Die Sanktionen gegen Russland und die Hochschulen

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FRANKFURT/MAIN, DARMSTADT. Die Kooperationen mit russischen Institutionen im Hochschulbereich sind weitgehend eingestellt, sowohl in Forschung als such im wissenschaftlichen und studentischen Austausch. Hochschulen bemühen sich um Unterstützung betroffener Studentinnen und Studenten.

Der Deutsche Akademische Austauschdienst (DAAD) hat den Austausch mit russischen Institutionen eingeschränkt, hält Zugangswege für russische Studierende aber offen:

Ausgesetzt sind DAAD-geförderte Aufenthalte deutscher Studierender, Lehrender und Forschender an russischen Hochschulen; gemeinsame Veranstaltungen von deutschen Hochschulen mit russischen Partnerhochschulen; gemeinsame Aktivitäten mit und direkte Förderung von russischen akademischen Institutionen durch den DAAD.

Eine Frau mit Schutzbrille gekleidet in einen weißen Kittel schaut in die geöffnetet Tür einer technischen ApparaturKittel
Viele Forschungsvorhaben sind von den Sanktionen betroffen. Foto: skeeze / Pixabay (CC0 1.0)

Fortgesetzt werden die DAAD-Stipendienprogramme für Studierende und Forschende aus Russland. Auch russische DAAD-Stipendiatinnen und -Stipendianten, die sich bereits in Deutschland befinden, behalten ihr Stipendium und können ihren Aufenthalt weiterführen.

Bundesweit bemühen sich Hochschulen, die bereits anwesenden Studentinnen und Studenten aus der Ukraine, aber auch aus Russland zu unterstützen. In Hessen sind beispielsweise an der Frankfurter Goethe-Universität 262 ukrainische sowie 300 Studierende aus Russland eingeschrieben. Die Uni Marburg hat 70 Studierende aus der Ukraine und 263 aus Russland. In Gießen sind derzeit 61 Studierende aus der Ukraine und 102 aus Russland dauerhaft eingeschrieben oder als Gast- und Austauschstudierende vor Ort. An der Universität Kassel gibt es rund 40 Studierende oder Wissenschaftler aus der Ukraine und ebenso viele aus Russland.

An der Technischen Universität (TU) Darmstadt sind 80 Studierende aus der Ukraine und etwa 130 aus Russland eingeschrieben. Zehn TU-Studierende halten sich laut Pressestelle im Rahmen von Austauschprogrammen derzeit noch an einer der sechs russischen Partneruniversitäten auf. Das Präsidium sei mit ihnen wegen einer möglichen Rückreise in Kontakt.

Auch die Philipps-Universität Marburg, hilft gezielt ihren ukrainischen Studenten. «Die meisten sind derzeit bemüht, ihre Familienangehörigen nach Marburg zu holen», berichtete die Sprecherin der Uni. «Hier wird ein Hilfsfonds eingerichtet, der bis zum Anlauf staatlicher Programme eine Überbrückungsfinanzierung ermöglichen soll.» Aber auch die russischen Studierenden bräuchten Hilfe: «Wir erhalten vermehrt Anfragen von russischen Studierenden, die sich sorgen, in finanzielle Not zu geraten und/oder in Deutschland Asyl beantragen möchten.»

Indes betreffen die Sanktionen auch Forschungsvorhaben großer Wissenschaftseinrichtungen und die Kooperationen von Hochschulen. Betroffen ist zum Beispiel eines der derzeit größten Vorhaben der Forschung weltweit, der Bau des Teilchenbeschleunigers (Fair) in Darmstadt.

Die Geschäftsführung des GSI Helmholtzzentrums für Schwerionenforschung, die das Projekt verantwortet, steht hinter den Sanktionen. «Diese werden einen starken Einfluss auf die eigenen Aktivitäten haben, denn Russland ist das größte Partnerland im Fair-Projekt, aber die Geschäftsführung glaubt, dass die Mittel in dieser Situation notwendig sind», teilte das GSI Helmholzzentrum mit.

Man habe mit sofortiger Wirkung jede Zusammenarbeit mit staatlichen Institutionen und Wirtschaftsunternehmen in Russland eingestellt und Dialogforen abgebrochen. Projekte mit Forschern aus Russland seien eingefroren worden und würden überprüft. Die Kommunikation sei eingestellt worden. «“Fair“ möchte an dem Ziel festhalten, erste Experimente ab Ende 2025 durchzuführen und untersucht zurzeit, ob dies mit bereits gelieferten Komponenten und gegebenenfalls weiteren alternativen Lösungen machbar ist.»

Die Teilchen-Beschleunigeranlage gilt als eine der weltweit größten Anlagen physikalischer Grundlagenforschung. Mit ihr soll unter anderem die Entstehung des Universums erforscht werden. Derzeit liegen die Gesamtinvestitionen bei rund 3,1 Milliarden Euro. Hauptgeldgeber des Projekts sind der Bund und das Land Hessen. Als ausländische Partner sind auch Finnland, Frankreich, Indien, Polen, Rumänien, Russland, Schweden und Slowenien Gesellschafter.

Auch auf das Kontrollzentrum der europäischen Raumfahrtbehörde Esa in Darmstadt haben die Sanktionen Auswirkungen. Betroffen ist hier das europäisch-russische Weltraumprojekt «Exomars» zur Suche nach Spuren von Leben auf dem Roten Planeten. Es sei derzeit nicht möglich, die laufende Zusammenarbeit mit einem Launch noch in diesem Jahr durchzuführen, teilte die Esa am Donnerstag mit. «Die Esa erkennt zwar die Auswirkungen auf die wissenschaftliche Erforschung des Weltraums an, schließt sich aber voll und ganz den Sanktionen an, die von ihren Mitgliedstaaten gegen Russland verhängt wurden.»

Die Mission, die eigentlich im September starten sollte, soll nach dem Start von den Darmstädter Spezialisten gesteuert werden. Von Darmstadt aus kontrolliert die Esa den größten Teil ihrer Satelliten. (Oliver Pietschmann und Sandra Trauner, dpa)

Ukrainische Lehrkräfte im Schuldienst willkommen – aber (bislang) nur deutschsprachige

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Senkrechtstarter
2 Jahre zuvor

Ich finde, bei den Sanktionen wird mal wieder übertrieben, weil man den Eindruck hat, eine Sanktion erfolge nur um der Sanktion willen. Man muss sehr aufpassen, dass das keine „Rache“ wird und keine „Sippenhaft“. Das erlebten viele Deutsche auch nach dem 2. Weltkrieg. Sie wurden Opfer, weil sie Deutsche waren, aber vielleicht waren sie die ganze Zeit Gegner Hitlers gewesen. Jetzt hört man, dass russische Menschen in Deutschland Repressalien erleiden, nur weil sie Russen sind.

Deshalb muss man bei Sanktionen sehr genau schauen, wen sie wirklich erreichen. Gesprächskanäle z.B. sollten immer erhalten bleiben!