Föderalismus: Mit dem neuen Schuljahr noch mehr Durcheinander

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BERLIN. Die Schullandschaft in den 16 Ländern ist kaum noch überschaubar. Zum Schuljahr 2012/13 kommen neue Schularten hinzu. Mehr Schüler können zudem wieder nach 13 Schuljahren das Abitur machen.

Zum Schuljahr 2012/13 kommen neue Schularten hinzu. (Foto: Wolfra/Flickr CC BY-NC 2.0)
Zum Schuljahr 2012/13 kommen neue Schularten hinzu. (Foto: Wolfra/Flickr CC BY-NC 2.0)

Im neuen Schuljahr wird die Schullandschaft in Deutschland noch uneinheitlicher. In drei Bundesländern starten in diesen Tagen neue Schularten: in Nordrhein-Westfalen eine Sekundarschule, in Baden-Württemberg und im Saarland Gemeinschaftsschulen. Als erstes Bundesland beginnt NRW auch mit islamischem Religionsunterricht. Außerdem bietet Baden-Württemberg mit dem Schuljahr 2012/13 wieder neunjährige Gymnasien (G9) an, wie eine Umfrage ergab. Die Zahl der Schularten nach der Grundschule variiert in den Bundesländern zwischen zwei und fünf.

In NRW werden in den neuen 42 Sekundarschulen mindestens in den Klassen 5 und 6 alle Kinder gemeinsamen unterrichtet, teilweise länger. Die Sekundarschulen werden in der Regel aus verschiedenen Schulformen zusammengeführt, Haupt- und Realschulen können darin aufgehen. Es gibt keine eigene Oberstufe, Kooperationen mit anderen Schulen ermöglichen aber das Abitur. Daneben gibt es weiterhin 244 Gesamtschulen in NRW. Auf die Sekundarschule hatten sich SPD, CDU und Grüne in einem historischen Schulkonsens verständigt und damit einen jahrzehntelangen Schulkampf im bevölkerungsreichsten Bundesland beendet. Das neue Schuljahr begann dort am 22. August.

Ganztägig gemeinsam lernen bis Klasse zehn heißt es in den 42 Gemeinschaftsschulen in Baden-Württemberg. Gibt es genug Schüler, ist auch eine gymnasiale Oberstufe möglich. Die Einführung der Gemeinschaftsschule im Südwesten war erklärtes Ziel der neuen grün-roten Landesregierung.

Im Saarland können Eltern und Kinder nach der Grundschule nur noch zwischen Gymnasium und Gemeinschaftsschule wählen. An letzterer können sie das Abitur in neun Jahren machen, am Gymnasium weiter in acht Jahren. Im Saarland beruht die Gemeinschaftsschule auf einem Beschluss der CDU/SPD-Koalition.

In Baden-Württemberg und Sachsen-Anhalt fiel zudem erstmals die verbindliche Grundschulempfehlung weg: Die Eltern haben das letzte Wort darüber, welche Schulform ihr Kind besucht. Im Südwesten büßten Haupt-/Werkrealschulen nun massiv Neuanmeldungen ein.

Bayern nimmt erste Korrekturen am achtjährigen Gymnasium (G8) vor und dampft in 11 von 25 Fächern den Stoff ein. Zum Schuljahr 2013/14 ist dann ein freiwilliges neuntes Zusatzjahr am G8 vereinbart. Hessen will eine Wahlfreiheit schaffen, auch wieder G9 anzubieten.

In Brandenburg startet ein Pilotprojekt «Inklusive Grundschule». Es sieht den gemeinsamen Unterricht behinderter und nicht behinderter Kinder an 85 Grundschulen des Landes vor. Mecklenburg-Vorpommern entbindet die Lehrer von der Pflicht, für alle Schüler Förderpläne zu erstellen. Der Landeselternrat protestiert dagegen.

Schulpolitische Ruhe herrscht – teilweise nach heftig umstrittenen Schulreformen – derzeit in Berlin, Bremen, Hamburg und Thüringen. «Jetzt müssen die Reformen wirken und erst einmal in den Schulen ankommen», sagte Berlins Schulsenatorin Sandra Scheeres (SPD) zu der wiederholt kritisierten «Reformwut» in den Schulen. dpa

(25.8.2012)

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Ole Braesig
11 Jahre zuvor

Ich kann nur sagen, dass der Turmbau zu Babel im Vergleich zur Organisation und Führung des Bildungswesens in Deutschland ein Kinderspiel war. Die in Babel hatten wenigstens ein gemeinsames Ziel. Das ist dem Bildungssystem sichtbar abhanden gekommen. Lebenslanges Lernen kann man so nicht organisieren. Hier versagt die verbeamtete Ministerialbürokratie einschließlich Lehrpersonen auf der ganzen Linie. Wir sollten lebenslanges Lernen nicht als Aufgabe, sondern als Ziel formulieren. Beamte haben Aufgaben zu erfüllen. Eine Organisation in einer Industriegesellschaft braucht aber Ziele und Führung. Das ist nur durch eine radikale Änderung des Systems zu erreichen. Viele Eltern und Lehrpersonen haben das begriffen und gründen Privatschulen. Es ist ihnen zu wünschen, dass sie bald eine kritische Masse erreichen, die dem staatlichen Bildungssystem gleichwertig ist. Selbstständige Privatschulen müssen sich deshalb vereinigen -> STIFTUNG SELBSTSTÄNDIGER SCHULEN. Nur so wird es möglich sein die Lehrpersonen wieder zu 100% für Lehrtätigkeit frei zu machen. P.S.: Haben sie schon mal einen Trainer der Bundesliga Eintrittskarten verkaufen sehen. Bei Lehrpersonen ist deutlich mehr Nicht-Lehrtätigkeit der Regelfall.

Reinhard
11 Jahre zuvor

Beklagenswert ist, dass sich die KMK und die darin agierenden Parteien nicht einmal auf Namen für die weitgehend gleichartigen Schulformen einigen können. Realschule plus – Sekundarschule – Mittelschule – Werkrealschule und viele andere klingende Titel sind doch nur marginal unterschiedlich. Hier wird offensichtlich das Markennamen-Brimborium aus der Wirtschaft kopiert; wir Bürger, Schüler, Lehrer können das nur erleiden.