10 Jahre Haft? Lehrerin erfindet Vergewaltigung durch Kollegen

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DARMSTADT. Es ist eine Geschichte voller Tragik und schwerer Vorwürfe, Lügen und purer Verzweiflung: Mit einer erfundenen Vergewaltigung soll eine Lehrerin ihren Kollegen in Südhessen ins Gefängnis gebracht haben, die Haft musste der Mann komplett absitzen. Jetzt sitzt sie vor Gericht.

Kollegen zu Unrecht beschuldigt: Einer Lehrerin, die eine Vergewaltigung in der Schule erfunden haben soll, droht jetzt Gefängnis. Foto: Florentine / pixelio.de
Kollegen zu Unrecht beschuldigt: Einer Lehrerin, die eine Vergewaltigung in der Schule erfunden haben soll, droht jetzt Gefängnis. Foto: Florentine / pixelio.de

Schon damals gab es Zweifel an den Vorwürfen. Nach dem spektakulären Freispruch seines mutmaßlichen Peinigers muss das angebliche Opfer nun für die rechtmäßig erwiesene Lüge gerade stehen. Doch zum Prozessauftakt in Darmstadt hielt die 48-Jährige eisern an den Vorwürfen fest. «Die Tat habe ich sehr präsent im Gedächtnis», sagte Heidi K. unter Tränen vor dem Landgericht. Wegen Freiheitsberaubung drohen ihr bis zu zehn Jahre Haft. Die Lehrerin ist seit 2011 suspendiert, bekommt nur noch 50 Prozent ihres Beamtensoldes.

Die Pädagogin  ist heute 48 Jahre alt und war vor zwölf Jahren eine frischgebackene Kollegin von Horst Arnold an einer südhessischen Gesamtschule. Im Sommer 2001, gerade mal drei Wochen nach ihrem ersten Arbeitstag in der Schule, hatte die aus Nordrhein-Westfalen nach Hessen versetzte Frau behauptet, Arnold habe sie in einem Biologievorbereitungsraum schwer vergewaltigt.

„Im Rückblick ist schwer nachzuvollziehen, wie leichtfertig das Gericht damals mit dem schweren Vorwurf umging. Die Frau hatte zwar in Verhören bei der Polizei angegeben, blaue Flecken, Kratzer und Blutungen zu haben. Doch niemand nahm die angeblichen Verletzungen in Augenschein, es existieren keine Fotos. Der Frau wurde, wie es scheint, einfach geglaubt. Der Prozess gegen Arnold, er dauerte bloß fünf Verhandlungstage“, so kommentiert die „Welt“ den Prozess.

Der spätere Anwalt von Arnold, der ein Wiederaufnahmeverfahren beantragt hatte, sagt: „Dort, in diesem Biologievorbereitungsraum, kann eine Vergewaltigung in der geschilderten Form und mitten in der Pause nie und nimmer stattgefunden haben.“

Die Staatsanwaltschaft ist sich mittlerweile sicher: «Wir gehen davon aus, dass die ganze Geschichte frei erfunden ist.» Die Frau könnte es auf den Posten des Biologielehrers abgesehen haben, wird vermutet. Das hatte auch das Kasseler Landgericht bei seinem Freispruch im Wiederaufnahmeverfahren 2011 so gesehen und die Geschichte als «von vorn bis hinten erfunden» bezeichnet. Die Lehrerin sei in der Lage, «die aberwitzigsten Geschichten zu erfinden». Viele ihrer Erzählungen seien eindeutig widerlegt worden.

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«Wir sind überzeugt, dass das, was sie damals gesagt hat, in vollem Umfang korrekt gewesen ist», widerspricht Verteidiger Torsten Rock. In der Vernehmung durch die Darmstädter Kammer zeigte sich die angeklagte Mandantin allerdings sehr unsicher. Sie erinnerte sich nicht mehr an Details von Vernehmungen, an Gespräche nach der Tat oder Einzelheiten aus ihrer Biografie, die sich nach ihrer Aussage vor allem aus drei gescheiterten Ehen, Umzügen, ungezählten Schulwechseln und Therapien zusammenzusetzen scheint.

An den kommenden sechs Verhandlungstagen dürfte auch der Prozess der Darmstädter Strafkammer eine Rolle spielen, die beim ersten Urteil gegen Horst Arnold die Sache völlig anders sah. In Darmstadt sei dem vermeintlichen Opfer geglaubt worden, obwohl ein «an sich kaum glaubhaftes Geschehen geschildert» wurde, hatte Kassels Vorsitzender Richter Jürgen Dreyer 2011 kritisiert. Auch der damalige Richter muss in den Zeugenstand.

Die besondere Tragik des Falls: Horst Arnold hatte auch nach seiner Verurteilung 2002 zu fünf Jahren Haft stets seine Unschuld beteuert. Nur ein Jahr nach seinem Freispruch 2011 starb der frühere Biologielehrer im Saarland an einem Herzinfarkt – genau an dem Tag, an dem Ermittlungen gegen die jetzt angeklagte Heidi K. abgeschlossen wurden. «Für mich gibt es da einen klaren Zusammenhang zwischen seinem Tod und dem Fall», sagt sein Bruder Steffen Arnold am Rand der Darmstädter Verhandlung. «Er ist an der Geschichte schlicht kaputt gegangen.» News4teachers / mit Material von dpa

(25.4.2013)

Zum Bericht: „Fall von unschuldig verurteiltem Lehrer wird zum Politikum“

 

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pkoop
10 Jahre zuvor

Das Geschehen macht Angst. Das es psychisch gestörte Mitmenschen gibt, die sich für Opfer halten, ist unvermeidlich. Aber das Richter in der Hauptverhandlung den Grundsatz vernachlässigen, gewissenhaft den Sachverhalt aufklären zu müssen und ein Urteil allein auf die penetranten Behauptungen des Nebenklägers stützen, ist beängstigend. Wie konnte das in einem Rechtsstaat passieren? Ja und weiter gefragt, wie kann es sein, dass die Landesverwaltung es zuläßt, dass ein Mitarbeiter, selbst nach erwiesener Unschuld, seine Lebensgrundlage verliert und mit Rehabilitation nicht rechnen konnte. Da sind viele, viele Würdenträger, die sich nach ihrer moralischen Verwantwortung befragen lassen müssen: Frauenbeauftrage, Schulräte, Minister, Landesreferenten, Richter, Staatsanwälte. Eigentlich sollte das Land eine Schule nach dem verstorbenen Opfer benennen. Und die Justitz sollte sich fragen, was aus den rechtsstaatlichen Prinzipien geworden ist.

mehrnachdenken
10 Jahre zuvor

@ pkoop
So sehe ich das auch!
Es gruselt mich bei dem Gedanken, mit welcher menschenverachtenden oder gar kriminellen Energie immer wieder versucht wird, sich eigene Vorteile zu
verschaffen. Es macht mich maßlos wütend und unendlich traurig, wenn ich sehe, welches Unrecht diesem Lehrer widerfahren ist, und die Schulbehörde ihm nach dem Freispruch keinen Neuanfang ermöglichte.
Zudem kann ich es nicht fassen, wie schlampig ein Gericht arbeitete.
Wenn alle Infos über die Frau stimmen (Artikel der örtlichen Zeitungen), stellt sich mir sowieso die Frage, wie sie es in den Schuldienst geschafft hat: drei gescheiterte Ehen, viele Schulwechsel, Klinikaufenhalt und abenteuerlichste Lügenschichten.

klexel
10 Jahre zuvor
Antwortet  mehrnachdenken

„wie sie es in den Schuldienst geschafft hat: drei gescheiterte Ehen, viele Schulwechsel, Klinikaufenhalt und abenteuerlichste Lügenschichten.“ — Gescheiterte Ehen sind kein Hindernis, zumal, wenn man schon verbeamtet ist. (Ich weiß nicht, ob sie es schon war, gehe aber mal davon aus). Viele Schulwechsel gibt es häufig, besonders bei „etwas besonderen“ Lehrern. Sowas nennt man Wanderpokal. Eine aufnehmende Schule kann sich da kaum wehren und muss eine solche Lehrkraft aufnehmen. Ein Klinikaufenthalt ist erst recht kein Hindernis. Das gibts massenweise. Und die Lügengeschichten?? Na ja, irgendwie wird sie sich da schon durchgemogelt haben. Wenn man einmal verbeamtet ist, hat man (leider) ziemlich viele Freibriefe. Von daher stellt sich diese Frage überhaupt nicht.