BERLIN. Es geht um Herkunft, Religion, Behinderung oder sexuelle Orientierung: Berliner Schüler haben in den vergangenen Jahren zunehmend Diskriminierungen gemeldet. Im Schuljahr 2018/2019 wurden der Antidiskriminierungsbeauftragten 258 Beschwerden bekannt – nach rund 190 und rund 150 in den vorigen Schuljahren. Das geht aus einer Antwort der Bildungsverwaltung auf eine parlamentarische Anfrage der Grünen-Abgeordneten Bettina Jarasch und Sebastian Walter hervor. Darüber berichtete die «Berliner Morgenpost» am Mittwoch (25. Juli 2019).
Seit 2016/2017 nahmen vor allem Beschwerden über das Verhalten von Lehrkräften zu: Die Zahl verdoppelte sich auf 96. Aber auch 18 Lehrpersonen meldeten sich im zu Ende gegangenen Schuljahr, weil sie sich diskriminiert sahen, dreimal so viele wie zwei Jahre zuvor.
Der Anstieg der Fallzahlen sei ein Vertrauensbeweis für die bisherige Antidiskriminierungsbeauftragte Saraya Gomis, teilten die Grünen-Abgeordneten Jarasch und Walter mit. Gomis hatte kürzlich nach drei Jahren im Amt ohne Nennung von Gründen ihren Rückzug erklärt. Ihr Nachfolger wird ab Anfang August der Lehrer und Vorstandschef der Kreuzberger Initiative gegen Antisemitismus (KIgA) Dervis Hizarci. Um die Meldebereitschaft künftig weiter zu erhöhen, sei es unter anderem nötig, die Befugnisse des Beauftragten «zur Unterstützung, Beratung und Intervention» auszuweiten, so die Grünen-Politiker weiter. dpa/bb
Wird nur mehr erfasst oder ist es auch mehr geworden? Sind wir dafür sensibilisierter als früher (wäre ja ein Fortschritt)? Finden wir uns nur weniger damit ab?
Fragen müsste man sich aber auch, warum hilft all das, was seit Jahren dagegen getan wird, nicht? Da gibt es doch so viele Veranstaltungen, Projekte usw. und so viel Unterrichtszeit geht dafür drauf? Und dann so erfolglos? Oder doch erfolgreich, weil es nicht mehr geworden ist, sondern wir es nur mehr wahrnehmen und weniger hinnehmen?
Damit meinte ich allerdings nicht durch Diskriminierung durch Lehrer, sondern Diskriminierung aller Arten.
@Mückenfuß
Sie fragen: „Wird nur mehr erfasst oder ist es auch mehr geworden? Sind wir dafür sensibilisierter als früher (wäre ja ein Fortschritt)? Finden wir uns nur weniger damit ab?“
Zu diesen Fragen lese ich gerade das brandneue Buch „Identitätslinke Läuterungsagenda“ mit Beiträgen verschiedener Autoren, u.a. Boris Palmer. Die Herausgeberin Sandra Kostner (Soziologin und Migrationsforscherin) sieht in der „Sensibilisierung“ keinerlei Fortschritt, sondern nur eine Zementierung bestimmter Täter- und Opferrollen.
Ihrer Ansicht nach besteht zwischen Tätern und Opfern eine „Symbiose“. Eine Seite stärkt die andere. Das ursprünglich linke Modell von Unterdrückern und Unterdrückten wird dabei beibehalten, aber von den sozialen Verhältnissen auf die „Diversität“ (Vielfalt) übertragen. „Was serviert wird, ist neuer Identitätswein in alten marxistischen Schläuchen.“
Die linke Identitätspolitik lebt von zwei Prämissen: Erstens von der Schuld der weißen, westlichen Mehrheitsgesellschaft, die geläutert werden muss. Die Schuld nimmt aber eher noch zu, denn je häufiger und stärker die Ankläger Ungleichheiten skandalisieren, desto leichter können sie „die gesteigerte Sensibilität in neue Hypersensibilität überführen. Sie setzt in bestem Eigeninteresse alles daran, Diskriminierungsnarrative aufrechtzuerhalten, unabhängig davon, was in der Realität passiert.“
Die Rolle von Schuldigen und Opfern muss erhalten bleiben. Zu diesem Zweck werden sie in ihr „Identitätsgefängnis“ gesperrt werden. Der Bauhelfer mit 1.900 Euro brutto bleibt als weißer Mann angeblich immer „privilegiert“ und Unterdrücker, während die gutverdienende Akademikerin mit Migrationshintergrund immer als abseits stehend und benachteiligt gilt. Sie gehört nach identitätspolitischer Logik zu einer Opfergruppe. Statt um soziale Befreiung (wie bei der alten Linken) geht es der neuen darum, die Ungleichheit dauerhaft zu behaupten, anzuprangern und zu „bewirtschaften“.
Diese letzten Zeilen meines Kommentars sind leider schlampiger Kopiererei zum Opfer gefallen:
Für Sandra Kostner ist das „freiheitsvergiftend“, weil jede Kritik an dieser Ideologie von den Beherrschern des Diskurses sofort als „rassistisch“ und „sexistisch“ niedergeschmettert wird. Lieber schweigen deshalb viele Menschen.
Es leben ja eine ganze Menge Menschen von diesem Zustand. Die ganze Gender- und Flüchtlingsindustrie inkl. aller Lehrstühle an den Hochschulen könnte einpacken, wenn die Prämissen aufgegeben werden würden. Die extremistischen Parteien an beiden Enden übrigens auch, was ich für durchaus erstrebenswert halte.