Odenwaldschule: Kaum Fortschritte bei Aufarbeitung des Skandals

0

BERLIN. Im Missbrauchsskandal an der Odenwaldschule herrscht Streit darüber, wie entschädigt werden soll. Der Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung rät nun dringend zu einer Mediation.

Goethehaus der Odenwaldschule; Foto: Mussklprozz / Wikimedia Commons (CC BY-SA 3.0)
Goethehaus der Odenwaldschule; Foto: Mussklprozz / Wikimedia Commons (CC BY-SA 3.0)

Als der Missbrauchsskandal an der Odenwaldschule hochkochte, war recht schnell von Entschädigung die Rede. Aber auch nach zwei Jahren tobt darum noch immer ein Kampf, Opfer sind maßlos enttäuscht. Der Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung hält jetzt eine Mediation für dringend notwendig. «Ob die handelnden Personen das bestehende Misstrauen abbauen können, da muss ich ein großes Fragezeichen machen», sagte der Beauftragte Johannes-Wilhelm Rörig. Deshalb sei professionelle Hilfe von außen an der Zeit. «Die Aufklärung und Aufarbeitung der Odenwaldschule ist quälend lang.»

«Für mich ist es wichtig, dass möglichst schnell zwischen der Schulleitung, dem Trägerverein und dem Opferschutzverein „Glasbrechen“ ein starkes Vertrauensfundament aufgebaut wird», sagte der 52-Jährige. «Wenn sie das im Moment allein nicht schaffen, ist eine Mediation dringend nötig.»

Die Odenwaldschule selbst räumt ein, früher mit ihrer Art des Miteinanders sexuellen Missbrauch begünstigt zu haben. Tätern sei es leicht gewesen, ihre Übergriffe zu verheimlichen. Die Schule sieht Fehler mittlerweile korrigiert. So sei nicht mehr ein Lehrer allein für eine Wohngruppe verantwortlich, ein einzelner Lehrer könne sich auch nicht mehr die Schüler seiner Wohngruppe aussuchen. Außerdem gebe es heute zwei von der Schule unabhängige Ombudspersonen, die von den Schülern angesprochen werden könnten.

Die sexuellen Übergriffe von Lehrern an Schülern liegen schon Jahrzehnte zurück und sind juristisch verjährt. Sie kamen im März 2010 erneut an die Öffentlichkeit, nachdem sie bei ersten Berichten Jahre zuvor nicht weiter verfolgt worden waren. Diesmal erschütterten die Übergriffe das Elite-Internat, das für Reformpädagogik steht. Es gab zahlreiche Wechsel im Vorstand, Reformer warfen wieder hin. Die für Aufklärung und Aufarbeitung stehende Schulleiterin machte einer kommissarischen Vertretung Platz. Inzwischen wird zum Start 2013/2014 wieder eine neue Schulleitung gesucht.

Die Zahl von 132 Opfern stammt aus einem Abschlussbericht von zwei Sonderermittlerinnen. «Glasbrechen» und auch Opferanwalt Thorsten Kahl gehen von einer wesentlich höheren Zahl aus. Zwischen beiden Seiten, der Schule und der Stiftung auf der einen und Opfer-Vertretern auf der anderen, ist keine Annäherung erkennbar.

Anzeige

Die auf Betreiben der Schule im Sommer des vergangenen Jahres gegründete Stiftung kann die Kritik nicht verstehen. «“Glasbrechen“ hat die Stiftung nicht akzeptiert», sagte die Stiftungsvorsitzende Ingelore König-Ouvrier. «Die Kritik wird stereotypisch wiederholt.» Das Antragsformular für eine Entschädigung gebe es problemlos im Internet. «Es ist überhaupt nicht bürokratisch», sagte die 66-Jährige. Ein Antrag dauere sechs Wochen.

Rund 100 000 Euro seien bereits ausgezahlt worden, die Beträge hätten zwischen 4000 und 20 000 Euro gelegen. Wie viele Geld bekamen, will sie nicht sagen. Nach Schätzungen können es kaum mehr als 20 gewesen sein. «Aber viele möchten das gar nicht machen. Aus Scham, Angst oder Verzweiflung.» Die Stiftung zahle aber nicht nur Geld als Anerkennung des Leides, sagte König-Ouvrier, die den Begriff «Entschädigung» vermeidet. «Darüber hinaus gibt es auch Geld als Hilfe für eine Therapie.»

Kritik an der Entschädigung kommt nicht nur von Missbrauchsopfern oder von Vertretern. Auch nach Meinung des Jugendforschers Benno Hafeneger (63) lässt die Entschädigung lange auf sich warten. «Mit den Worten ist man schnell, die Worte kosten nichts», sagte der Pädagogik-Professor an der Philipps-Universität Marburg.

Der Grünen-Landtagsabgeordnete Marcus Bocklet (47) aus Hessen arbeitet an einem Bericht über die Odenwaldschule. Er sieht sie und ihre Entschädigung noch kritischer. «Die katholische Kirche kriegt das hin. Nur die nicht.» Joachim Baier, dpa

(8.6.2012)

Anzeige


Info bei neuen Kommentaren
Benachrichtige mich bei

0 Kommentare
Inline Feedbacks
View all comments