Diskussion um den Klassiker: Ist Pippi Langstrumpf rassistisch?

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LEIPZIG. Astrid Lindgrens „Pippi Langstrumpf“ enthält rassistische Passagen – meint jedenfalls die Theologin Eske Wollrad. Sie hat damit eine Diskussion um den Kinderbuch-Klassiker eröffnet.

Pippi Langstrumpf hat einen schlechten Einfluss auf Kinder, meint die Theologin Wollrad. Bild: Oetinger-Verlag
Pippi Langstrumpf hat einen schlechten Einfluss auf Kinder, meint die Theologin Eske Wollrad. Bild: Oetinger-Verlag

„Das Gift der frühen Jahre – Rassismus in Kinderbüchern“ hieß ihr Vortrag, zu dem sie von der Leipziger Antidiskriminierungsstelle eingeladen worden war und der im Anschluss für einigen Aufruhr sorgte. Laut dem Online-Dienst „Heise.de“ stört sich Wollrad unter anderem daran, dass Pippi an einer Stelle in der Geschichte sagt, dass es das Lügen in Afrika gelernt habe. Außerdem entspreche die Zusammensetzung der Protagonisten nicht mehr der Wirklichkeit, in der jeder Dritte einen Migrationshintergrund habe.

Dies ist nicht das erste Mal, dass der Kinderbuch-Klassiker in Debatten über politische Korrektheit verwickelt wird. Als Folge davon hatte der Oetinger-Verlag in den Pippi-Geschichten bereits die Wörter „Negerkönig“ durch „Südseekönig“ und „Negerprinzessin“ durch „Taka-Tuka-Prinzessin“ ersetzt. In der ursprünglichen Fassung hieß es: „Bedenkt mal — Negerprinzessin! … Ich werde einen eigenen Neger haben, der mir jeden Morgen den ganzen Körper mit Schuhcreme putzt. Damit ich ebenso schwarz werde wie die anderen Neger.“ In der Ausgabe von 2009 steht zu lesen: „Stellt euch mal vor — Taka-Tuka-Prinzessin! Ich werde mich jeden Morgen mit Schuhcreme blank putzen lassen. Damit ich genauso schwarz werde wie die anderen.“

Neben Astrid Lindgren werden auch andere Autoren der Weltliteratur wie Mark Twain immer wieder Zielscheibe von ‚political correctness‘-Diskussionen. Sein „Huckleberry Finn“ von 1884 galt Puritanern schon zum Zeitpunkt des Erscheinens als unmoralisch, zeigte sich doch der Titelheld wenig wohlerzogen. Anfang dieses Jahres hat der US-Verlag New South „Huckleberry Finn“ neu editiert – und sprachlich entschärft. In der politisch korrekten Version wurden die Worte „nigger“ und „iniun“ (Rothaut) durch „slave“ und „indian“ ersetzt.

Lindgren und Twain untersagten Bearbeitung

Astrid Lindgren wie Mark Twain hatten übrigens zu Lebzeiten eine solche Bearbeitung untersagt. Lindgrens Lebensführung führte jegliche Vorwürfe in diese Richtung auch ins Absurde: Sie setzte sich für die Menschenrechte und für eine gewaltfreie Kindheit ein. 1978 bekam sie den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels.

Twain war laut „Heise.de“ dafür bekannt, sich Mühe mit seinen Texten zu geben, und der Unterschied zwischen dem „richtigen“ und dem „fast richtigen“ Wort sei „really a large matter“. Einem Drucker, der Änderungen in der Interpunktion von „A Connecticut Yankee in King Arthur’s Court“ vorgenommen hatte, verschaffte er einen Platz in der Literaturgeschichte, indem er über ihn schrieb, er habe angeordnet, „ihn zu erschießen, ohne dass er vorher Zeit zum Beten bekommt“, schreibt „Heise.de“. Außerdem gebe es zahlreiche Wissenschaftler, die solch eine „Wohlfühlzensur“ kritisch sähen und darauf verwiesen, dass man die amerikanische Geschichte zwischen 1835 und 1845 dadurch weniger rassistisch erscheinen lasse, als sie tatsächlich gewesen sei.

So sieht es auch Sachsens Ausländerbeauftragter Martin Gillo, der im Anschluss an den Vortrag der Theologin Wollrad gegenüber der „Bild“-Zeitung sagte: „Die Diskussion geht ein bisschen zu weit. Man sollte der Weltliteratur keinen Maulkorb verpassen.“ Man bereite Kinder nicht aufs Leben vor, in dem man ihnen Literatur verbiete. Gillo: „Die Eltern sollten lieber mit ihren Kindern darüber sprechen.“ NINA BRAUN

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