DÜSSELDORF. Viele Betriebe in Deutschland klagen darüber, keine geeigneten Auszubildenden zu finden. Selber schuld – sagt jemand, der es wissen muss: Axel Haitzer, Experte für Personalmarketing, Bestseller-Autor („Bewerbermagnet“) sowie selbst Unternehmer, hält die Ansprüche der Unternehmen für zu hoch und die Bemühungen um Bewerber oftmals für zu gering. Haitzer gehört zu den über 80 Referenten auf dem Deutschen Ausbildungsleiterkongress (DALK), der am 22. und 23. November in Düsseldorf stattfindet. Wir sprachen mit ihm.
News4teachers: Herr Haitzer, viele Unternehmen in Deutschland beklagen, dass sie keine Auszubildenden finden. Ihr Vortrag heißt: Selber schuld. Warum?
Haitzer: „Tatsache ist, es gibt weniger Schulabgänger und damit auch weniger Bewerber als früher. Viele Personalentscheider beklagen auch eine sinkende Qualität der Bewerbungen. Teilweise sind die Ansprüche der Unternehmen einfach nur zu hoch. Der Status einer Ausbildung hat in der öffentlichen Wahrnehmung einen deutlich niedrigeren Stellenwert als noch vor wenigen Jahren.
In Zeiten sinkender Bewerberzahlen passt ‚Ausbildungsmarketing nach Gutsherrenart‘, also ‚vom hohen Ross herunter‘ nicht mehr in die heutige Zeit. Fast alle Unternehmen glauben noch an die Aussagekraft von Schulnoten, statt auf professionelle Eignungsdiagnostik zu setzen. Und sie jammern sehr schnell ‚Es gibt keine Auszubildenden und keine Fachkräfte‘. Dabei lassen sich sehr große Reservoire für Auszubildende finden. So gibt es in Deutschland über 1,5 Millionen junge Menschen zwischen 18 und 32 Jahren ohne Berufsausbildung. In typischen MINT-Fächern wie Maschinenbau und Informatik liegt der Anteil an Studienabbrechern zwischen 50 und 70 Prozent. Diese jungen Menschen müssen besser in die Ausbildung integriert werden.“
News4teachers: Was genau können Unternehmen tun, um geeignete Bewerber zu finden?
Haitzer: „Bei den Unternehmen hat noch kein Umdenken stattgefunden. Für sie stehen Politiker, Handwerkskammern, IHKs und die Arbeitgeberverbände in der Verantwortung. Was wir brauchen, ist eine Verhaltensveränderung. Beispiel Schlagwort ‚Bewerbung beim Bewerber‘. Unternehmen wissen: Um Kunden zu gewinnen, müssen sie Marketing, Werbung und Verkäufer einsetzen. Kunden sind eine knappe Ressource. Kunden wachsen nicht auf den Bäumen. Noch nie habe ich einen Unternehmer sagen hören ‚Hilfe, wir finden keine Kunden. Wir haben Kundenmangel!‘ Auch Bewerber sind längst eine knappe Ressource. Statt zu handeln, reden sich viele auf den angeblichen Fachkräftemangel heraus und warten auf bessere Zeiten. ‚Fachkräftemangel‘ ist jedoch nichts anderes, als die derzeit gesellschaftlich noch akzeptierte Ausrede von untätigen Personalern.
Viele klagen über fehlende Bewerber um Ausbildungsplätze, halten ihren ‚Job-Shop‘ aber nur ein Vierteljahr offen. Ich nenne Ihnen ein Beispiel: Bei uns hat sich eine Abiturientin (Notendurchschnitt 1,9) im Juli für einen Ausbildungsplatz ab September im gleichen Jahr beworben. Sie wollte ihr schon sicheres Studium nicht antreten und stattdessen erstmal eine Ausbildung machen. Außerhalb der üblichen saisonalen Bewerbungsfrist hat sie über 50 Bewerbungen geschrieben und wurde nur zu zwei Gesprächen eingeladen. Unglaublich, aber wahr! Hätte diese Bewerberin auf die nächste Bewerberrunde gewartet, hätte ihr Lebenslauf einen für viele Personaler nicht akzeptablen Makel, nämlich eine Lücke. Es ist schon ein Irrsinn, den Bewerber da draußen erleben.
In einer Studie haben wir ermittelt, dass Azubis nach ihrer Bewerbung im Durchschnitt 3,7 Monate bis zur endgültigen Zu- oder Absage warten. In dieser Zeit könnte die Apollo 11 fast 17 Mal zum Mond und wieder zurückfliegen. Wertschätzung gegenüber Bewerbern sieht anders aus. Professionelle Bewerbungsprozesse übrigens auch.“
News4teachers: Was sind aus Ihrer Sicht die größten Fehler von Unternehmen?
Haitzer: „Auf Seiten der Unternehmen wird viel zu sehr auf die Noten geschaut. Das wird den jungen Menschen nicht gerecht. Mich interessiert die Motivation! Wir schauen gezielt nach ‚vermeintlichen Katastrophen‘, Bewerbern mit Dreier- oder Vierer-Durchschnitt oder mit Lücken in ihren Lebensläufen, abgebrochenen Ausbildungen oder Migrationshintergrund. Oder gleich mit allem zusammen. Wir schauen nicht so sehr darauf, was ein Bewerber bisher gemacht hat, sondern darauf, was er erreichen kann, wenn wir ihm die Chance dazu geben. Die meisten unserer Azubis schließen ihre Ausbildung mit einer Eins vor dem Komma ab.
Es geht um den Dialog auf Augenhöhe, also um spürbare Wertschätzung. Oft sind es Kleinigkeiten, die den Unterscheid ausmachen. Senden Sie Bewerbern vor einem Bewerbungsgespräch bespielweise eine SMS: ‚Liebe Frau Muster, wir freuen uns, Sie heute persönlich kennenzulernen. Bis später!‘ Erfahrungsgemäß haben solche Gesten eine große Wirkung.“
News4teachers: Was zeichnet einen attraktiven Arbeitgeber aus?
Haitzer: „Ein attraktiver Arbeitgeber ist wertschätzend. Die Personalentscheider wissen genau, was das Unternehmen als Ausbildungsbetrieb auszeichnet. Die Recruiter kennen die Wege, wie sie Talente abseits von Noten identifizieren. Professionelle Eignungsdiagnostik hilft dabei, die jungen Menschen in für sie passende Ausbildungen zu bringen. Oft wissen die Bewerber nicht, wo ihre Talente liegen und welcher Beruf zu den eigenen Stärken passt. Ich möchte den Unternehmen vermitteln: Ihr alleine seid verantwortlich, die passenden Azubis zu finden – ihr müsst aktiv werden!
Ich habe übrigens noch keinen Ausbildungsbetrieb gesehen, der trotz professioneller und ernsthafter Suche keine qualifizierten und motivierten Azubis gefunden hat. Jeder, der einstellen will, findet passende Talente. Garantiert!“
Axel Haitzer referiert am Mittwoch, 23. November 2016, von 9 bis 10:15 Uhr auf dem Deutschen Ausbildungsleiterkongress.
1. Die Wirtschaft (wer auch immer das sein mag) forderte lange Zeit immer mehr Abiturienten.
2. Die Wirtschaft aus 1. hat jetzt seine mehr Abiturienten.
3. Dilemma: Die Abiturienten strömen an die Universitäten und “die anderen” entsprechen nicht mehr den Anforderungen, die die Wirtschaft früher an die nicht-Abiturienten stellen konnte.
4. Ein Marketingtyp empfiehlt den Unternehmen die Ansprüche zu senken nach dem Prinzip “Er/Sie hat zwar miese Noten in Deutsch / Mathe und Englisch, soll anschließend aber mit einem englischsprachigen Zulieferer um den Preis verhandeln.”
Wo ist mein Denkfehler? Die Wirtschaft und der Marketingtyp machen ja immer alles richtig, weil die Bildungspolitik die ganzen Forderungen umgesetzt hat. Die Politik entscheidet sich ja immer für die beste Lösung und macht folglich auch keine Fehler.
Vereinfacht gesagt ist Haitzers Meinung: die Unternehmen müssen halt nehmen, was da ist. Vergleiche mit früher bringen nichts, weil die Absolventen einfach nicht mehr so gut sind.
Eben erst nehme ich wahr: Herr Haitzer ist Experte – für Personal-Marketing! also nicht unbedingt für Fachkenntnisse von Azubis …
Richtig. Personalmarketing packe ich in eine Schublade wie Unternehmensberater, die — sehr frei nach Volker Pispers — einen Anzug anziehen können, Flipcharts mit nichtssagenden Floskeln beschmutzen und dafür einen exorbitant hohen Stundensatz berechnen.
So lassen Sie sich öffentlich über andere Berufsgruppen aus – und erwarten aber umgekehrt Respekt gegenüber Lehrern?
Das stimmt! Mein Schwager ist Unternehmensberater und sog. Freelancer. Er verdient gutes Geld, obwohl die Zeiten auch schon besser waren.
Um die vielen Stunden, die er arbeitet, ständig unterwegs und von zu Hause fort ist (einschl. Ausland), und die ungeregelten Arbeitszeiten beneidet ihn niemand aus der Familie.
Dass er dieses hektische Berufsleben bis zur gesetzlichen Altersgrenze durchhält, glaubt er selbst nicht.
Ich denke auch, dass Lehrer, die bekannt dafür sind, dass sie sich mehr Anerkennung und Respekt für ihren Beruf wünschen, gut beraten sind, sich über andere nicht zu mokieren.
Aus dem Wikipedia-Artikel über Unternehmensberater:
Die Hauptkritikpunkte an der Tätigkeit von Unternehmensberatern sind:
Fragwürdige Konzepte oder Standardrezepte
Überteuerte Honorarmodelle
Haltlose Versprechen
Fixierung auf Folgeaufträge
Erzeugung von Abhängigkeiten
Ausbeutung von Wissen
Qualität der Beraterprodukte lässt sich schwer überprüfen
Alibiverschaffung für unliebsame Management-Entscheidungen.
Den Unternehmensberatungen geht es aber heutzutage nicht mehr ganz so prächtig wie noch vor einigen Jahren. Übrigens hat der gute Volker Pispers auch ganz ordentlich über Lehrer abgelästert.
Naja, Wikipedia ist jetzt nicht der Brockhaus. Allgemein und unspezifiziert Kritik an einem ganzen Berufsstand zu veröffentlichen (wer hat wann was “haltlos versprochen”?) ist – ehrlich gesagt – unter aller Kanone. Gibt’s eigentlich auch eine Wikipedia-Seite mit den derbsten Beleidungen gegen Lehrkräfte? Oder mit den dusseligsten Beamtenpannen? Könnt’ ja auch mal jemand dort einstellen.
Ich kann auch seriöser, wobei der erste Link die Quelle für wikipedia ist:
http://www.managerseminare.de/ms_Artikel/Unternehmensberater-in-der-Krise-Retter-oder-Rattenfaenger,154138
http://www.berliner-zeitung.de/ruecksichtslos–ahnungslos-und-gierig—unternehmensberater-muessen-viel-kritik-einstecken-magier-der-kostensenkung-15684902
http://www.spiegel.de/karriere/einsteiger-und-aussteiger-in-der-unternehmensberatung-a-821651.html
http://www.zeit.de/2012/14/C-Unternehmensberater/komplettansicht
@xxx
Sie schreiben doch sonst ganz vernünftige Kommentare, weshalb Ihre Sturheit mich jetzt etwas überrascht.
Es geht doch nur um die Frage, ob es in Ordnung ist, wenn Sie als Lehrer, der selbst mit einem uneinheitlichen und oft mit Häme übergossenen Berufsbild zu kämpfen hat, sich über den Beruf des Unternehmensberaters lustig machen und ihn im fragwürdigen Sinne von Volker Pispers Meinung darstellen.
Es ist doch klar, dass es solche und solche Unternehmensberater gibt und solche und solche Lehrer. Auf nichts anderes weist Sie Ihr Meinungskontrahent hin und kritisiert Ihr grundsätzliches und verallgemeinerndes Veralbern und Schlechtmachen dieses Berufs.
Er hätte mühelos auch zahlreiche Belustigungs- und Negativartikel über Lehrer finden und deren Links angeben können, tut es aber nicht, weil es eben um eine andere Frage geht.
nein, ich wollte keine allgemeine Berufsschelte anfangen. Aber wir sind alle Spezialisten in einem bestimmten Bereich, in anderen Bereichen sind wir Laien, und ich wollte auf die Qualifikation von Haitzer hinweisen. Was weiß ein Personalmarketer über gute und schlechte Schüler?
Ulkig. Im zweiten Beitrag (zehn Jahre alt) mokiert sich ein gewisser Christian Wulff über die enge Verflechtung von Politik und (Beratungs-)Wirtschaft. Der Mann weiß natürlich Bescheid. Seriöse Quelle? Na ja.
Ich könnte hier sicher Dutzende Bücher der Gattung “Mein Lehrer, der Vollpfosten” auflisten – und vermutlich hätte der Autor sogar recht. Gibt wirklich doofe Lehrer. Wie es eben auch doofe Unternehmensberater gibt. Gibt aber auch gute. Wie es sicher auch gute Lehrer gibt. Soll heißen: Wer von anderen Respekt erwartet, sollte selbst auch Respekt zeigen.
Dann muss die Wirtschaft die SchülerInnen halt dort abholen wo sie sind.
Wenn aber statt “der Wirtschaft” ein Meister der Chef ist, der wöchentlich 60 Stunden arbeitet, nicht Sozialarbeit studiert hat und es leid ist, 18jährigen Rechnen und Schreiben, gutes Benehmen und Durchhalten bei schwierigen Arbeiten beizubringen, was muss der dann machen?