Harmloses Missverständnis? Mutmaßlicher Kindesentführer vor Gericht

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WUPPERTAL. Vor acht Monaten hatte ein unheimliches Geschehen in Velbert südlich des Ruhrgebiets die Bevölkerung in Unruhe versetzt. Ein Unbekannter hatte einen Zehnjährigen in sein Auto gelockt. Nach einem Unfall war der Junge entkommen. Nun steht der mutmaßliche Entführer vor Gericht.

Immer öfter landen Lehrer vor Gericht. Foto: Michael Grabscheit / pixelio.de
Das Gericht hat zu urteilen. Foto: Michael Grabscheit / pixelio.de

Glaubt man Collins D., der am Freitag im weißen Oberhemd und mit blauem Sakko im Gerichtssaal erscheint, ist alles bloß ein dummes Missverständnis. Im Februar hatte er einen zehnjährigen Jungen in Velbert-Langenberg dazu gebracht, zu ihm ins Auto zu steigen. Er könne ihn zur Schule bringen, weil er auch dorthin wolle, hatte er dem Jungen gesagt.

Doch dann war der 22-Jährige in das dünn besiedelte Wodantal abgebogen. Bei einem Wendemanöver kam es zu einem Unfall – er ließ den weinenden Jungen mit seinem Tretroller ziehen. Die Ermittler fanden heraus, wer der Unbekannte war – und mussten ihn trotzdem nach seiner Vernehmung frei lassen. Das änderte sich, als Wochen später die kriminaltechnische Auswertung seines Computers und seines Handys vorlag.

Im Internet informiert: übers Entführen und Ermorden von Kindern

Der Auswertung zufolge hatte sich der junge Mann im Internet vorher intensiv mit dem Entführen, Missbrauchen und Ermorden von Kindern beschäftigt. Ein Richter erließ Haftbefehl. So steht es nun auch in der Anklage, die am Freitag verlesen wird. Dem 22-Jährigen wird Freiheitsberaubung und versuchter sexueller Kindesmissbrauch vorgeworfen.

Doch beim Prozessauftakt bekräftigt Collins D. seine Version: Er habe den Grundschüler in dem Mietwagen mitgenommen, weil er nach einem Praktikumsplatz suchte und sich in der Grundschule des Jungen vorstellen wollte.

«Sie fahren doch nicht einfach ohne Voranmeldung durch Langenberg, um eine Schule für ein Praktikum zu finden», hakt der Richter nach. «Ich bin nicht der Typ, der anruft. Ich fahre immer direkt hin», kontert der Angeklagte. «Ich habe den Jungen gesehen und ihn nach der Schule gefragt. Er hat mir angeboten, mit dem Roller vorzufahren, ich bin hinterher», erzählt der 22-Jährige. «Das war aber zu langsam, ich habe den Verkehr aufgehalten.»

Dann habe er dem Jungen angeboten einzusteigen. Mit Erfolg. Wegen einer Baustelle sei er dann abgebogen. «Als der Junge angedeutet hat, dass ich falsch fahre, habe ich versucht zu wenden, dann passierte der Unfall.» Der Junge habe geweint, sei ausgestiegen und habe gesagt, er wolle seinen Roller und allein zur Schule. Per Handschlag habe man sich verabschiedet.

Collins D. bestreitet, dass er sich Lars genannt und behauptet habe, er kenne eine Abkürzung zur Schule. «Neu ist nur, dass Sie ihn zwei Mal angesprochen haben. Das haben Sie ja bei der Polizei vehement abgestritten», bemerkt der Richter nach der Aussage.

Dem 22-Jährigen drohen zehn Jahre Haft

In der Anklage liest sich der Vorgang weniger harmlos: Erst freundlich, dann aggressiv habe er den Jungen dazu gebracht, in das Auto zu steigen. Er habe sich Lars genannt und behauptet, er kenne eine Abkürzung zur Schule. Gewendet habe er nur, weil er die Einfahrt zu einem einsamen Waldweg verpasst habe.

Erst der Unfall habe ihn davon abgebracht, das Kind sexuell zu missbrauchen. Mit dem weinenden Kind am Straßenrand habe er zu viel Aufsehen erregt und keine Chance mehr gesehen, seinen Plan umzusetzen.

Über die Spuren am Unfallort und die dazu passenden Schäden am Mietwagen waren die Ermittler dem 22-Jährigen auf die Schliche gekommen, nachdem der Grundschüler in der Schule von dem Geschehen erzählt hatte. Ein Autovermieter hatte sich gemeldet und berichtet, einen schwarzen Kleinwagen mit Unfallschäden zurückbekommen zu haben. Der Mieter des Wagen sei Collins D. gewesen.

Dem drohen nun bis zu zehn Jahre Haft. Der kleine Junge musste am Freitag als Zeuge aussagen. Dies geschah unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Das Wuppertaler Landgericht hat für den Prozess sechs Verhandlungstage angesetzt. Von Wolfram Lumpe und Frank Christiansen, dpa

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