BERLIN. Der Doktortitel ist für viele Mediziner so wichtig wie das Stethoskop. Aus Expertensicht sind sie besonders oft dazu verleitet, die Regeln des wissenschaftlichen Arbeitens außer Acht zu lassen.
Mediziner schludern aus Sicht von Plagiatsjäger Gerhard Dannemann bei ihren Doktorarbeiten häufiger als andere Wissenschaftler. «Der Publikationsdruck ist oft extrem hoch», sagte der Berliner Juraprofessor am Montag auf Anfrage. Viele Mediziner seien noch sehr jung und müssten oft auch unter großem Zeitdruck publizieren. Auch die Betreuer machten es ihnen mitunter leicht, unsauber zu arbeiten. Gleichzeitig seien Dissertationen mit Datenanalysen, wie es in der Medizin oft der Fall sei, nur schwer zu überprüfen.
Dannemann und weitere Wissenschaftler dokumentieren ihre Untersuchungen zu Plagiaten in Promotionen auf der Internetseite «VroniPlag Wiki». Aktuell werfen sie der Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (56) Regelverstöße in deren medizinischer Doktorarbeit vor. Der Gründer der Plagiatsplattform, Martin Heidingsfelder, forderte die Aberkennung des Doktortitels. «Sie war extrem faul und hat gnadenlos kopiert», sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Von der Leyen wehrte sich gegen die Kritik. «Den Vorwurf des Plagiats kann ich zurückweisen», sagte die CDU-Vizevorsitzende den Zeitungen der Funke-Mediengruppe (Montag).
«VroniPlag Wiki» spezialisiert sich auf Verstöße gegen Zitierregeln und dokumentiert anderes Fehlverhalten nur, wenn es zufällig aufgedeckt wird, wie etwa Manipulationen von Bildern. Ob Daten gefälscht wurden, sei für Außenstehende kaum zu überprüfen. Zwar müsse die Erhebung dokumentiert werden. «Wenn aber jemand nachts einsam am Mikroskop sitzt, kann man kaum herausfinden, ob da alles genau so untersucht wurde, wie in der Arbeit beschrieben», sagte Dannemann. Vor allem in älteren Fällen seien die Dokumentationen oft auch nicht mehr auffindbar.
Es passiere auch, dass ganze Forschergruppen dasselbe Datenmaterial für verschiedene Doktorarbeiten nutzten. Da werde oft nicht dokumentiert, welche Rolle die einzelnen Wissenschaftler bei der Erhebung der Daten gespielt haben, sagte Dannemann. «Trotzdem nehmen alle Mitglieder der Gruppe die Daten für sich in Anspruch. Theoretisch könnte einer davon nur mal ein Reagenzglas hochgehalten haben.»
Einfacher sei die Überprüfung von elektronisch veröffentlichten Doktorarbeiten, die auf reinen Texten basierten. Diese Arbeiten ließen sich relativ leicht mit anderen öffentlich zugänglichen Quellen verglichen. Wenn Texte nicht in elektronischer Form vorliegen, sei die Kontrolle «richtig viel Arbeit». «Dann muss jeder genannte Artikel und jedes Buch herausgesucht und mühselig verglichen werden», sagte Dannemann.
In von der Leyens 1990 erschienener Arbeit zur Frauenheilkunde fanden die Plagiatsjäger «zahlreiche wörtliche und sinngemäße Textübernahmen, die nicht als solche kenntlich gemacht sind». Bisher seien auf 27 der 62 Textseiten Plagiatsfundstellen dokumentiert. Die Medizinische Hochschule Hannover überprüft auf Wunsch der Ministerin die Arbeit. Erste interne Ergebnisse werden für die nächsten Tage erwartet.
Die Zahl der Doktorarbeiten ist in den vergangenen Jahren in Deutschland gestiegen. Laut Statistischem Bundesamt gab es im vergangenen Jahr rund 28.000 erfolgreiche Promotionsprüfungen. Vor zehn Jahren waren es noch rund 23.000 erfolgreich abgeschlossene Arbeiten. Mediziner stellen demnach die größte Gruppe der Doktortitel-Träger. 2014 bestanden rund 6300 Humanmediziner die Promotionsprüfung. Durchfaller gibt es kaum. Von Anja Sokolow, dpa
ist das nur ein Gefühl von mir, oder werden schwerpunktsmäßig CDU-Politiker in Plagiatsverdacht genommen? Was kann man daraus folgern?
Es ist wirklich unglaublich, was die Studenten machen. Ich weiß, dass viele Plagiate abgeben, aber wenn es Medizinstudenten machen… sie sind doch für unser Leben verantwortlich. Wenn sie schon auf dieser Etappe faul sind, was werden sie im Beruflleben machen?
Liebe(r) Guzi, viele der so genannten “Dissertationen” vieler Mediziner sind bessere Bachelor-Arbeiten, die während des Studiums parallel zu den regulären Veranstaltungen aus verschiedenen aktuellen Artikeln zusammenkopiert werden, normalerweise auch richtig zitiert. Der wissenschaftliche Gehalt ist überschaubar bis nicht vorhanden. Die Promotion ist aber für Mediziner nahezu verpflichtend, weil in Deutschland die Worte “Doktor” (=Promotion in irgendeinem Fach) und “Arzt” (=Beruf des Mediziners) mehr oder weniger synonym verwendet werden.
Zum Vergleich sind Dissertationen in der Physik 5-jährige Forschungsarbeiten, die der Absolvent mehr oder weniger Vollzeit in einem Labor anfertigt.
Ich kenne auch eine Grundschullehrerin, die für einen Freund eine BWL-Diplomarbeit geschrieben hat 🙂 Note 2
Das bestätigt das gängige Vorurteil, dass BWL jeder kann. Wem in BWL auch noch zuviel Mathe ist, der nimmt einfach Jura, noch so ein Vorurteil …
recte quidem – judex non calculat.
Heherer Grundsatz der juristischen Fakultätsangehörigen.