Fotos, die den Blick auf die Kinder dieser Welt schärfen

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KÖLN. Mit der Auszeichnung „UNICEF-Foto des Jahres“ hat die Hilfsorganisation UNICEF Deutschland Fotos und Fotoreportagen geehrt, die die Persönlichkeit und Lebensumstände von Kindern weltweit auf herausragende Weise dokumentieren.

„Gute Fotos machen deutlich, was schön und was wichtig ist. Der Fotopreis soll dazu beitragen, unseren Blick zu schärfen für Kinder“, sagt Jürgen Heraeus, Vorsitzender von UNICEF Deutschland. „Unmittelbarer als jeder Text teilen Bilder mit, wo Kinder leiden, wo sie vernachlässigt oder ausgebeutet werden. Sie vermitteln die Eigenart kindlichen Erlebens, ihre Tränen, ihren Ernst und ihre Freuden. Ohne viele Umstände sagen sie uns, warum wir an sie denken müssen und wo wir ihnen helfen können.“

An dem jährlich neu ausgeschriebenen Wettbewerb beteiligen sich seit dem Jahr 2000 die besten Fotografen aus allen Teilen der Welt. Seither wurden Fotografen aus über 70 Nationen und allen fünf Kontinenten ausgezeichnet. Sie dokumentieren in Einzelfotos oder Fotoserien die Lebensverhältnisse von Kindern, die sich in einer schwierigen Lage befinden: im Krieg, in materieller oder seelischer Not, nach Naturkatastrophen. Aber auch Momente des Glücks, der Lebensfreude und Facetten unterschiedlichen Alltags stellen sich dar.

Über die Preisvergabe für das „UNICEF-Foto des Jahres“ entscheidet eine unabhängige Jury unter dem Vorsitz von Prof. Klaus Honnef, Kunstwissenschaftler und Publizist.

1. Preis 2012: Alessio Romenzi, Italien, Agentur Corbis Images
1. Preis 2012: Alessio Romenzi, Italien, Agentur Corbis Images

Syrien: Kinder zwischen den Fronten

Die Auseinandersetzung zwischen den Gegnern von Baschar al-Assad und seinen Anhängern ist zu einem zerstörerischen Stellungskrieg im ganzen Land geworden. Zwischen den Fronten zermahlen werden Zivilisten. Und die gänzlich Unbeteiligten: die Kinder. Der italienische Fotograf Alessio Romenzi fängt in seinem Bild den ganzen Irrsinn der Situation ein. Bekleidet und zurechtgemacht, wie sich kleine Mädchen spielerisch herausputzen können, steht das Kind Ende September 2012 auf dem blutigen Boden des häufig unter Beschuss stehenden Dar El Shifa-Hospitals in Aleppo. Umgeben von Männern mit Kalaschnikows wartet das Kind an der Hand seines Vaters auf die eigene medizinische Behandlung. Es war zu Hause hingefallen und hatte sich am Kopf verletzt.

2. Preis 2012 Abhijit Nandi, Indien, Freier Fotograf
2. Preis 2012 Abhijit Nandi, Indien, Freier Fotograf

Indien: Leben als Drahtseilakt

In dem Film Slumdog Millionär trennt eine einzige Frage den Jungen aus den Slums von Mumbai von einem Leben als Millionär. Der Traum scheint zum Greifen nahe. Ein rührendes Holly-Bollywood-Kunststück, ein Film zum Träumen.

Die Wirklichkeit der über 70 Prozent der Bevölkerung, die unter der Armutsgrenze leben, 40 Prozent davon Kinder, wird sich durch keine Quiz-Show zum Guten verändern. Das zeigt die Langzeitstudie des indischen Fotografen Abhijit Nandi. Er weiß um die Situation der Straßenkinder in vielen Regionen seines Landes, darunter Uttar Pradesh, Bihar und Rajasthan. Mädchen und Jungen, die durch ihre Arbeit ihren Eltern ein winziges Zubrot verschaffen müssen. Eltern, die schon deswegen ihre Kinder nicht zur Schule schicken können. Oder Kinder, die völlig auf sich allein gestellt sind. Sie kämpfen sich durch ihr Leben mit vielen verschiedenen Hilfsarbeiten. Als Kartenverkäufer, Kameltreiber, Fischereihelfer, als Bittstellerinnen, die als Göttin verkleidet sind, oder als Seiltänzerinnen.

Nach Schätzungen von UNICEF gibt es auf dem Subkontinent mehr als 29 Millionen Kinderarbeiter im Alter zwischen fünf und 14 Jahren. Der Fotograf betont, dass die Abschaffung der Schulgebühren allein nicht ausreicht, um die Probleme dieser Mädchen und Jungen zu lösen.

3. Preis 2012 Andrea Gjestvang, Norwegen, Agentur Moment
3. Preis 2012 Andrea Gjestvang, Norwegen, Agentur Moment

Norwegen: Der schlimmste Tag ihres Lebens

Am 22. Juli 2011 zündete Anders Breivik eine Autobombe in Oslo, die acht Menschen tötete. Dann begab sich der Attentäter zum Feriencamp auf der Insel Utøya und erschoss gezielt 69 Jugendliche. Die Norwegerin Andrea Gjestvang ist durch ihr Land gereist, um 43 der 495 Jugendlichen, die das Massaker seelisch und körperlich verletzt überlebt haben, zu porträtieren und ihre Reflexionen über das Geschehen aufzuschreiben. „Einen Tag in der Geschichte“ nennt die Fotografin ihr Projekt, mit dem sie ein tieferes Verständnis für die Opfer entwickeln möchte. Es zeigt, wie die Jugendlichen mit den Folgen des Geschehens umgehen.

„Mein Leben hat sich in mehr als in einer Hinsicht verändert. In der Grundschule wurde ich gehänselt, ich fühlte mich traurig und zog mich zurück“, sagt Cecilie, die sich gemeinsam mit einer Freundin zu verstecken suchte. Ihre Freundin wurde getötet, sie selbst überlebte schwer verletzt. Die letzte Kugel stoppte an ihrem Weisheitszahn, ihr Arm musste amputiert werden. Trotzdem schätze sie jetzt das Leben und habe zu ihrem wahren Selbst gefunden, erzählte die 17-jährige der Fotografin. Die 15-jährige Ylva betont, dass sie ihre Narben mit Würde tragen wolle. Denn diese wurden ihr zugefügt, weil sie für Werte einstehe, die sie auch nach dem historischen schwarzen Tag aufrecht halte. „Das Leben geht weiter. Ich sage mir diesen Satz jeden Tag. Es ist der Satz, den ich auf dieser Welt am meisten hasse“, sagt Tuva (17), die sich verstecken konnte und das Attentat deshalb körperlich unverletzt  überlebt hat.

4. Preis 2012 Laerke Posselt, Dänemark,  Agentur Moment
4. Preis 2012 Laerke Posselt, Dänemark, Agentur Moment

USA: Schönheitsköniginnen

Entzücken über meine Tochter mag schön und gut sein, aber das reicht nicht, sagen sich immer mehr amerikanische Mütter. Aufgerüscht, opulent frisiert, mit üppigem Make-up versehen, werden schon Zweijährige auf die Laufstege der Schönheitswettbewerbe geschickt. Die Popularität der „child beauty pageants“ explodiert derzeit in den USA, angefeuert durch die so umstrittene wie einflussreiche Reality-TV-Serie „Toddlers and Tiaras“, so die Beobachtung der dänischen Fotografin Laerke Posselt.

Im April 2012 fand sie Zugang hinter die Kulissen solcher Wettbewerbe in Alabama, Georgia und South Carolina sowie zum Zuhause der Kleinen. Sie traf auf Offenheit und Sympathie. Gleichzeitig überfiel sie Unbehagen.

Die Mädchen werden gedrillt, erwachsene Popstars und Models zu imitieren. Was also ist die Botschaft, die ein Kind aus einer solchen Beauty-Konkurrenz ziehen muss? Ich bin nur liebenswert, wenn ich aussehe wie Barbie oder Beyoncé und andere mir zujubeln? Das Selbstwertgefühl der Mädchen wachse, so die Meinung der Eltern. Kritiker werfen ihnen dagegen Kindesmissbrauch vor. News4teachers

(18.12.2012)

1. Preis 2012: Alessio Romenzi, Italien, Agentur Corbis Images
1. Preis 2012: Alessio Romenzi, Italien, Agentur Corbis Images
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