„Größere Klassen, ohne mich“- Bremens Schulsenatorin tritt zurück

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BREMEN. Nach monatelangen Diskussionen um den Bildungsetat hat sich die rot-grüne Landesregierung auf einen Kompromiss in der Schulpolitik geeinigt – der sei mangelhaft, findet die zuständige Senatorin Renate Jürgens-Pieper und trat zurück.

Bremens Bildungssenatorin Renate Jürgens-Pieper (SPD) ist im Streit um die rot-grüne Schulpolitik zurückgetreten. «Ich war bereit, durch Sparanstrengungen im Ressort einen erheblichen Teil der fehlenden Mittel selbst zu erwirtschaften», ließ sie ihre Sprecherin mitteilen. «Die aus meiner Sicht notwendigen zusätzlichen Mittel sind mir jedoch nicht zugestanden worden.» In ihrer Erklärung macht die 61-Jährige auch den grünen Koalitionspartner für ihren Rücktritt mitverantwortlich.

Damit zog Jürgens-Pieper am Montag nach monatelangen Querelen überraschend die Notbremse. Am Abend zuvor hatten sich die Spitzen von SPD und Grünen auf einen Kompromiss zum defizitären Bildungsetat verständigt, um freiwerdende Lehrerstellen im nächsten Schuljahr wieder besetzen zu können. Die Pläne sehen unter anderem vor, die Einrichtung von zwei Ganztagsschulen zu schieben oder die Klassengrößen anzuheben. Mehr Geld soll es nicht geben.

Renate Jürgens-Pieper war schon zum zweiten Mal Senatorin in Bremen. (Foto: SPD Bremen)
Renate Jürgens-Pieper war schon zum zweiten Mal Senatorin in Bremen. (Foto: SPD Bremen)

Diese Entscheidung könne sie nicht mittragen, hieß es in der Erklärung von Jürgens-Pieper. «Ich werde deshalb das Amt der Senatorin für Bildung, Wissenschaft und Gesundheit niederlegen.» Bis die Nachfolge geklärt ist, will sie ihre Arbeit jedoch noch fortsetzen. Bremens Regierungschef Jens Böhrnsen sagte zu der Entscheidung, die ihm seine Parteikollegin zuvor in einem Gespräch mitgeteilt hatte: «Ich habe diesen Schritt mit großem Bedauern, aber auch mit Respekt für ihre Arbeit als Senatorin entgegengenommen.»

Damit ist Jürgens-Pieper nicht die erste Bildungspolitikerin der jüngeren Zeit, die wegen des Spardiktats ihrer Kabinettkollegen den Stuhl räumt. Erst im März diesen Jahres hatte Kultusminister Roland Wöller in Sachsen seinen Rücktritt aus ganz ähnlichen Gründen erklärt.

Jürgens-Pieper sieht einen Dissens zwischen den Koalitionspartnern

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Die rot-grüne Schulpolitik sorgt bereits seit längerem für Zoff. In bundesweiten Bildungsstudien landet das kleinste Bundesland regelmäßig auf den hintersten Rängen. Gleichzeitig fehlt im hoch verschuldeten Zwei-Städte-Staat das Geld an allen Ecken und Enden. Immer wieder gab es Proteste von Lehrern, Schülern und Eltern gegen die Sparzwänge. «Der Rücktritt der Bildungssenatorin Renate Jürgens-Piepers zeigt, wie dramatisch selbst in der Bildungsbehörde die Situation der Lehrerversorgung gesehen wird», teilte die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft mit.

Ehrgeizige Reformen wie der Ausbau der Ganztagsschulen und vor allem das gemeinsame Lernen von Kindern mit und ohne Behinderung sind nach Ansicht von Jürgens-Pieper mit den nun beschlossenen Vorgaben nicht zu stemmen. Der grüne Koalitionspartner halte den Bildungsetat dagegen für ausreichend, erklärte sie. «Diese gegensätzliche Sicht der Dinge ist für mich keine gemeinsame politische Basis für die gemeinsam getragene Umsetzung der Maßnahmen, die aus dem Beschluss des Koalitionsausschusses folgen.»

Es gebe keinen Dissens zwischen SPD und Grünen, betonten dagegen die Grünen. Auch SPD-Landeschef Andreas Bovenschulte sprach von einer Einigung, die die Parteien in den vergangenen Wochen gemeinsam entwickelt und diskutiert hätten. An den Gesprächen sei die Senatorin beteiligt gewesen. «Insofern hat mich der heutige Rücktritt von Renate Jürgens-Pieper auch überrascht.»

Die Opposition sieht diesen Schritt als konsequent und unvermeidbar an. «Die Senatorin wurde von der eigenen Koalition im Stich gelassen», teilte CDU-Landeschef Jörg Kastendiek mit. «Der Rücktritt verdeutlicht den desolaten Zustand der rot-grünen Koalition.» Dass Jürgens-Pieper unter diesen Bedingungen genug davon habe, das Bildungsressort zu leiten, sei nachvollziehbar, meinten die Linken. dpa

(26.11.2012)

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