Ärzte warnen: Castingshows fördern Magersucht bei Mädchen

2

BERLIN. Castingshows wie „Germany’s Next Topmodel“ beeinflussen das Körperbild von Jugendlichen, insbesondere von Mädchen. Dies zeigt eine neue Studie.

Fast zwei Drittel der Jugendlichen zwischen zwölf und 17 Jahren schauen sich Casting-Shows wie "Germany's Next Topmodel" im Fernsehen an. Foto: get noticed communications / Flickr (CC BY-SA 2.0)
Fast zwei Drittel der Jugendlichen zwischen zwölf und 17 Jahren schauen sich Casting-Shows wie "Germany's Next Topmodel" im Fernsehen an. Foto: get noticed communications / Flickr (CC BY-SA 2.0)

Demnach empfinden sich viele Mädchen und junge Frauen, die derartige Shows verfolgen, als zu dick. Damit könnten Castingshows die Tendenz zu Essstörungen wie etwa Magersucht oder Bulimie verstärken, mahnt die Deutsche Gesellschaft für Psychosomatische Medizin und Ärztliche Psychotherapie (DGPM). Die Fachgesellschaft weist darauf hin, dass etwa eine Magersucht ohne fachgerechte Therapie schnell dauerhaft werden kann und sowohl die seelische als auch die körperliche Gesundheit schwer schädigt.

Castingshows wie „Germany’s Next Topmodel“ sind gerade bei Kindern und Jugendlichen sehr beliebt. Einige dieser Sendungen verfolgen mehr als 62 Prozent der Heranwachsenden zwischen zwölf und 17 Jahren. Eine neue Studie deutet darauf hin, dass „Germany’s Next Topmodel“ bei Mädchen die Unzufriedenheit mit dem eigenen Körper steigert. In der Untersuchung des Internationalen Zentralinstituts für das Jugend- und Bildungsfernsehen des Bayerischen Rundfunks befragten Forscherinnen Mädchen, die regelmäßig die Sendung sahen. Das Resultat: Die Gefühle vieler Befragten schwankten zwischen Bewunderung und Neid. „Alle, die da sind, haben so eine tolle Figur, das gibt mir Anreize abzunehmen“, gab eine 14-Jährige an. Eine 15-Jährige meinte: „Dann denk‘ ich mir meist, warum ich nicht so dünn bin.“ Und schon eine Elfjährige fand ihren Bauch und ihre Beine zu dick, weil Topmodels ja schlank sein müssten.

„Wenn Mädchen sich trotz normalen Gewichts als zu dick empfinden, sind sie anfälliger für eine Essstörung wie Anorexia nervosa oder Bulimia nervosa“, betont Prof. Dr. med. Stephan Herpertz von der DGPM. Studien zufolge leiden in Deutschland an Magersucht, Anorexie genannt, bis zu 0,8 Prozent und an Bulimie drei Prozent der jungen Frauen zwischen 14 und 20 Jahren. Dabei schränken Betroffene mit Magersucht ihre Nahrungsaufnahme stark ein oder reduzieren ihr Gewicht aktiv durch Erbrechen, exzessiven Sport oder die Einnahme von Abführmitteln. Junge Frauen mit Bulimie streben ebenfalls ein Gewicht an, das ihnen ständiges Fasten auferlegt. Sie haben jedoch gleichzeitig die Kontrolle über ihr Essverhalten verloren und ein Teufelskreis zwischen übermäßigem Essen, Erbrechen und Fasten entsteht. Beide Essstörungen können schwerwiegende seelische wie auch körperliche Schäden zur Folge haben. So wirkt sich die Magersucht beispielsweise negativ auf die Knochendichte, das Längenwachstum und die Hirnreifung aus. An dieser Krankheit sterben etwa zwölf Prozent der Betroffenen.

Anzeige

Nur die Hälfte der Magersüchtigen werden geheilt

„Essstörungen wie Anorexie haben gravierende Folgen für die Gesellschaft“, gibt Prof. Herpertz, der an der Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie des Universitätsklinikums Bochum praktiziert, zu bedenken. „Denn sie betreffen fast ausschließlich junge Menschen und beeinträchtigen sowohl deren gesundheitliche als auch berufliche Entwicklung.“ Bei der Behandlung der Patienten rät die DGPM vor allem zu einer Psychotherapie, die speziell auf die jeweilige Essstörung ausgerichtet ist. „Sie soll das Essverhalten wieder normalisieren und die mit der Krankheit verbundenen seelischen Probleme lösen. Der Heilungserfolg bei der Anorexie liegt lediglich bei etwa der Hälfte der Patientinnen“, erläutert der Arzt.  Selbst bei günstigem Verlauf sei dies ein langwieriger Prozess, der oft eine stationäre Behandlung erfordere.

In jedem Fall sollte eine Chronifizierung der Magersucht oder Bulimie unbedingt vermieden werden. Wichtigster Hinweis bei der Magersucht ist das stetig sinkende Körpergewicht: Bei Kindern und Jugendlichen ist ein Unterschreiten der zehnten Body-Mass-Index (BMI) Altersperzentile kritisch. Gewicht, Größe und Geschlecht berücksichtigt, würde das bedeuten, dass mehr als 90 Prozent der Gleichaltrigen mehr wiegen als der Betroffene. Die verzerrte Wahrnehmung des eigenen Körpers als zu dick trotz objektivem Untergewicht ist ein weiteres wichtiges Warnzeichen sowohl für Magersucht wie auch Bulimie. „’Germany’s Next Topmodel‘ hat sicherlich ein nicht zu unterschätzendes Gefährdungspotenzial für junge Frauen und ein öffentlicher Diskurs wäre wichtig“, ergänzt Herpertz.

 

Anzeige


Info bei neuen Kommentaren
Benachrichtige mich bei

2 Kommentare
Älteste
Neuste Oft bewertet
Inline Feedbacks
View all comments
Alexander
12 Jahre zuvor

Das Problem ist nicht GNTM, sondern die allgemeine Präsenz des „Schönheitsideals“ in den Medien. GNTM ist da nur eine Ausprägung davon. Und da die elterliche Erziehung leider mehr und mehr den Medien weicht ist die unausweichliche Folge ein gestörtes Selbstbild. Das Problem ist gesamtgesellschaftlich und die Studie deshalb relativ nutzlos. Auch Hollywood trägt seinen Teil dazu bei. Man betrachte zur Veranschaulichung Verblendung im Original und den Hollywood abklatsch davon. Daran sieht man schön, wie authentisch und oberflächlich gegenüberstehen. Das Remake wirkt wie eine schlechte Karikatur, weil den Schauspielern Makel fehlen.

Die Entscheidung liegt aber eigentlich bei uns. Wenn wir uns von den Medien erziehen und kontrollieren lassen sind wir selbst schuld.
Und man beachte auch mal, wie Sendungen wie Sex and the city und Soaps auf das Beziehungsverhalten einwirken.

Also: Hirn anschalten, dann braucht es auch keine Studien 😉

Alexander
12 Jahre zuvor
Antwortet  Alexander

Auch die Ärzte tragen übrigens gerne einmal dazu bei Menschen zu verunsichern, wenn sie beiläufig anbieten, dass man da im Gesicht ja schon etwas gegen die garstigen Falten machen könnte.
Da kommen selbst Leute, die sich bisher hübsch fanden ins Grübeln und Wanken.

Lieber Gruß, Alexander