Neue PISA-Auswertung zur digitalen Bildung fördert Binse zutage: Auf die Art des Einsatzes kommt es an

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PARIS. Eine Binsenweisheit: Mehr Zeit am Computer bringt Jugendlichen nicht unbedingt auch mehr Lernkompetenz. Zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle Zusatzauswertung der PISA-Studie von 2012. «Bei der digitalen Bildung geht es um Qualität statt Quantität», sagte Eric Charbonnier von der OECD-Bildungsabteilung zu den am Dienstag veröffentlichten Schulleistungstest-Ergebnissen. Für Deutschland lagen allerdings nur eingeschränkt Daten vor, hieß es vom Berliner OECD-Büro. Der Verband Bildung und Erziehung (VBE) nahm die PISA-Veröffentlichung zum Anlass, einmal mehr einen Länderstaatsvertrag für digitale Bildung in Deutschland zu fordern.

Das Internet alleine macht auch nicht schlau. Illustration: Gerd Altmann / pixelio.de
Das Internet alleine macht auch nicht schlau. Illustration: Gerd Altmann / pixelio.de

PISA ergab: In Deutschland nutzen Schüler aus bessergestellten Schichten das Internet mehr zur Informationsbeschaffung als sozial benachteiligte Jugendliche. Dort wiederum dienen Computer dazu, Videos anzuschauen, online zu spielen oder zu chatten. Statistisch müssen sich 4,2 Schüler in Deutschland einen Rechner teilen. Damit liegt das Land auf Platz 28 unter den 34 OECD-Ländern.

Die weiteren Daten für Deutschland basieren laut OECD auf nationalen Erhebungen nur zu digitaler Lesekompetenz und computer-basierten mathematischen Fähigkeiten. Die für andere Länder weitergehende Studie umfasst auch Rechercheverhalten der 15-Jährigen im Netz. Spitzenwerte bei digitaler Lesekompetenz und Rechercheverhalten im Netz erzielten Länder wie Singapur, Korea, Japan, Kanada, USA und Australien. Zu den Schlusslichtern gehören Spanien, Russland, Brasilien und Kolumbien. Aussagekräftiger für Deutschland ist die Ende vergangenen Jahres veröffentlichte ICIL-Studie, die für Deutschland nur mittelmäßige Schülerleistungen ergeben hatte – auf dem Niveau von Russland. Besonders alarmierend: Nirgends sonst wird der Computer im Fachunterricht so selten eingesetzt wie in Deutschland.

Für PISA ließ die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) einmal mehr die Leistungsfähigkeit von 15-jährigen Schülern in 31 Ländern untersuchen. «Digitale Technologien gestalten nur das effizienter, was bereits effizient ist», sagte OECD-Bildungsexperte Charbonnier in Paris. Entscheidend sei, dass die Schüler eine Recherche planten, wichtige von unwichtigen Informationen unterscheiden könnten und die Glaubwürdigkeit einer Quelle einschätzen könnten. Lernerfolg und Nutzungsdauer stehen dabei im umgekehrten Verhältnis zueinander: Je moderater und zielgerichteter die Technologie genutzt wird, desto größer ist der schulische Erfolg. Vorteile digitaler Bildung an Schulen sind laut Studie der spielerische Zugang zu Wissen, die personalisierte Ausbildung und das kooperative Lernen. Der Zugang variiert stark: «Die Lehrer sind nicht vorbereitet, für sie gehören neue Technologien noch nicht zum allgemeinen Schulablauf dazu», so Charbonnier etwa zur Lage in Frankreich.

Im Durchschnitt nutzten die Testpersonen mindestens zwei Stunden täglich das Internet. Wird diese Dauer etwa mit sechs Stunden täglich weit überschritten, zieht das laut OECD schulische Misserfolge nach sich. Grundlage für die erste PISA-Studie zur digitalen Kompetenz waren bereits 2012 erhobene Daten. 96 Prozent der befragten Schüler haben danach einen Computer zu Hause, 72 Prozent gebrauchen die Technologie in der Schule.

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Bundesbildungsministerin Johanna Wanka (CDU) sagte am Dienstag zu den Ergebnissen der Studie: «Es kommt ganz entscheidend darauf an, ‎dass die Lehrerinnen und Lehrer in der Lage sind, moderne Lehrmethoden im Unterricht richtig ‎einzusetzen. Weil hier der Schlüssel zu erfolgreichem Lernen liegt, unterstützen wir die Länder bei der ‎Ausbildung der Lehrer.» Wanka verwies auf eine 2015 ‎gestartete «Qualitätsoffensive»: In den vom Bund mit rund 500 Millionen Euro ‎geförderten Projekten sollen Lehramtsstudenten besser ausgebildet werden, dabei werden neue ‎Medien ins Lehramtsstudium eingebunden.

„Die OECD wartet insbesondere für Deutschland mit alten Kamellen auf“, so kommentierte VBE-Vorsitzender Udo Beckmann die aktuellen PISA-Ergebnisse – und verwies auf eine repräsentative Umfrage unter Lehrern, die der VBE unlängst durchführen ließ. Ergebnis, so Beckmann: „Schulen in Deutschland werden von Ländern und Schulträgern mit dem Thema IT überwiegend allein gelassen. Die Ausstattung der Schulen mit Hard- und Software ist immer noch mittelalterlich. Die digitale Schule wird vom Dienstherrn als Privatangelegenheit auf die Lehrer abgeschoben“, kritisierte der VBE-Chef.

Beckmann weiter: „Der von den Regierungsfraktionen angedachte Länderstaatsvertrag zur Förderung digitaler Bildung und der Verhinderung digitaler Spaltung ist still in der Ablage verschwunden. Es ist aber klar, dass das digitale Feld gemeinsam von Bund und Ländern beackert werden muss. Unter den Lehrern selbst besteht längst große Aufgeschlossenheit. Neun von zehn Lehrkräften nutzen digitale Materialien und das Internet im Unterricht. Die Kenntnisse dafür haben sie sich allerdings überwiegend privat angeeignet, denn geeignete Fortbildungsangebote fehlen. Der VBE dringt darauf, in diesem wichtigen Feld endlich umzusteuern.“ News4teachers / mit Material der dpa

Zum Kommentar: „Mittelalterliche“ digitale Bildung: Alles halb so schlimm? – Leider doch

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