Cybermobbing – Wenn sich die Gewalt ins Netz verlagert

1

MAINZ. Im öffentlichen Bewusstsein wird Cybermobbing vielfach noch unterschätzt, auch wenn immer sich immer wieder warnende Stimmen vor dem Trend zum Mobbing im Internet erheben. Mit neuem Aufklärungsmaterial für Schüler will nun die rheinland-pfälzische Landesregierung den Kampf gegen Cybermobbing verstärken.

Cybermobbing gilt im öffentlichen Bewusstsein vielen als noch neuer Trend mit geringen Ausmaßen. Statistiken, wie die JIM-Studie aber zeigen, dass das sich diese Gewaltform seit Jahren etabliert hat. Konstant fühlt sich etwa jeder 6. Befragte Jugendliche selbst betroffen. Andere Studien kommen auf noch höhere Werte: Laut einer Forsa-Umfrage für die Techniker Krankenkasse (TK) ist sogar mehr als ein Drittel der 14- bis 20-Jährigen in Deutschland schon Opfer von Mobbing im Internet geworden. Mindestens jeder Dritte bejaht die Frage „Gibt es jemanden in Deinem Bekanntenkreis, der schon mal im Internet oder übers Handy fertig gemacht wurde?“.

Viele Opfer von Cybermobbing vertrauen sich niemandem an. Foto: Helga Weber / Flickr (CC BY-ND 2.0)
Viele Opfer von Cybermobbing vertrauen sich niemandem an. Foto: Helga Weber / Flickr (CC BY-ND 2.0)

Cybermobbbing kann viele Formen annehmen. Der systematische Ausschluss von bestimmten Gruppen in sozialen Netzwerken st dabei eine der verbreitetsten, wird allerdings nicht von allen Schülern als Mobbing begriffen. Aber auch aktiv werden Gerüchte und Lügen im virtuellen Bekanntenkreis verbreitet oder Peinlichkeiten wie kompromittierende Bilder online gestellt. Beleidigungen können bis zur Gründung von Hassgruppen gehen.

Die schulische Aufklärungsarbeit ist mit der Entwicklung an vielen Stellen nicht mitgekommen. Die Auseinandersetzung mit dem Thema komme nach Meinung der Lehrergewerkschaften viel zu kurz. Erst im Februar hatte der VBE-Baden-Württemberg eine Klassenlehrerstunde im Kampf gegen Mobbing gefordert.

Dem Problem Cybermobbing sei oft schwer auf dem Grund zu gehen. Oft stoßen Lehrer auf eine Mauer des Schweigens. Häufig kämen nur Hänseleien ans Licht, gerade bei schwerwiegenden Fällen vertrauen sich viele Schüler niemandem an. Auch wenn Schulhofmobbing und Cybermobbing oft Hand in Hand gehen, werde weniger im Unterricht gemobbt, als im Internet. «Die Schüler machen sich da fertig, weil sie sich nicht gegenüberstehen», sagt etwa Micahel Gmolzig vom VBE. Das sogenannte Cybermobbing dabei besonders infam, weil es sich schnell verbreite und die Quelle oft anonym bleibe, wie etwa die Magedburger Schulpsychologin Angelika Weber feststellt. Auch zu Hause hätten gemobbte Schüler keine Ruhe mehr.

Angesichts des Problems will das Land Rheinland-Pfalz nun den Kampf gegen Internet-Mobbing von Schülern verstärken. Gemeinsam mit der Techniker Krankenkasse weitet die rot-grüne Landesregierung ihr Programm für die «mobbingfreie Schule» aus. Die Aktion stellten beide am Freitag in Mainz vor. Die Schüler bekommen neues Unterrichtsmaterial, das der Aufklärung und Vorsorge dienen soll.

Es sei wichtig, so Bildungsministerin Vera Reiß (SPD), «die Schülerinnen und Schüler so früh wie möglich über die Ursachen und Folgen von Cybermobbing aufzuklären und sie zudem für einen fairen Umgang miteinander, ob im Netz oder in der realen Welt, zu sensibilisieren.» Auch Lehrer könnten Opfer werden.

Die TK-Landesleiterin Anneliese Bodemar will nach eigenen Worten eine «Anti-Mobbing-Kultur» etablieren. Die Landesaktion gegen Mobbing in Schulen läuft bereits seit dem Jahr 2010.

Der CDU im Landtag reicht dies noch nicht. Die Abgeordnete Bettina Dickes forderte einen Leitfaden für Schulen, in denen die rechtlichen Möglichkeiten des Intervenierens und der Betreuung der Opfer stünden. Es gebe keine Rechtssicherheit, «wann und unter welchen Umständen die Benutzung von Mobiltelefonen in der Schule reglementiert werden darf».

Systematische Ausgrenzung und Attacken über einen längeren Zeitraum können nach Einschätzung der Landespsychotherapeutenkammer dramatische Folgen für die Gesundheit von Kindern haben. «Nicht selten leiden sie unter psychischen Beschwerden wie Depressionen sowie unter Konzentrations-, Ess-, oder Schlafstörungen», sagte Präsident Alfred Kappauf. Die traumatischen Erfahrungen könnten die psychische und physische Gesundheit bis ins Erwachsenenalter stark belasten. (News4teachers mit Material der dpa)

zum Bericht: Jeder Dritte Nutzer von sozialen Medien fürchtet Cybermobbing
zum Bericht: Lehrer fordern eine Klassenlehrerstunde – für Kampf gegen Mobbing

Anzeige


Info bei neuen Kommentaren
Benachrichtige mich bei

1 Kommentar
Älteste
Neuste Oft bewertet
Inline Feedbacks
View all comments
Günter Steppich
9 Jahre zuvor

Es braucht nur eine handelsübliche Portion Logik, um zu erkennen, dass die oben genannten Zahlen nicht zusammenpassen! Wie kann jede/r Dritte schon selbst Mobbingopfer gewesen sein, wenn gleichzeitig nur jeder Dritte einen solchen Fall in seinem Bekanntenkreis mitbekommen hat? In allen aktuellen Studien, die zu vermeintlich dramatischen Ergebnissen kommen, zeigt ein Blick in die Veröffentlichungen, dass versäumt wurde, Cybermobbing korrekt zu definieren. Wenn man jeden Streit, der sich online abspielt, als Mobbing einordnet, ergeben sich natürlich solche Zahlen. Entscheidende Kriterien für Mobbing sind aber Nachhaltigkeit und Übermacht der Täter. Analysiert man beispielsweise die immer wieder unkritisch zitierten Studien des Bündnis gegen Cybermobbing hinsichtlich dieser Kriterien, kommt man auf seriöse 3,3 %. Das macht auch Sinn, denn ca. 10% aller Menschen waren schon einmal Opfer von Mobbing, und da Cybermobbing kein isoliertes Phänomen, sondern eine Komponente, eine Erweiterung von „analogem“ Mobbing ist, wäre es absurd, wenn mehr Menschen online als offline gemobbt würden. Aktuell setzt sich ca. jeder 3. Mobbingfall online fort, per WhatsApp oder Soziale Netzwerke. Dass den Tätern damit eine extrem schlagkräftige Waffe zur Verfügung steht, ist unstrittig und Cybermobbing kann in kurzer Zeit deutlich gravierenderen Schaden anrichten als Offlinemobbing. Aber die Panikmache, die diesbezüglich betrieben wird, ist absolut nicht gerechtfertigt, und hinter den verfälschten Zahlen lassen sich in manchen Fällen durchaus unlautere Motive vermuten.
http://www.medien-sicher.de/2013/07/schluss-mit-der-cybermobbing-hysterie/