Uni entzieht Schavan den Doktortitel – SPD und Grüne fordern Rücktritt

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DÜSSELDORF. Die Universität Düsseldorf entzieht Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU) den Doktortitel. Der zuständige Fakultätsrat habe in dem Plagiatsverfahren die Promotionsleistung für ungültig erklärt und beschlossen, den vor 33 Jahren erworbenen Doktorgrad zu entziehen, teilte der Ratsvorsitzende, Prof. Bruno Bleckmann, mit. Unions-Fraktionsvize Michael Kretschmer (CDU) sprach von einer „politisch motivierten Kampagne“. Schavan selbst kündigte eine Klage gegen die Entscheidung an. SPD und Grüne fordern den Rücktritt der Ministerin.

Kann nun klagen: Bundesbildungsministerin Annette Schavan. Foto: Bürgerdialog Zukunftstechonlogien / Flickr (CC BY-NC-SA 2.0)
Kann nun klagen: Bundesbildungsministerin Annette Schavan. Foto: Bürgerdialog Zukunftstechonlogien / Flickr (CC BY-NC-SA 2.0)

Schavan ist damit nach dem ehemaligen Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) das zweite Regierungsmitglied im Kabinett von Kanzlerin Angela Merkel, dem wegen Plagiatsvorwürfen der Doktorgrad entzogen wird. Mit der Aberkennung des Titels besitzt Schavan nun keinen Studienabschluss mehr, weil sie seinerzeit direkt promoviert hatte.

Für den Entzug des Doktorgrades hätten zwölf Mitglieder des Rats der Philosophischen Fakultät gestimmt bei zwei Nein-Stimmen und einer Enthaltung, hieß es seitens der Universität Düsseldorf. Der Rat habe es als erwiesen angesehen, dass Schavan in ihrer 1980 eingereichten Doktorarbeit «systematisch und vorsätzlich» gedankliche Leistungen vorgegeben habe, die sie nicht selbst erbracht habe.

In einer Erklärung, die die Universität herausgab, heißt es wörtlich: „Der Fakultätsrat der Philosophischen Fakultät der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf hat heute die Entscheidung getroffen, die schriftliche Promotionsleistung von Frau Schavan für ungültig zu erklären und ihr den Doktorgrad zu entziehen. (…) Der Fakultätsrat lehnt es ab, für diese spezielle Dissertation ein Plagiatsverständnis anzuwenden, das von der allgemeinen, auch Anfang der 1980er Jahre gültigen Meinung abweicht. Dies schien ihm auch vor dem Hintergrund einschlägiger Erfahrungen aus dem alltäglichen akademischen Prüfungsbetrieb nicht verantwortet werden zu können. Der Fakultätsrat hat sich nach dieser grundsätzlichen Klärung in seinen Beratungen nach gründlicher Prüfung und Diskussion abschließend die Bewertung des Promotionsausschusses zu eigen gemacht, dass in der Dissertation von Frau Schavan in bedeutendem Umfang nicht gekennzeichnete wörtliche Übernahmen fremder Texte zu finden sind. Die Häufung und Konstruktion dieser wörtlichen Übernahmen, auch die Nichterwähnung von Literaturtiteln in Fußnoten oder sogar im Literaturverzeichnis ergeben der Überzeugung des Fakultätsrats nach das Gesamtbild, dass die damalige Doktorandin systematisch und vorsätzlich über die gesamte Dissertation verteilt gedankliche Leistungen vorgab, die sie in Wirklichkeit nicht selbst erbracht hatte. Die Entgegnungen von Frau Schavan konnten dieses Bild nicht entkräften. Daher hat der Fakultätsrat Tatbestand einer vorsätzlichen Täuschung durch Plagiat festgestellt.“

Schavan kann innerhalb eines Monats gegen die Entscheidung vor dem Verwaltungsgericht Düsseldorf klagen – und das wird sie auch tun. Dies teilte ihre Anwaltskanzlei Redeker, Sellner und Dahs am Abend in Bonn mit. Die Klage werde beim Verwaltungsgericht Düsseldorf erhoben.  «Die Entscheidung ist in einem fehlerhaften Verfahren zustande gekommen und sie ist auch materiell rechtswidrig», heißt es in der Erklärung. Die gesetzlich vorgeschriebene Vertraulichkeit des Verwaltungsverfahrens sei mehrfach durch selektive Information der Öffentlichkeit verletzt worden. Weiter heißt es: «Die gebotenen Ermittlungen zur Feststellung einer Täuschung der Gutachter im damaligen Promotionsverfahren sind unterblieben.» Beweisanträge seien in dem Verfahren von der Universität übergangen worden. Das gelte auch für den Antrag auf Einholung eines externen Fachgutachtens. Die Anwälte betonten: «Eine Täuschung hat es nicht gegeben.» Die Ministerin hatte Plagiate und eine Täuschungsabsicht stets bestritten.

Unterstützung aus der CDU

Jetzt steigt der Druck auf Schavan, als Bundesbildungsministerin zurückzutreten. SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles sagte der «Welt»: «Frau Schavan ist als Wissenschaftsministerin nicht mehr glaubwürdig. Sie muss daraus ihre Konsequenzen ziehen. Die Maßstäbe müssen für alle gelten – ohne Ansehen der Person.» Grünen-Fraktionschefin Renate Künast sagte dem «Tagesspiegel», eine Wissenschaftsministerin, der eine grobe Missachtung wissenschaftlicher Regeln nachgewiesen wurde, sei nicht länger tragbar. «Ich gehe davon aus, dass Frau Schavan sich und der Wissenschaft die Verlängerung dieser Affäre erspart und ihren Rücktritt erklärt.»

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Unionsfraktionsvize Kretschmer (CDU) nannte das Vorgehen der Universität Düsseldorf hingegen eine «Farce». «Es war von Anfang an ein unfaires Verfahren», sagte er in Berlin. Immer wieder sei mit gezielten Indiskretionen Rufschädigung betrieben worden. Die Standards guter wissenschaftlicher Praxis seien nicht eingehalten worden. Kretschmer kritisierte: «Das Procedere ist keine wissenschaftliche Überprüfung, sondern eine politisch motivierte Kampagne gegen eine sehr erfolgreiche Bundesforschungsministerin.»

Die Aberkennung des Doktortitels ist für die CDU in ihrem Wahlkreis kein Grund für Zweifel an der Bundesbildungsministerin. Die Entscheidung mache endlich den Weg frei für eine rechtliche Prüfung, sagte der Vorsitzende des CDU-Kreisverbands Alb-Donau/Ulm, Paul Glökler. «Jetzt kann sie dagegen angehen. Und ich bin gespannt, was dann noch rauskommt.» Er sei überzeugt, dass seine Parteifreundin ihren Titel am Ende zurückbekomme.

Für den Fraktionschef der CDU in Ulm, Thomas Kienle, hat die Universität nur «eine vorgefertigte Meinung bestätigt». Positiv sei, dass im nun kommenden Klageverfahren die Betroffene gehört werden könne. Kienle gab sich überzeugt, dass Schavan keine Täuschungsabsicht nachgewiesen werden könne. Trotz der Plagiatsvorwürfe war Schavan erst Ende Januar in ihrem Heimatwahlkreis wieder als CDU-Bundestagskandidatin aufgestellt worden. 96 Prozent der Delegierten des Kreisverbands Alb-Donau/Ulm stimmten für die 57-Jährige.

Unterstützung erhielt Schavan auch von der Staatsministerin im Auswärtigen Amt, Cornelia Pieper. Sie könne verstehen, dass Schavan gegen den Entzug des Doktortitels klagt, sagte die FDP-Politikerin der «Mitteldeutschen Zeitung». «Im Übrigen ist sie nicht Ministerin wegen ihres Doktortitels, sondern weil sie den Job gut macht.»

Die Uni hatte das Hauptverfahren zur Aberkennung des Titels vor zwei Wochen eingeleitet. Die Prüfung der Arbeit «Person und Gewissen» dauerte aber bereits seit rund neun Monaten an. Als Vorinstanz hatte die Promotionskommission die Dissertation Schavans geprüft. Ein interner Bericht der Kommission warf Schavan in ihrer Dissertation an zahlreichen Stellen Plagiate vor. Erste Plagiatsvorwürfe gegen die CDU-Politikerin waren Ende April 2012 anonym im Internet aufgetaucht. dpa

(5.2.1013)

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