Große Koalition für bessere Computer-Bildung in den Schulen – Appell an die Länder

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BERLIN. Die Computer-Fähigkeiten deutscher Schüler sind im internationalen Maßstab nur mittelmäßig. Union und SPD im Bundestag wenden sich nun an die Länder mit dem Appell, «digitale Bildung» aufzuwerten. Denn der Regierung sind im Schulbereich weitgehend die Hände gebunden. Unterstützung gab’s aus der Wissenschaft und vom VBE. Nachdenkliche Töne kamen vom Deutschen Lehrerverband.

Der Bundestag will die digitale Bildung in Deutschlands Schulen voranbringen. Foto: Times / Wikimedia Commons (CC BY-SA 3.0)
Der Bundestag will die digitale Bildung in Deutschlands Schulen voranbringen. Foto: Times / Wikimedia Commons (CC BY-SA 3.0)

Die große Koalition will für mehr digitale Kompetenz der Schüler Bundesländer und Kultusminister in die Pflicht nehmen. Ein entsprechender Antrag der Fraktionen von Union und SPD wurde am Donnerstag in den Bundestag eingebracht. Das Ziel seien bessere Fähigkeiten der Schüler im Umgang mit Computer und Internet. Weil der Bund wegen der Kulturhoheit der Länder und des Kooperationsverbots im Schulbereich nur begrenzte Möglichkeiten hat, regen die Fraktionen den Abschluss eines Länderstaatsvertrags an.

CDU/CSU und SPD fordern die schwarz-rote Bundesregierung in ihrem Antrag auf, sich bei der gemeinsamen Entwicklung und Umsetzung der Strategie «Digitales Lernen» bei Ländern und Kultusministerkonferenz (KMK) dafür einzusetzen, dass diese «mehrere Maßnahmen verbindlich vereinbaren». So soll die technische Infrastruktur in frühkindlichen, schulischen sowie aus- und weiterbildenden Bildungseinrichtungen verbessert werden. «Laptop und Beamer machen noch keinen guten Unterricht», sagte der SPD-Fachpolitiker Oliver Kaczmarek.

Ein pädagogisch sinnvoller Einsatz digitaler Medien solle in den Lernprozess aufgenommen oder ausgebaut werden, so die Koalition. An deutschen Schulen finde «Computereinsatz viel zu selten und wenig fächerübergreifend statt», sagte der Unions-Bildungsexperte Sven Volmering (CDU) in der Bundestagsdebatte. Digitale Medienkompetenz soll schon in den Studiengangs- und Ausbildungs-Lehrplänen sowie Prüfungsordnungen von Lehrern ausreichend vermittelt werden, verlangen Union und SPD. Gefordert werden auch ein Breitbandanschluss für alle Schulen und ein «Pakt für digitale Bildung», um Aktivitäten von Staat, Wirtschaft und Gesellschaft zu bündeln.

Der von den Fraktionen angeregte Länderstaatsvertrag soll «die Förderung eines zeitgemäßen und altersgerechten Informatikunterrichts ab der Grundschule», bessere Aus- und Fortbildung der Lehrer sowie die Entwicklung bundeseinheitlicher Mindeststandards für digitale Informations- und Medienkompetenz zum Ziel haben. Union und SPD verwiesen auf die Ende 2014 vorgelegte ICIL-Studie, die die Computer-Kompetenzen von 12- bis 13-Jährigen in 24 Staaten verglichen hatte – deutsche Achtklässler waren international nur mittelmäßig.

„Dass die Befunde und die Empfehlungen aus der Wissenschaft so unmittelbar nach der Veröffentlichung der Studienergebnisse nun auch bildungspolitisch aufgegriffen werden, weist auf die Dringlichkeit und den Handlungsbedarf hin, das deutsche Bildungssystem wieder an internationale Entwicklung anschlussfähig zu gestalten“, erklärte Prof. Birgit Eickelmann (Uni Paderborn), neben Prof. Wilfried Bos (TU Dortmund) Studienleiterin der ICIL-Studie. Die Verbesserung der technischen Infrastruktur für Schulen, Maßnahmen der Qualitätssicherung sowie die Entwicklung der Lehreraus- und -fortbildung auch unter Einbezug neuer verpflichtender Elemente seien, so Eickelmann, wichtige Schritte, die eine nachhaltige Verankerung digitaler Bildung ermöglichen.

Auch andere, ebenfalls im Antrag festgehaltenen Maßnahmen zur Einführung von Bildungsstandards,  zur Festschreibung digitaler Kompetenzen in Curricula und Bildungspläne aller Schulstufen griffen die Handlungsempfehlungen aus der Wissenschaft auf der Grundlage der ICIL-Studie  auf. „Erfolgversprechend“, so nannte Eickelmann den Ansatz, einen Länderstaatsvertrag anzustreben.

Nicht zu vergessen sei aber, so Eickelmann, dass die geplanten Maßnahmen auch forschend begleitet werden müssten – um am Ende sagen zu können, was „guter“ digitaler Unterricht ist. Die Wissenschaftlerin: „Nur wenn durch Forschung ermöglicht wird, zukünftig gezielter Lehrerbildung in allen Unterrichtsfächern zu entwickeln und evidenzbasierte bildungspolitische Entscheidungen zu treffen, können die im Antrag festgehaltenen Zielperspektiven langfristig  erreicht werden.“

„Schulen in Deutschland wird bisher von den Ländern und den Schulträgern eine zeitgemäße IT-Ausstattung verweigert. Der VBE begrüßt daher grundsätzlich die Initiative der Bundestagsfraktionen von CDU/CSU und SPD, sich für die Förderung der digitalen Bildung an den Schulen und gegen digitale Spaltung einzusetzen“, betonte VBE-Vorsitzender Udo Beckmann. „Das digitale Feld muss in Kooperation von Bund und Ländern beackert werden. Der Vorschlag der Fraktionen, einen Länderstaatsvertrag anzustreben, kann in Zeiten des Kooperationsverbots für den Schulbereich ein möglicher Weg sein.“ Unter den Lehrern selbst bestehe längst große Aufgeschlossenheit. „Der VBE hält allerdings nichts von Appellen, per Sponsoring die Schulen mit IT auszustatten“, unterstreicht Beckmann. „Wir haben die Sorge, dass insbesondere Schulen in sozialen Brennpunkten abgekoppelt werden.“

Der Präsident des Deutschen Lehrerverbandes (DL), Josef Kraus, warnte hingegen davor, in der Digitalisierung von Schule ein pädagogisches Allheilmittel zu sehen – im Gegenteil, es gebe Risiken. Kraus: „Schule muss die jungen Leute von der Vorstellung abhalten, mit Hilfe moderner Medien könne man sich mühelos und punktuell die gerade gebrauchten Informationen einholen. Eine solche Vorstellung verführt die jungen Leute zu Flüchtigkeit, sie provoziert Häppchenbildung und leistet einem undifferenzierten Umgang mit Sprache Vorschub. Ein so genanntes Down-load- oder Just-in-time-Wissen bringt wenig. Bildung braucht Konzentration, Ausdauer, Geduld und Ganzheitlichkeit.“

Sinnvolle Medienbildung, so Kraus, baue auf einer intensiven Förderung des Lesens auf. Dafür braucht man zunächst vor allem Printmedien. Denn wer sich in einem Buch, in einem Lexikon oder in einer Bibliothek nicht auskenne, der komme auch mit dem Internet nicht zurecht. Kraus: „Das gilt vor allem für die Grundschule. Ein Informatikunterricht in der Grundschule ist viel zu früh. In den weiterführenden Schulen freilich sollte dieses Fach wenigstens für einzelne Jahrgangsstufen zum Pflichtfach werden.“

Darüber hinaus müssten junge Menschen vor den Gefahren des Missbrauchs digitaler Medien gewarnt werden, ob – es die Preisgabe von persönlichen Daten betreffe, Verschuldung oder Cyber-Mobbing – eingestimmt werden. Doch: Lehrer allein könnten das nicht leisten. Kraus: „Dazu brauchen die Schulen die Unterstützung durch Profis, auch zum Zwecke der Elternbildung.“ News4teachers / mit Material der dpa

Zum Kommentar: “Mittelalterliche” digitale Bildung: Alles halb so schlimm? – Leider doch

 

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