Lärm im Unterricht: So laut wie auf der Hauptstraße

0

BERLIN. «Auch wenn das so mancher meint: An Lärm kann man sich nicht gewöhnen», betont Prof. Stefan Kääb, Leitender Oberarzt am Klinikum der Universität München. Bei Erwachsenen werde vor allem das Herz-Kreislauf-System, bei Kindern die Leistungsfähigkeit des Gehirns beeinflusst. Der Tag gegen Lärm am 30. April soll Bevölkerung und Entscheider stärker für das Problem sensibilisieren. Davon sind auch Schulen betroffen: Lärm im Unterricht belastet sowohl Lehrer als auch Schüler. Verschiedene Maßnahmen versprechen Besserung.

Störlärm und Halligkeit beeinträchtigt Kinder zwar stärker als Erwachsene, da sie über weniger sprachliches Vorwissen verfügen - aber auch Lehrer leiden. Foto: Travis Isaacs / Flickr (CC BY 2.0)
Störlärm und Halligkeit beeinträchtigt Kinder zwar stärker als Erwachsene, da sie über weniger sprachliches Vorwissen verfügen – aber auch Lehrer leiden. Foto: Travis Isaacs / Flickr (CC BY 2.0)

Lärm macht krank – das haben diverse Studien für verschiedene Arten des Lärms belegt. Verkehrslärm kann sogar nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation die Lebensdauer verkürzen. Mit dem Problem einer zu hohen Geräuschkulisse kämpfen auch viele Berufe: zum Beispiel in der verarbeitenden Industrie, im Baugewerbe und im Bildungssektor.

Zu viel Lärm im Klassenzimmer belastet Lehrer und Schüler gleichermaßen. Die wichtigste Geräuschquelle im Unterricht ist zwar nur die menschliche Stimme, doch auch mit ihr kann eine Lautstärke auf dem Niveau einer stark befahrenen Straße erreicht werden. Das hat eine Studie im Auftrag der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) aus dem Jahr 2004 ergeben. In vier Grundschulen und einer Schule der Sekundarstufe I maß die Projektgruppe in 30 untersuchten Klassen während des Unterrichts einen durchschnittlichen Schallpegel zwischen 60 und 85 Dezibel. Der Wert liegt damit zwar nicht jenseits der Grenze von 85 Dezibel, ab der nach Arbeitsstättenverordnung Gehörschutz Pflicht ist, überschreitet aber den maximal zulässigen Durchschnittspegel für Räume, in denen geistig gearbeitet wird. Dieser Wert verringert sich zudem von 55 auf 35 Dezibel, wenn dort zusätzlich viel gesprochen wird, wie es in Klassenzimmern der Fall ist.

Die Autoren der Studie bezeichnen die Werte als „Lärm mittlerer Intensität“. Doch auch ein Lautstärkepegel in diesem Bereich kann nach Angaben von Diplom-Ingenieur Peter Hammelbacher, Mitglied im INQA-Arbeitskreis „Lärm in Bildungsstätten“ bei der BAuA, die Gesundheit beeinträchtigen. „Der Lehrer ist mittags heiser, lärmsensibel, braucht eine lange Erholungsphase und hat vielleicht sogar Bluthochdruck“, beschreibt er etwaige Auswirkungen in einem Interview mit dem Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverband (BLLV). Die am BAuA-Projekt beteiligten Autoren geben allerdings zu Bedenken, dass es „schwierig oder unmöglich“ sei, nachzuweisen, ob „Lärm mittlerer Intensität“ an sich schon krank mache. In Zusammenhang mit den anderen Belastungsfaktoren, die in Bildungseinrichtungen gleichzeitig wirken würden, wie verhaltensauffällige Schüler, könne sich Lärm auf diesem Niveau aber als durchaus schädlich erweisen. Mögliche Folge: vorzeitiger Verschleiß, etwa durch Burnout.

Neben den Lehrkräften leiden auch Schüler unter einem zu hohen Lärmpegel, so Diplompsychologe Helmut Heyse, denn „Lärm beeinträchtigt das psychische Wohlbefinden“. Einen Extremfall beschreibt Diplom-Ingenieur Hammelbacher: „Ein Grundschüler musste sich sogar regelmäßig übergeben, wenn er von der Schule nach Hause kam. Schuld war der Lärm.“ Zu große Lautstärke beeinträchtige darüber hinaus auch die schulischen Leistungen.

Wege, den Lärmpegel im Unterricht zu verringern, gibt es verschiedene: Wenn die nötigen finanziellen Mittel vorhanden sind, kann beispielsweise die Akustik im Klassenzimmer verbessert werden. Dafür wird der Raum mit Schall schluckendem Material nachgerüstet, wie Mineral- oder Glaswolle. Lehrer und Schüler müssten dann nicht mehr gegen den Nachhall des bereits Gesprochenen anreden. Sie könnten leiser sprechen. Lehrkräfte könnten darüber hinaus mit ihren Schülern leises Verhalten trainieren oder das Thema „Lärm“ im Unterricht bearbeiten. Die Unfallkasse Berlin rät etwa, gemeinsam Lärmregeln zu erarbeitet. Die Schüler sollten dabei die Möglichkeit erhalten, zu beschreiben, wie sich Lärm auf sie auswirkt. Dadurch könnten sie später besser nachvollziehen, warum sie die anschließend erarbeiteten Gegenmaßnahmen befolgen sollten. Anna Hückelheim / Der Beitrag erschien zunächst im Lehrermagazin Forum Schule

Hier geht es zur Seite von Forum Schule

Anzeige


Info bei neuen Kommentaren
Benachrichtige mich bei

0 Kommentare
Inline Feedbacks
View all comments