Uni-Vizepräsidentin: Plagiate setzen in den ersten Semestern ein

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MAINZ. Von Karl-Theodor zu Guttenberg bis zu Marc Jan Eumann: Die Fälle in denen sich prominente Politiker mit Plagiatsvorwürfen in ihren Doktorarbeiten auseinandersetzen müssen haben Aufsehen erregt. Wie steht es aber grundsätzlich um die akademische Integrität? Ein Interview mit der Vizepräsidentin für Studium und Lehre an der Universität Mainz Prof. Mechthild Dreyer.

– Ist die Wissenschaft aufgeschreckt worden durch die Plagiate in Doktorarbeiten prominenter Politiker?

Dreyer: «Das mag vielleicht ein Anlass gewesen sein, aber wir sehen inzwischen, dass das Thema Plagiat keine Frage von Promotionen ist, sondern sehr, sehr früh einsetzt. Nämlich bei Studierenden der ersten Semester, die kein Bewusstsein dafür haben, was geistiges Eigentum ist. Von daher haben wir als Universität ein Interesse, dass die Studierenden vom ersten Semester an mit dem Thema akademische Integrität vertraut gemacht werden. Sich nur auf Promotionen zu konzentrieren, greift zu kurz.»

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„Wer gern schreibt plagiiert auch wenig“. Foto: Jorma Bork / pixelio.de

– Wie hoch ist die Dunkelziffer bei Plagiaten?

Dreyer: «Es gibt Erhebungen, wonach bis zu 30 Prozent aller Studierenden in den ersten Semestern plagiieren. Das ist eine ganze Menge. Deshalb sehen wir auch die Notwendigkeit, vom ersten Studientag an mit der Prävention anzufangen.»

Was kann die Uni denn tun, der erhobene Zeigefinger bei den jungen Studenten reicht da wahrscheinlich nicht, oder?

Dreyer: «Bei der ersten Tagung zu diesem Thema im vergangenen Jahr wurde deutlich, dass Studierende dann plagiieren, wenn sie unter Zeitdruck sind, Schreibschwierigkeiten haben oder wenn sie überhaupt nicht gelernt haben, Hausarbeiten zu schreiben. Wir bieten Schreibkurse besonders für Anfänger an, um Lust am Schreiben zu entwickeln nach dem Motto: „Wer gerne schreibt, der plagiiert auch wenig“. In allen Studiengängen haben wir darauf geachtet, dass bei den Lehr- und Prüfungsformen immer auch Hausarbeiten dabei sind. Das heißt, man sollte sich so früh wie möglich mit dem Thema beschäftigen. Außerdem haben wir solche Veranstaltungen wie die Lange Nacht der Hausarbeiten, wo wir Studenten sehr unkompliziert diese Einstellung vermitteln können.»

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– Was fällt unter den Begriff akademisches Fehlverhalten?

Dreyer: «Fehlverhalten gibt es natürlich in einer Breite. Als Volluniversität, die geistes-, sozial- und naturwissenschaftliche Fächer und zwei künstlerische Hochschulen integriert, sind wir uns bewusst, dass Fehlverhalten je nach Kultur sehr unterschiedlich sein kann. Das kann ein Plagiat sein, das kann Datenmanipulation sein. In den künstlerischen Fächern ist Fehlverhalten sicher noch einmal anders zu werten.»

– Wie kann systematisch Fehlverhalten erfasst werden?

Dreyer: «Wir haben derzeit ein Pilotprojekt, bei dem wir unter anderem verschiedene Plagiats-Software-Programme prüfen. Zum einen wollen wir feststellen: Wie gut ist eine Software? Wir wollen aber auch testen, wie es ist, wenn Studierende wissen, dass ihre Arbeit durch solch eine Software geprüft wird, ob sie das vom Plagiieren abhält oder nicht.»

– Was für Sanktionen drohen bei Täuschungsversuchen?

Dreyer: «Wenn ein Plagiat entdeckt wird, dann ist zunächst einmal diese Prüfung nicht bestanden und muss wiederholt werden. Bei schweren Fällen, wenn man beispielsweise in mehreren Seminaren plagiiert hat, muss sich der Exmatrikulationsausschuss damit befassen. Er kann eine befristete Exmatrikulation androhen, das wäre der erste Schritt. Der zweite Schritt wäre, eine befristete Exmatrikulation auszusprechen, die Befristung liegt bei maximal zwei Jahren. Der Leiter des Ausschusses ist ein Richter, damit das auch juristisch sehr präzise ist. Wir hatten aber bislang noch keinen solchen schweren Fall, der im Exmatrikulationsausschuss behandelt werden musste. » (Jan Brinkhus, dpa)

zum Bericht: TU Dortmund will Eumann den Doktortitel aberkennen

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