7,5 Millionen Funktionale Analphabeten in Deutschland
Analphabetismus ist laut UNESCO auch eine Herausforderung für Industriestaaten. In Deutschland können nach einer aktuellen Studie der Universität Hamburg im Auftrag des Bundesforschungsministeriums („leo. – Level-One-Studie“) etwa 2,3 Millionen Menschen zwar einzelne Wörter lesend verstehen oder schreiben, nicht jedoch ganze Sätze. Damit sind mehr als vier Prozent der erwerbsfähigen Bevölkerung in Deutschland von Analphabetismus im engeren Sinne betroffen. Funktionaler Analphabetismus, bei dem eine Person zwar einzelne Sätze lesen oder schreiben kann, nicht jedoch zusammenhängende – auch kürzere – Texte, betrifft 14 Prozent der erwerbsfähigen Bevölkerung in Deutschland, also rund 7,5 Millionen Menschen. Weitere 13,3 Millionen Erwachsene in Deutschland verfügen über eine lediglich fehlerhafte Schriftsprache. Männer sind der Studie zufolge in Deutschland deutlich häufiger von Analphabetismus betroffen als Frauen: 60 Prozent der funktionalen Analphabeten hierzulande sind Männer, 40 Prozent Frauen. Die Daten der Untersuchung zeigen laut „Focus online“ auch, in welchen Berufen besonders leseschwache Personen häufig vorkommen. So sei jeder vierte Koch, Maler oder Lkw-Fahrer ein funktionaler Analphabet. Unter den Hilfsarbeitern auf dem Bau sei es im Schnitt sogar jeder zweite.
Die Vereinten Nationen haben für den Zeitraum 2003 bis 2012 die Weltdekade der Alphabetisierung ausgerufen. Die von der UNESCO koordinierte Dekade hat das Ziel, die Analphabetenrate bei Erwachsenen bis zum Jahr 2015 um die Hälfte zu reduzieren. Der Welttag der Alphabetisierung ist der 8. September.
„Wir müssen die Öffentlichkeit sensibilisieren“
Die brandenburgische Bildungsministerin Martina Münch (SPD) befand: „Wer selbst einfache Texte nicht verstehen und nicht verfassen kann, ist massiv eingeschränkt in seinem Leben: Er hat geringere Chancen auf dem Arbeitsmarkt, kann nicht umfassend am gesellschaftlichen Leben teilnehmen und hat es schwer, seinen Alltag zu meistern.“ Deshalb sei es besonders wichtig, dass es für solche Menschen Unterstützungsangebote gebe. In etlichen brandenburgischen Städten und Landkreisen gebe es die „Grundbildung für Erwachsene“, ein Kursangebot, im dem auch Lesen und Schreiben vermittelt werde.
„Wir müssen die Öffentlichkeit für das Problem Analphabetismus noch mehr sensibilisieren“, meinte auch der sächsliche Kultusminister Wöller (CDU). „Oberstes Ziel ist es, durch gezielte Lese- und Schreibkurse die Zahl der Analphabeten zu verkleinern und die Lebensqualität der Betroffenen zu erhöhen.“ Nur so hätte jeder wirklich eine Chance auf Teilhabe in der Gesellschaft und im Berufsleben. Hilfe fänden Betroffene beispielsweise in den sächsischen Volkshochschulen, die seit vielen Jahren Kurse für funktionale Analphabeten anböten und so wertvolle Arbeit leisteten.