Noch immer gefährlich: Wie „Jud Süß“ auf Schüler wirkt

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NÜRNBERG. In Scharen liefen die Deutschen in den 1940er Jahren ins Kino, um «Jud Süß» zu sehen. Der NS-Propagandafilm funktionierte vor allem deshalb so gut, weil die Zuschauer subtil manipuliert wurden. In Nürnberg haben Schüler viele dieser Mechanismen schnell erkannt.

Logo des Films aus den 40er Jahren. Illustration: Wikimedia Commons
Logo des Films aus den 40er Jahren. Illustration: Wikimedia Commons

Im Nationalsozialismus war «Jud Süß» ein Kassenschlager – etwa 22 Millionen Menschen sahen den Propagandafilm. Auch heute noch, gut 70 Jahre später, lässt er Zuschauer nicht unbeeindruckt. «Das ist schon nahegegangen», berichtet etwa der Zwölftklässler Manuel, nachdem er den Film gemeinsam mit knapp 140 anderen Schülern in Nürnberg gesehen hat. Fast alle Jugendlichen sind anschließend der Meinung, dass der Film auch heute noch seine giftige Wirkung entfaltet und Antisemitismus schürt.

Die drei Klassen der Jahrgangsstufen zehn und zwölf waren extra aus dem Umland nach Nürnberg gefahren, wo «Jud Süß» ebenso wie in bundesweit vier weiteren Städten im Rahmen der Schulkinowochen zu sehen war. Wegen seiner manipulativen Kraft darf der Streifen in Deutschland bis heute nur mit pädagogischer Begleitung gezeigt werden. Die Filmemacher arbeiteten nämlich mit zum Teil subtilen Mechanismen: Von der Musik über die Kameraführung bis zur Handlung.

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In dem Film erschleicht sich der Jude Joseph Süß Oppenheimer in den 1730er Jahren die Gunst des Herzogs Karl Alexander von Württemberg, indem er ihm ein luxuriöses Leben am Hofe finanziert. Im Gegenzug wird er zum Finanzrat ernannt und erhält immer mehr Befugnisse. Dies nutzt er aus, um die Bevölkerung auszupressen und die verfassungsmäßige Macht der Stände zu untergraben. Am Ende hetzt er den Fürsten auf, Krieg gegen sein eigenes Volk zu führen und vergewaltigt die Tochter einer rechtschaffenen Familie. Doch just im entscheidenden Augenblick stirbt der Herzog, und die Bürger machen Oppenheimer den Prozess – er wird hingerichtet.

Auch wenn die Handlung es vermuten lässt: Im Film gibt es keine reine Schwarz-Weiß-Malerei. «Es ist wichtig, dass beide Seiten, sowohl die jüdische als auch die nichtjüdische, mit Vor- und Nachteilen gezeigt werden», erläutert Filmpädagoge Holger Twele. Wären die Juden allzu plump negativ dargestellt worden, hätten sich die Zuschauer der Intention des Films von Veit Harlan verweigert. So jedoch werde ihnen Objektivität vorgegaukelt.

«Der Film hat manipuliert, es gab eine Aufteilung in Gut und Böse. Doch das fällt einem nicht auf, wenn man nicht speziell drauf achtet», sagt auch die Neumarkter Schülerin Rebecca. Ihre Freundin Vanessa findet ebenfalls, dass der Propagandastreifen trotz der inzwischen völlig geänderten Sehgewohnheiten sehr stark auf sie gewirkt habe. «Ohne Vorwissen wäre man da bestimmt noch anfälliger

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