Streit um bayrische Studiengebühren: FDP freut sich über Wahlkampfhilfe

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ROSENHEIM. Die bayerische CSU/FDP-Koalition ist wegen des Streits um die Abschaffung der Studiengebühren zwar in der Krise. Trotzdem sind einige auf dem FDP-Landesparteitag voll des Lobs für CSU-Chef Horst Seehofer.

«Wer hätte gedacht, dass der uns mal so hilft», sagt einer der 400 Delegierten in Rosenheim. Denn für die FDP sind die mehr oder minder versteckten Drohungen aus der CSU, die bayerische Koalition wegen des Streits um die Studiengebühren platzen zu lassen, eine unverhoffte Steilvorlage.

Denn Seehofer hat mit seinem Kurswechsel für eine Abschaffung der Studiengebühren aus FDP-Sicht gleich drei Fehler auf einmal begangen: inhaltlich, strategisch und taktisch. Inhaltlich, weil viele Wähler im bürgerlichen Lager das Prinzip Eigenverantwortung hochhalten. Dass es sozial gerecht sein soll, wenn sich künftige Chefärzte, Oberstudienräte, Manager und Bankdirektoren ohne eigenen Beitrag während des Studiums ihre Hochschul-Ausbildung zum größten Teil von Krankenschwestern, Verkäuferinnen, Handwerksgesellen und anderen Steuerzahlern bezahlen lassen, bezweifeln auch viele in der CSU – bis hin zum CSU-Studentenverband RCDS.

Mindestens ebenso erfreulich für die FDP ist, dass Seehofer bei diesem Thema ganz eindeutig vom Koalitionsvertrag abweicht. Das ist aus FDP-Sicht der strategische Fehler. Denn der CSU-Chef steht nach FDP-Einschätzung mal wieder als Wendehals da, der politische Positionen durch wechselnde Posituren ersetzt. Die FDP droht in diesem Fall lediglich damit, vertragstreu zu sein. «Ich verstehe den Wankelmut unseres Koalitionspartners nicht», sagt Wissenschaftsminister Wolfgang Heubisch (FDP) dazu. Wenn die CSU/FDP-Koalition platzen sollte – dann nur, weil die CSU angesichts des bevorstehenden Volksbegehrens gegen die Studiengebühren vorzeitig klein beigeben wolle. «Wir sind die einzige Partei, die das Volk entscheiden lassen will», sagt Heubisch.

Abgesehen davon hat die FDP nun eine prima Gelegenheit, sich als prinzipienfest zu präsentieren. Die Landesvorsitzende Sabine Leutheusser-Schnarrenberger und ihre Parteifreunde sagen viele schöne Sätze zu dem Thema: «Wir haben den Mut, für unsere Überzeugungen zu streiten.» Wirtschaftsminister Zeil verweist auf Schuldenkrise und abkühlende Konjunktur. In dieser Situation sei das Gerede vom Koalitionsbruch «verantwortungslos», sagt Zeil – ein Satz, der direkt auf den Ministerpräsidenten zielt.

Auch taktisch hat sich Seehofer aus FDP-Sicht in eine Sackgasse geritten. Für den Bruch einer Koalition gibt es in Bayern zwei Möglichkeiten: Entweder Seehofer und die Staatsregierung treten zurück oder der Landtag löst sich selbst auf. Dass Seehofer zuerst zurücktritt, um anschließend wieder als CSU-Spitzenkandidat anzutreten, sei schwer vorstellbar, meinen FDP-Politiker. Und für die Selbstauflösung des Landtags bräuchte Seehofer Schützenhilfe von SPD, Grünen und Freien Wählern – auch keine schöne Situation.

Seehofer selbst habe das inzwischen offenbar erkannt und die Drohung des Koalitionsbruchs wieder relativiert, meint Wirtschaftsstaatssekretärin Katja Hessel (FDP). «Die Studiengebühren in Bayern werden abgeschafft – entweder durch den Landtag oder das Volk», sagte Seehofer der «Bild am Sonntag». Das könnte auch bedeuten, dass Seehofer den Ausgang eines Volksentscheids abwarten will, wenn die FDP nicht klein beigibt.

Seehofer ist aber nicht der einzige Grund für das neue Wohlbefinden der FDP. Auch in den Umfragen geht es leicht aufwärts. Zudem präsentiert sich die bayerische FDP in Rosenheim äußerst diszipliniert. Es gibt serienweise Kampfkandidaturen um die vorderen Listenplätze für die Bundestagswahl – aber keine Schlammschlachten oder persönlichen Attacken. Eigene Fehler und Schwächen oder das sonst übliche Dauergemoser über Parteichef Philipp Rösler sind in Rosenheim kein Thema. So kommt es, dass die FDP zwar einerseits immer noch fast am Abgrund steht – und sich andererseits in Rosenheim so begeistert Mut zuklatscht wie seit Jahren nicht mehr. Carsten Höfer/dpa

(18.11.2012)

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