Neue Bildungsministerin in Schleswig-Holstein setzt auf Konsens und Kontinuität

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KIEL. Ruhe statt Reformeifer. Die neue Ministerin will die Gymnasien nicht antasten. Sie gehören zur Schullandschaft, sagt Britta Ernst. Korrekturbedarf in der Schulpolitik sieht sie nicht. Gräben zu Kritikern will sie schließen, doch Proteste erwartet sie auch.

Weg von der Konfrontation, hin zum Konsens – dieses Leitmotiv hat sich Schleswig-Holsteins neue Bildungsministerin Britta Ernst gegeben. Mit den harten Auseinandersetzungen der letzten vergangenen Jahrzehnte müsse Schluss sein, sagte die SPD-Politikerin am Donnerstag neun Tage nach Amtsantritt. «Ich glaube, dass niemand mehr diese tiefen Gräben und einen solchen Streit im Bildungssystem möchte, sondern die Bevölkerung eine größere Kontinuität wünscht. Dafür stehe ich ausdrücklich.»

Die Nachfolgerin der umstrittenen Waltraud Wende (parteilos) war an ihrer alten Wirkungsstätte Hamburg an der Herstellung des sogenannten Schulfriedens beteiligt. «Mein Wunsch ist es, auch hier den Konsens in den Vordergrund zu stellen», sagte die 53-Jährige. «Man kann sich auch mal streiten, aber die Bildungspolitik braucht in ihren Grundannahmen eine Kontinuität über Wahlperioden hinweg.» Das sei ausdrücklich ein Angebot an Opposition und Verbände, die den Kurs der Koalition aus SPD, Grünen und SSW teil vehement kritisiert haben.

Wohnt in Hamburg - und regiert ab sofort in Kiel: Britta Ernst. Foto: SPD Schleswig-Holstein / flickr (CC BY 2.0)
Wohnt in Hamburg – und regiert ab sofort in Kiel: Britta Ernst. Foto: SPD Schleswig-Holstein / flickr (CC BY 2.0)

Die Gespräche laufen – am Donnerstag trat Ernst beim besonders kritischen Philologenverband auf. Die Vertretung der Gymnasiallehrer hat den Dauerverdacht, letztlich wolle diese Koalition die Gymnasien abschaffen. Ernst stellt sie nicht infrage: «Die Gymnasien gehören zum schleswig-holsteinischen Schulsystem.» Sie sei für ein Schulsystem mit zwei Säulen, Gymnasium und Gemeinschaftsschule. Es sei gut, zwei Wege zum Abitur zu haben. In Schleswig-Holstein kämen noch die beruflichen Gymnasien dazu. «Ich finde es auch gut, dass an der einen Schule Abitur nach acht Jahren gemacht werden kann und an der anderen nach neun.» Dies stoße im Prinzip auf hohe Akzeptanz.

Wie sie künftig die Lehrerbezahlung regeln will, die an Gymnasien und Gemeinschaftsschulen die Schüler zum Abitur führen, weiß Ernst noch nicht. «Das gehört zu den Themen, bei denen ich noch mehr lesen und Gespräche führen muss; da habe ich noch keine abschließende Meinung.» Auch Antworten auf Fragen nach möglichen Einbußen für Lehrer oder Einschränkungen bei Beförderungen bleiben noch aus.

Loyalitätsprobleme bei Verhandlungen über ein neues Gastschulabkommen mit dem von ihrem Mann Olaf Scholz als Bürgermeister regierten Hamburg sieht Ernst nicht. «Daran sind ja zwei Seiten beteiligt und das Ergebnis wird öffentlich; alle können es bewerten», sagte die Ministerin. «Ich vertrete die Interessen Schleswig-Holsteins.» Mit ihrem Mann rede sie zu Hause sehr viel über Politik. «Aber über den internen Bereich der jeweiligen Regierung sprechen wir nicht.»

In Kiel fühlt sich Ernst von Kabinett, Koalitionsfraktionen und Mitarbeitern sehr freundlich empfangen. Um hier intensiv eine kleine Wohnung zu suchen, fehlte noch die Zeit. Dass man an der Förde prima joggen kann, hat sie bei früheren Gelegenheiten schon ausprobiert. In der Freizeit liest sie gern, hört Musik von Rock/Pop über Jazz bis Hiphop. «Und ich pflege meinen Freundeskreis, das ist mir wichtig.»

Nach den Turbulenzen um Wende gewann Ernst den Eindruck, dass nun alle nach vorne gucken wollen. «Das möchte ich auch», sagte sie. Ihre Leitplanken in der Schulpolitik? «Ich möchte ein leistungsfähiges und gerechtes Schulsystem haben, in dem alle optimal gefördert werden, ihre Stärken entwickeln können und die Schwachen unterstützt werden.»

Korrekturbedarf an der Schulpolitik der Regierung sehe sie nicht, sagte Ernst. «Nach meinem Eindruck hat Schleswig-Holstein immer ein sehr leistungsorientiertes Bildungssystem gehabt.» Wichtig ist ihr die neue Zuständigkeit für Berufsbildung. «Ich möchte genau hinschauen, wie der Übergang zwischen Schule und Beruf funktioniert», sagte Ernst. «Ziel ist, dass alle nach der Schule eine Ausbildung machen können.» Wo das nicht auf Anhieb gelinge, müsse man genauer hingucken. In Gesprächen mit beruflichen Schulen und Wirtschaft will Ernst ausloten, ob die Zusammenarbeit noch besser werden kann.

Beim Reizthema Dorfschulen sieht sie ein Spannungsfeld zwischen einer guten Infrastruktur, in der kurze Beine kurze Wege vorfinden sollen und den Zwängen aus Haushalt und Schuldenbremse. «Ich glaube, es kommt auch darauf an, kreative Lösungen zu finden, um Standorte zu sichern. Wir müssen auf sinkende Schülerzahlen reagieren und brauchen gute Vor-Ort-Kooperationen.» Je besser das gehe, desto mehr Standorte könnten in der Fläche bleiben. «Es nützt aber nichts, einen Standort unbedingt zu erhalten und es funktioniert dann nicht, weil nicht genug Lehrkräfte dort sind.»

Trotz ihrer Konsensbemühungen rechnet Ernst auch mit demonstrierenden Schülern, Protestbriefen von Eltern und Forderungen nach mehr Lehrern. «Das begleitet ein lebendiges Schulsystem, das finde ich nicht außergewöhnlich.» Wolfgang Schmidt

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