlagen, wenn ältere Jahrgänge ausscheiden und besser qualifizierte nachrücken. Grundlage ist ein Zeitraum von 80 Jahren – „in etwa der Lebenserwartung eines heute geborenen Kindes“ – sowie eine angenommene Reformphase von zehn Jahren bis 2035.

Das Ergebnis ist eindeutig: Für Deutschland insgesamt ergibt sich ein zusätzlicher volkswirtschaftlicher Wert von 20,9 Billionen Euro. Am Ende des Projektionszeitraums, im Jahr 2105, läge das Bruttoinlandsprodukt „aufgrund der besseren Bildungsleistungen um 41 Prozent höher“ als ohne Reform.

Alle Bundesländer würden profitieren – allerdings in unterschiedlichem Ausmaß. Besonders hoch fällt der absolute Zugewinn in bevölkerungsreichen Bundesländern aus. Nordrhein-Westfalen könnte demnach rund 4,9 Billionen Euro zusätzliches Bruttoinlandsprodukt erzielen, Baden-Württemberg etwa 3,0 Billionen und Bayern rund 2,8 Billionen Euro. Relativ gesehen profitieren vor allem jene Länder, „in denen aktuell die Bildungsleistungen am geringsten sind“, darunter Bremen und Berlin. In Bremen entspräche der Zugewinn sogar dem 7,6-Fachen des heutigen Bruttoinlandsprodukts.

„Die Zahlen sollten als Motivation dienen, die Verbesserung der Bildungsleistungen beherzt und prioritär anzugehen“

Für Dirk Zorn, Director Bildung bei der Bertelsmann Stiftung, unterstreichen diese Zahlen die politische Tragweite von Bildungspolitik. „Unser Land würde jedes Jahr Milliarden an potenziellem, zusätzlichem Wohlstand generieren, wenn mehr junge Menschen besser lesen, schreiben und rechnen könnten“, sagt Zorn. Die Studie zeige, „wie sehr es sich lohnt, wenn politische Entscheidungsträger*innen eine Verbesserung der Bildungsergebnisse priorisieren“.

Dabei machen die Autoren ausdrücklich deutlich, dass die zugrunde gelegten Ziele keineswegs utopisch sind. Im deutschen Durchschnitt entspreche der Leistungszuwachs von rund 31,7 PISA-Punkten „ganz grob dem, was Schüler*innen durchschnittlich in etwas mehr als einem Schuljahr lernen“. Gleichzeitig liege das angestrebte Leistungsniveau lediglich wieder auf dem Ausgangsniveau früherer Jahre. Die modellierte Verbesserung entspreche letztlich „nur dem Wettmachen der seither zu beobachtenden Verluste“.

Vor diesem Hintergrund wirkt die Studie weniger wie ein optimistisches Zukunftsszenario als vielmehr wie eine nüchterne Warnung: Wer Bildung vernachlässigt, verzichtet nicht nur auf individuelle Chancen, sondern auf messbaren gesellschaftlichen Wohlstand. Oder, wie es die Autoren am Ende ihres Beitrags formulieren: „Die Zahlen sollten als Motivation dienen, die Verbesserung der Bildungsleistungen beherzt und prioritär anzugehen.“ News4teachers

Hier geht es zur vollständigen Studie. 

IW-Studie: Deutschland gibt immer mehr für Alterssicherung aus – und spart dafür bei der Bildung

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28 Kommentare
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Grillsportler
9 Stunden zuvor

Wer Bildung vernachlässigt, verzichtet nicht nur auf individuelle Chancen, sondern auf messbaren gesellschaftlichen Wohlstand. Oder, wie es die Autoren am Ende ihres Beitrags formulieren: „Die Zahlen sollten als Motivation dienen, die Verbesserung der Bildungsleistungen beherzt und prioritär anzugehen.“

Das kann ich genau so unterschreiben, dennoch fängt Bildung zuallererst in der Familie an. Individuelles (Bildungs-)Glück und wirtschaftlichen Aufstieg kann man nicht gegen den Widerstand eines Menschen oder sein soziales Umfeld erzwingen. Ich sehe jedenfalls an unserer Schule, wie Fördermaßnahmen, Schulsozialarbeit, etc. teilweise völlig ihren Zweck verfehlen, da manche SuS und ihre Familien einfach nicht bereit sind, an sich zu arbeiten. Man kann leider nicht jeden retten!

Mr X
6 Stunden zuvor
Antwortet  Grillsportler

Und jetzt? Lassen wir den Pöbel in seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit?

Dann muss man eben Maßnahmen finden, die diese Gruppe dazu bringt ihren Hintern hochzubekommen bzw. die Kinder so zu fördern, dass sie auch gute Chancen haben sozial aufzusteigen.

Diese Maßnahmen festzulegen ist Aufgabe der Politik.

Ich habe aber immer mehr das Gefühl, dass man sich solcher Dinge nicht mehr annimmt und Themen wie Disziplin und Konsequenzen immer mehr schleift.

Petra OWL
8 Stunden zuvor

Wir sparen also an Kind und Lehrkraft :-/
Für alle Beteiligten unschön.
Das Kollegium tanzt auf der Rasierklinge momentan und wir wollen endlich Arbeitsbedingungen, die fair sind.
Es kann nicht sein, dass Hasi doppelt verdient, 3 Tage Homeoffice hat und mit 60 in Ruhestand geht. Mein Schnucki hat das gleiche studiert und merkt, woanders gibts von allem mehr 🙂
Diese Homeofficegeschichte haut so richtig rein. Viele Lehrer müssen dagegen 30 min fahren. Und dann wieder zurück.
Eure Peti aus Ostwestf Lippe

Wolfgang
8 Stunden zuvor
Antwortet  Petra OWL

Liebe Petra,
ja das stimmt. So sehen wir das (leider) auch.
Du bist die Beste!
Liebe Grüße und eine schöne Adventszeit wünschen wir Dir und deinem Ehemann

Thomas
8 Stunden zuvor
Antwortet  Petra OWL

GENAU
oder erstmal schnell das Deputat runterfahren, um die 35h Woche zu erreichen.
Ab Klasse 9 kannst du auch mal online Homeofficeunterricht machen.

Marion
8 Stunden zuvor
Antwortet  Petra OWL

Hasi arbeitet grundsätzlich nur von März bis April. Davon färbt er drei Tage im Home-Office die Ostereier und danach trägt er sie aus.
Dann hat er Urlaub. Von Ende April bis Anfang März.
Aber wieso muß er dafür studieren?
Fair sind seine Arbeitsbedingungen insofern, dass er ziemlich viel Urlaub hat.
Manchmal muss er im Dezember einspringen. Dann versteckt er seine langen Ohren unter einer roten Mütze, klebt sich einen Bart an und nennt sich Weihnachtsmann. Aber nur manchmal, falls der echte mit Geschenke austragen nicht mehr hinterherkommt. Home-Office gibt es da aber nicht.
Dafür hat er ein echt schniekes “Dienstfahrzeug” mit Kufen und Glöckchen und Rentier-Antrieb. Allerdings unbeheizt. Fies. Gerade in der kalten Jahreszeit.
Eins hat Hasi aber mit den Lehrern gemeinsam: Sein Lohn sind leuchtende Kinderaugen.

RSDWeng
7 Stunden zuvor
Antwortet  Petra OWL

Ich kenne so um die 10 Lehrkräfte, die über eine Stunde fahren, aber vom Homeoffice nichts wissen wollen.
Liebe Peti, eine Lehrerin bzw. ein Lehrer gehört ins Klassenzimmer, an den eigenen Schreibtisch nur zu Korrekturen oder Unterrichtsvorbereitungen!!!

Schotti
7 Stunden zuvor
Antwortet  Petra OWL

Zu den Fahrtzeiten kommen außerdem die für alle Beteiligten viel zu frühen Anfangszeiten. Schule braucht eigentlich nicht vor 9 Uhr zu beginnen, statt dessen stehen viele Kollegen jeden Tag zwischen fünf und sechs Uhr auf. Im Sommer wie im Winter. Und da es keinen Schichtdienst gibt, hat man auch keine Entlastung zwischendurch. Daran gehen viele Kollegen zu Grunde.

Mr X
5 Stunden zuvor
Antwortet  Schotti

Naja wenn die Schule erst um 9 beginnt, gehen die lagen Tage dann bis in den frühen Abend.

Ich bin für den frühen Start.

Sepp
4 Stunden zuvor
Antwortet  Schotti

Bei uns beginnt der Unterricht um 07:40 Uhr und geht i.d.R. bis 15:30 Uhr.
Klar, lasst uns doch um 9 Uhr beginnen und bis 17 Uhr in der Schule bleiben.

Danach fahren Ihre Kollegen dann noch eine Stunde nach Hause, kochen und essen etwas und setzen sich ab 19 Uhr an den Schreibtisch?

dickebank
7 Stunden zuvor
Antwortet  Petra OWL

Gäb’s das Lehrerinnen Zölibat noch, du könntest Hasi auf der Terrasse gar nicht beneiden.
Früher war eben doch nicht alles schlecht

DerechteNorden
7 Stunden zuvor
Antwortet  Petra OWL

Home Office ist Kontext Schule KEINE Lösung, sondern würde die Probleme verschlimmern.

Realist
7 Stunden zuvor
Antwortet  Petra OWL

1 Jahr länger arbeiten spart dem Staat drei Jahre Rente/Pension:

  • 1 Jahr, weil man länger “einzahlt”
  • 1 Jahr, weil man kürzer Rente/Pension bezieht
  • 1 Jahr, weil man kürzer lebt
unfassbar
4 Stunden zuvor
Antwortet  Realist

Winwinwin-Situation (für den Staat)

laromir
7 Stunden zuvor
Antwortet  Petra OWL

Blablabla. Wenn man nix mit Menschen machen will, dann sollte man kein Lehrer werden. Ach ja, Verkauf ist auch doof, Servicekraft ebenso, Bestatter klappt auch nicht usw. An jedem administrativen Mist kann man von mir aus reichlich sparen, Deputat runter war fantastisch. Aber wer den Kontakt mit den Kindern vermeiden will, der sollte es echt lassen.

potschemutschka
5 Stunden zuvor
Antwortet  laromir

“Nix mit Menschen machen” – stimmt nicht ganz. Petra möchte mehr mit nur einem Menschen, Ihrem Hasi, machen.

dickebank
4 Stunden zuvor
Antwortet  potschemutschka

Aber hoffentlich keinen Nachwuchs, der sechs Jahre später Schulpflicht wird und den Lehrermangel noch weiter verschärft. Also kein gemeinsames HO mit Hasi

potschemutschka
4 Stunden zuvor
Antwortet  dickebank

🙂

vhh
8 Stunden zuvor

Chancen die eigenen Ideen zu verwirklichen und an der Gesellschaft wirklich teilzunehmen: mit Billionen nicht zu bezahlen. Fußballtrainer reden von der fehlenden ‘Gier’… Mehr Wirtschaftswachstum als Grund, Bildung zu fördern ist für mich nicht positiver besetzt als dieser Begriff ‘Gier’.
Bildung ist ein Grundrecht, Chancen sind ein Grundrecht, sie zur Verfügung zu stellen eine Pflicht, egal ob der Einzelne daraus etwas macht und den Wohlstand des Staates mehrt oder sich hinterher als Eremit zurückzieht. Eine Gesellschaft ist kein Bienenstock mit optimiertem Honigertrag! Oder hat da jemand endlich den Sinn des Lebens gefunden, Maximierung des BIP?
Gerade kam übrigens eine Meldung über zunehmende Arbeitslosigkeit bei jungen Akademikern, KI wird den Arbeitsmarkt umkrempeln, laut Berichten steht der Einsatz menschenähnlicher Roboter bald an, ziemlich mutig, in diesem Umfeld Prognosen auf 80 Jahre zu verkünden.

potschemutschka
8 Stunden zuvor
Antwortet  vhh
Realist
7 Stunden zuvor
Antwortet  vhh

Bildung garantiert keinen Wohlstand..

Das einzige, was keinen Wohlstand garantiert, ist keine Bildung.

Fräulein Rottenmeier
7 Stunden zuvor
Antwortet  vhh

Naja, eine Gesellschaft kann nur funktionieren, wenn sich ihre Mitglieder auch als Teil des Ganzen begreifen. Und dabei ist neben das Nehmen auch das Geben wichtig. Und natürlich stehen auch wirtschaftliche Interessen dahinter, denn Menschen geht es in einer Gesellschaft nur gut, wenn auch die Wirtschaft gedeiht. Und da muss man nicht gleich von Turbokapitalismus reden (welcher einer Gesellschaft eher schadet als nutzt).
Und wenn Bildung ein Grundrecht ist, dann sollte auf der anderen Seite der Medaille auch die Bildungspflicht stehen (eben Nehmen und Geben).
Und doch, vergleichen Sie die Gesellschaft ruhig als Bienenstock oder Ameisenstaat, das ist schon recht passend.
Ich finde es schade, dass es immer mehr Menschen in Deutschland gibt, die sich nur auf das Nehmen kapriziert haben und der Meinung sind, sie hätten nur Rechte, aber keine Pflichten. Da komme ich mir wirklich verarscht und ausgenutzt vor….

Mario
4 Stunden zuvor

Würde aber auch für die Lehrerin gelten, welche einfach einen auf krank macht und 16 Jahre nicht zum Dienst geht! Nicht nur für unten, sondern auch oben, dann wäre ich irgendwie schon bei Ihnen

Götz
7 Stunden zuvor

Ich glaube, die Autoren meinen eher “Berufstraining” als “Bildung”.

Muxi
5 Stunden zuvor

In manchen Momenten träume ich von einer Welt, in der ich nichts mit “Kompetenzen” machen muss, sondern einfach nur daran arbeiten könnte, dass meine Schüler sinnerfassend Lesen üben.
Zu viele haben da Defizite und “die Schüler üben Lesen” kann ich faktisch kaum in die Stundenziele reinschreiben.

Pit2020
5 Stunden zuvor

“Bessere Bildung wäre für Deutschland eine der renditestärksten Investitionen überhaupt.”

Sensationell, diese Idee – wer hätt’s gedacht?

Mr X
4 Stunden zuvor
Antwortet  Pit2020

Igitt, dann muss man JETZT Geld ausgeben um später mehr zu haben! In Zeiten von Tiktok und Insta haben Politiker für sowas keine Zeit.

Canishine
4 Stunden zuvor

Das entspreche „etwa dem Fünffachen des heutigen Bruttoinlandsprodukts“.“
Das entspricht dann in etwa auch der Preisentwicklung bei aktueller Inflation.