Brockhaus-Redaktionsleiterin im Interview: „Wir sind bunter und vielfältiger als je zuvor“

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GÜTERSLOH. Der Wissensservice der traditionsreichen Marke Brockhaus ist ab sofort Kooperationspartner von News4teachers.de. In Zusammenarbeit mit dem neuen Online-Angebot des Wissensservice‘ erstellen wir jetzt regelmäßig die neue Rubrik „Unterrrichtsanlässe“. Im Interview erklärt Redaktionsleiterin Dr. Ulrike Hönsch, wie das Traditionslexikon im digitalen Zeitalter angekommen ist.

News4teachers.de: Um mal mit der Tür ins Haus zu fallen: Was ist für Sie Bildung?

Der Bildungsbegriff, vor allem derjenige der Allgemeinbildung, hat sich elementar gewandelt, er ist breiter geworden. Ging es früher vor allem um reines Faktenwissen, so steht heute eindeutig das vernetzte Denken im Vordergrund, also das Wissen um grundlegende Zusammenhänge und ihre Bedeutung für unsere heutige Welt. Auch populäres Alltagswissen gehört dazu. Daneben wird von uns heute Medienkompetenz, Sozialkompetenz, Beurteilungskompetenz erwartet. Hierfür ist es vielleicht nicht mehr notwendig, historische Ereignisse ausschließlich über die Abfolge von Jahreszahlen zu definieren.

News4teachers.de: Weil ich die ja schnell online nachgucken kann …

… wenn ich weiß, wo sie richtig stehen. Aber das wissen viele ja nicht. Wenn ich Informationen im Internet recherchiere und dafür Google befrage, dann erzeuge ich eine sehr lange Trefferliste. Wie viele Seiten davon muss ich checken, um zu einem seriösen Ergebnis zu kommen? Und was mache ich, wenn ich dabei widersprüchliche Angaben bekomme? Angesichts dieser Informationsflut wage ich zu bezweifeln, dass insbesondere Jugendliche die Quellen im Internet immer richtig bewerten können.

News4teachers.de: Jetzt ist auch der Brockhaus zu einem Online-Medium geworden – mit dem Wissensservice.

Dabei geben wir weder unseren Anspruch auf, noch verliert unsere Arbeit an Qualität. Im Gegenteil. Wir können schneller reagieren, weil wir nicht mehr auf einen Drucktermin warten müssen. Und wir erweitern unser Angebot, indem wir die neuen Möglichkeiten nutzen, mit Grafiken, Audio- und Video-Dateien, mit internen und externen Verlinkungen noch anschaulicher zu werden. Der Brockhaus wird bunter und vielfältiger als je zuvor.

News4teachers.de: Was macht den Brockhaus Wissensservice zu einem seriösen Online-Medium?

Aus dem Wissensservice darf in wissenschaftlichen Arbeiten zitiert werden, weil wir unsere Informationen von Fachleuten recherchieren, erstellen und prüfen lassen und die Angaben nachvollziehbar sind. Wir verlassen uns allein auf seriöse Quellen. Ein Beispiel: Das Bruttonationaleinkommen pro Kopf ist eine wichtige Kennzahl zur Beschreibung einer Volkswirtschaft. Aufgrund unterschiedlicher Berechnungsmethoden und verschiedener Bezugsjahre schwanken die Angaben im Internet erheblich. Für Guinea von 460 bis 1100 US-Dollar. Wir stützen uns auf die Angaben, die von amtlichen Stellen offiziell publiziert werden – und danach erzielt Guinea im Jahr 2012 ein Bruttonationaleinkommen von 460 US-Dollar pro Kopf. Durch die zeitgleiche Aktualisierung aller Länder der Erde gewährleisten wir zudem eine Vergleichbarkeit der Angaben. Bei uns hat die Nachprüfbarkeit und Nachhaltigkeit von Inhalten also immer Vorrang vor einer vorschnellen Pseudo-Aktualisierung, die morgen schon wieder verändert werden muss.

News4teachers.de: Wie kommt denn ein neues Stichwort in den Wissensservice?

Es gibt zwei unterschiedliche Verfahren. Das erste ist anlassgetrieben. Wenn sich in der Öffentlichkeit – das kann auch eine kleinere Fachöffentlichkeit sein – ein Begriff etabliert, dann reagieren wir, und das sehr schnell. Der Begriff „Betreuungsgeld“ etwa kam hinzu, weil in der Politik darüber diskutiert und in den Medien darüber berichtet wurde. Das zweite Verfahren ist ein systematisches: Unsere Experten sichten regelmäßig alle Fachbereiche und schauen, ob es einen Aktualisierungsbedarf gibt. Die Fachleute schlagen uns Stichworte vor, und die Redaktion entscheidet dann. So kam zuletzt der Begriff „Mikrotonalität“ ins Lexikon, ein Begriff aus der Musik. Das Portal ist immer in Bewegung und sieht jeden Tag anders aus.

Foto: Brockhaus-Redaktionsleiterin  Ulrike Hönsch
Brockhaus-Redaktionsleiterin
Ulrike Hönsch Foto: Brockhaus

News4teachers.de: Fliegen auch mal Stichworte heraus?

Weniger als aufgenommen werden – der Bestand wächst. Aber hin und wieder müssen überkommene Begriffe schon weichen. So sprechen wir heute nicht mehr von „Taubstummen“, sondern von „Gehörlosen“, denn die Betroffenen sind ja nicht stumm. Auf so etwas müssen wir natürlich reagieren. Ein Lexikon ist weitgehend neutral, aber nicht aus der Zeit gefallen. Wir bereinigen auch schon mal die früher aufgenommenen Personen, Wissenschaftler aus dem 19. Jahrhundert oder Schriftsteller aus den 70-er und 80er-Jahren, die dann doch nicht die Bedeutung erreicht haben, die man ihnen damals zubilligte. Ihre Namen gehen ja nicht verloren, sondern wandern dann in Speziallexika ab.

News4teachers.de: Gab es auch schon mal jemanden, der aufgenommen werden wollte?

Ja, uns haben schon solche Briefe erreicht. Manchmal hatten sie tatsächlich Erfolg.

News4teachers.de: Wie wird man denn Autor für den Brockhaus?

Wir haben neben den Mitgliedern der festen Redaktion eine Autorenliste mit knapp 1000 freien Mitarbeitern, das sind in der Regel Fachjournalisten und Wissenschaftler, darunter viele Professoren. Uns erreichen zahlreiche Bewerbungen, worüber wir uns sehr freuen. Trotzdem sprechen wir auch von uns aus Experten an – etwa die Autoren eines neuen Standardwerkes in einem Fachgebiet.

News4teachers.de: Und wie sorgen sie dafür, dass die Fachleute kein Fachchinesisch schreiben?

Wir machen unseren Autoren deutlich, dass sie nicht ihre eigenen Fachkollegen informieren, sondern interessierte Laien. Die Artikel sollen Einstiegstexte für den fachfremden Leser sein. Manchmal kommen wir allerdings an Fachausdrücken nicht vorbei. Das ist zum Beispiel in den Rechtswissenschaften häufig der Fall. Es gibt eine juristische Nomenklatur, die wir nicht ignorieren können, weil wir sonst unkorrekt würden. Das ist dann eine Gratwanderung. Die Fragen stellte Andrej Priboschek

 

*Dr. Ulrike Hönsch, Jahrgang 1963, studierte Germanistik und Hispanistik. Unter anderem arbeitete sie am Freiburger Uni-Projekt „Klassikerwortschatz“ bevor sie 1998 zum Wissenmedia Verlag kam. Dort betreute sie ab 2001 als Fachredakteurin die Bereiche Literatur, Kunst und Musik. Seit 2009 ist sie Redaktionsleiterin.

Der Brockhaus Wissensservice ist ein neues enzyklopädisches Recherche-Portal, das für den allgemeinbildenden Informationsbedarf von Schulen, Universitäten, Bibliotheken, Verwaltungen und Unternehmen entwickelt wurde und von der Brockhaus-Redaktion gepflegt wird. Institutionen können eine Lizenz erwerben, die einem definierten Personenkreis – etwa die Lehrer und Schüler einer Schule – den Zugang erlaubt. Mehr Informationen dazu bekommen Sie hier.

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