Homogen oder heterogen: Welche Kitagruppe ist die beste fürs Kind?

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WÜRZBURG. Erst Krippe oder gleich Kindergarten? Bei der Altersmischung der Gruppen gibt es in deutschen Kitas unterschiedliche Konzepte. Der verbreitete Klassiker bietet aus Sicht von Experten einige Vorteile. Mit größerer Altersspanne steigen dagegen die Herausforderungen.

Bei der Auswahl des passenden Kindergartens für ihre Kleinen grübeln Eltern über eine Menge von Fragen: Passt das pädagogische Konzept? Überzeugt das Essensangebot? Machen die Räumlichkeiten einen guten Eindruck? Ist das Personal nett, und wirkt es kompetent? Das sind wichtige, zentrale Kriterien – etwas seltener fragen sie sich: Wie sollte die Altersmischung in der Gruppe sein? Das meint zumindest Martin Textor, Pädagoge aus Würzburg. Für die meisten Eltern spiele das keine große Rolle, sagt er. Dabei ist die Altersmischung in ihrer Bedeutung nicht zu unterschätzen.

Es gibt zwei Pole und einige Abstufungen dazwischen. Der eine Pol ist die klassische Trennung zwischen Kinderkrippe und Kindergarten: Bis drei Jahre Krippe, ab drei Jahren dann zu den Größeren. Gerade in Ostdeutschland ist das verbreitet. Mehr als die Hälfte (52,9 Prozent) der unter Dreijährigen waren im Frühjahr 2016 im Osten in Krippen. Dies zeigen Zahlen der Bertelsmann-Stiftung. Im Westen betrug deren Anteil rund 38 Prozent. Dort sind andere Gruppentypen mehr verbreitet – etwa solche, die Kinder unter vier Jahren zusammenfassen.

Der andere Pol ist die altersübergreifende Gruppe. Sie versammelt Kinder von ganz klein bis zum Schuleintritt. Gut jedes zehnte Kind unter drei Jahren (11,1 Prozent) ist der Statistik zufolge in einer solchen Gruppe. Bei den Kindern ab drei Jahren, deren Zahlen die Bertelsmann-Stiftung separat erhebt, ist der Anteil ähnlich groß (8,7 Prozent). Der große Teil der Kinder ab drei Jahren besucht aber eine Kindergartengruppe: bundesweit rund 57 Prozent, wobei sich Ost und West hier etwa die Waage halten.

Soweit also die Zahlen. Sie zeigen: Die Kindertagesstätten in Deutschland tendieren eher zu altershomogeneren Gruppen. Das heißt, dass die Altersspanne innerhalb der Gruppe nicht allzu groß ist. In Krippen liegt sie zwischen einigen Monaten und rund drei Jahren. Im Kindergarten zwischen drei und sechs Jahren.

Vorteile bei altershomogenen Gruppen

Psychologin Monika Wertfein sieht viele Vorteile bei altershomogenen Gruppen – speziell für jüngere Kinder. Es sei in so einer Zusammensetzung und vor allem in kleineren Gruppen einfacher, dem einzelnen Kind pädagogisch und fürsorglich gerecht zu werden. «Kleinere Kinder brauchen oft rascher Hilfe, und sie benötigen mehr Zuwendung», erklärt die Expertin vom Staatsinstitut für Frühpädagogik in München.

Die Bildungsangebote in altershomogenen Gruppen seien präziser auf die Bedürfnisse der Kinder abzustimmen, sagt Martin Textor. Denn sind die Kinder in einem ähnlichen Alter, liegen sie in ihren Interessen und kognitiven Fähigkeiten nicht so weit auseinander. Dazu kommt, dass Mädchen und Jungen im freien Spiel oft lieber mit Gleichaltrigen agieren. «Dass ein fünfjähriges Kind von alleine mit einem einjährigen Kind spielt, ist eine große Ausnahme.»

Was spricht für eine Altersmischung? Eine Auswahl: Es gibt keinen Wechsel in der Kita-Zeit. Geschwister können in derselben Gruppe sein, bis eines in die Schule kommt. Freundschaften wachsen über Jahre. Ältere Kinder können Vorbilder für Jüngere sein.

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Viele dieser Argumente für die altersübergreifende Gruppe lassen sich jedoch auch umgekehrt auslegen – zum Beispiel dieser Vorteil: «Die Jüngeren können von den Älteren lernen». Hierfür lautet die Umkehrung: Es gibt eher Streit, weil sich die Älteren oft von den Jüngeren gestört fühlen. So zerstören die Kleinen zum Beispiel Bauwerke und Bastelarbeiten der Großen, ohne böse Absicht, wie Martin Textor erklärt. Für die Großen ist das trotzdem schwer zu ertragen.

Dennoch: Altersheterogene Gruppen können funktionieren. Von den pädagogischen Fachkräften erfordert das viel Reflexion und Planung, erklärt Wertfein. Sie hält fest: «Es ist die schwierigste Variante.» Ganz entscheidend ist, dass das Kita-Team hinter der gewählten Form steht und deren Nachteile auszugleichen versucht.

Unterschiedlichen Bedürfnissen gerecht werden

Um den sehr unterschiedlichen Bedürfnissen gerecht zu werden, tendieren altersübergreifende Einrichtungen zur Gruppenöffnung. Bedeutet: Alle Kinder nutzen die gesamte Kita. Wichtig sei in dem Fall, dass es verschiedene Räume gibt, in denen sich die Kinder je nach Alter und Interessen entfalten können, sagt Textor. Einen Raum fürs Werken etwa, einen Turnraum, ein Atelier. Außerdem sollten die Erzieher darauf achten, dass die Kinder längere Zeit in dem gewählten Raum sind. «Dann können sie sich auf eine Aktivität konzentrieren.»

Kleine Kinder kann so eine Auswahl an Möglichkeiten aber auch überfordern. Deshalb brauchen solche Gruppen pädagogische Fachkräfte, die mit Krippenkindern Erfahrung haben, sagt Wertfein. Sie sind Bezugspersonen, die die Kleinen an die Hand nehmen, wenn es nötig ist.

Worauf Eltern außerdem achten können, wenn sie sich für eine altersgemischte Betreuung interessieren: Wird da gewickelt, und gibt es Ruhebereiche? Gerade kleinere Kinder sind Wertfein zufolge häufig noch nicht trocken und können schneller müde sein als größere Kinder. Wenn sie erschöpft sind, sollten sie auch schlafen können – und auf keinen Fall wachgehalten werden, bis für alle Mittagsschlafzeit ist.

Je jünger Kinder sind, desto eher brauchen sie laut Wertfein vorhersehbare Abläufe und Räumlichkeiten. Sind idealerweise jeden Morgen die gleichen Erzieher da? Begrüßt man sich morgens immer im gleichen Raum? Trifft man dieselben Kinder? Hier haben kleine, altershomogene Gruppen natürlich ihre Vorteile, weil Kontinuität dort leichter umzusetzen ist. Doch auch in altersübergreifenden Gruppen kann das klappen, erfordert jedoch mehr Aufmerksamkeit von den Fachkräften und den Eltern.

Oft sind Kinderkrippe und Kindergarten in einer Einrichtung zu finden. Sind die Kleinen alt genug, wechseln sie zu den Großen. Die Einrichtungen können ihre Gruppen auch mal zeitweise zusammenführen – etwa bei schönem Wetter im Garten der Einrichtung. «Es ist sicher gut und sinnvoll, wenn die jüngeren Kinder mal auf die Älteren treffen», sagt Wertfein. Das kann bei den Kleinen Entwicklungen anstoßen. dpa

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OMG
6 Jahre zuvor

Mich würde ja freuen, wenn wir als Eltern die Wahl hätten. Aber in der nordhessischen Kita-Diaspora bekommt man ja noch nicht mals einen Platz für das Kind. Trotz Anmeldung bei Geburt.