„Zeit des Zusammenrückens“: Giffey sieht Lehrerstreik für kleinere Klassen skeptisch

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Berlins Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) hat wenig Verständnis für den Warnstreik, zu dem die Gewerkschaft GEW Lehrkräfte an Berliner Schulen für Donnerstag aufgerufen hat.

„Sehe ich jetzt gerade nicht“: Berlins Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD). Foto: Bundesregierung/Jesco Denzel

Die GEW fordert eine tarifvertragliche Regelung für kleinere Klassen. Kleinere Lerngruppen seien grundsätzlich zu befürworten, sagte Giffey nach der Senatssitzung am Dienstag. Sie wies allerdings auf die ukrainischen Flüchtlinge in Berlin hin, von denen 40 bis 50 Prozent Kinder und Jugendliche seien. «Wir haben bereits fast 2000 Kinder und Jugendliche an unseren Berliner Schulen zusätzlich aufgenommen in Regel- und in Willkommensklassen», sagte die SPD-Politikerin. «Im Moment ist es eine Zeit des Zusammenrückens, eine Zeit des Mehr-Kapazitäten-Schaffens.»

Es werde zusätzliches Personal eingestellt, sagte Giffey. «Aber dass wir generell in einer Zeit sind, in der wir hier von massiv verkleinerten Klassen sprechen bei eigentlich einer Situation, die immer noch Lehrermangel heißt, das sehe ich ehrlich gesagt jetzt gerade nicht.»

Ziel der GEW ist ein Tarifvertrag, der die Verkleinerung der Klassen festlegen soll. Danach soll zum Beispiel bei Grundschulen die Klassengröße auf 19 Schülerinnen und Schüler begrenzt werden. Bisher sind bis zu 26 Kinder erlaubt. Berlins GEW-Vorsitzender Tom Erdmann rechtfertigte den Warnstreik in der vergangenen Woche damit, dass die Finanzverwaltung dem Aufruf zu entsprechenden Tarifverhandlungen nicht gefolgt sei. Die Finanzverwaltung lehnte sie mit dem Argument ab, Berlin sei Mitglied der Tarifgemeinschaft der Länder, die solche Tarifvereinbarungen nicht befürworte, und wolle keinen Alleingang unternehmen. News4teachers / mit Material der dpa

Bundesweites Novum: GEW ruft Lehrkräfte in Berlin zum Warnstreik auf – für kleinere Klassen

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16 Kommentare
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Realist
2 Jahre zuvor

Als Lehrer oder Erzieher ist man in der Öffentlichkeit halt immmer der Ar…, wenn man für seine Rechte streikt.

Deshalb der Rat an alle Berufsanfänger: Dieses Tätigkeitfeld großräumig meiden und lieber einen Job mit z.B. IG Metall-Tarif anfangen: Weniger Arbeit, mehr Geld, öffentlichen Zustimmung beim Streik und Tarifabschlüsse die seit Jahrens tendenziell mindestens doppelt so hoch sind wie im öffentlichen Dienst sind (zur Erinnerung: TV-L bedeutet NULLRUNDE in 2021 bei fast acht Prozent Inflation!).

Realist
2 Jahre zuvor
Antwortet  Realist

Nullrunde in 2022 natürlich

Klugscheisser
2 Jahre zuvor

Es gibt immer Gründe, nötige Schritte nicht einzuleiten.

Kleinere Klassen benötogen mehr Lehrer.
2 Probleme: zu wenige neue Lehrkräfte, zu wenig Geld.

Also werden Probleme weiterhin ausgesessen. Nichtstun ist billiger und nach ein paar Jahren darf es ein andere Aussitzen. Aber wenigstens werden in der Zeit schöne bunte Flyer fabriziert. Kostet weniger als sanierte Schulen mit kleinen Klassen und sieht toll aus.

Pentaleon
2 Jahre zuvor

Naja, die Regierenden haben doch nie Verständnis für einen Streik und bemühen immer andere Gründe, mal weil die Kassen leer sind, mal weil die Schüler leiden, mal wegen der Solidarität und so ……….. wer ist eigentlich jetzt mal mit uns Lehrern solidarisch?!

Hans Hoffmann
2 Jahre zuvor

Wie gut, dass es die ukrainischen Flüchtlinge gibt. Und beim nächsten Mal sind es die angespannte Wirtschaftslage oder Ressourcenknappheit. Wie schön, dass die Liste der möglichen Ausreden unendlich lang ist. Fußpilzepidemie, Außerirdischeninvasion oder Schwarze Löcher wären doch auch mal originell.

Mika
2 Jahre zuvor

Ein kleiner Tipp für Frau Giffey und alle anderen, die denken, man kann die Versäumnisse in der Schulpolitik dadurch kaschieren, indem man die Belastungsschraube der Lehrkräfte immer weiter dreht: Nach lose kommt fest und nach fest kommt ab! „Fest“ haben wir längst überschritten…

Susi
2 Jahre zuvor
Antwortet  Mika

Frei nach Schiller in Wilhelm Tell: „Allzu straff gespannt, zerspringt der Bogen.“

Wären da nicht diejenigen Staatsdiener, die seit Jahren zersprungene Bögen durch kollektive Migration innerlich boykottieren. Buchempfehlung: Die Geschmeidigen von Nora Borang.

Der Fisch stinkt also, wie so oft, nicht nur vom Kopf. Wäre ja auch zu einfach …

Insofern folge ich einem Vorredner: Lieber einen großen Bogen um das Ganze machen. An allen Fronten kämpfen, geht auf Dauer nicht … alternativ: Bogen erst gar nicht auspacken und vergessen lernen (nur etwas für ganz Harte oder diejenigen, die mobil sind)

Übrigens: Frau Giffey gleicht keiner Bogenspannerin – eher einer Fädenspinnerin …
die Natur hat unzählige Beispiele

Nika
2 Jahre zuvor

Und wann war bzw. wird jemals die Zeit sein für kleinere Lerngruppen ?

Georg
2 Jahre zuvor

Wie die Flüchtlinge ausgenutzt werden, um dringend benötigte Maßnahmen zur Verbesserung des Berliner Schulsystems zu umgehen…

Rosa
2 Jahre zuvor

Achtung in BW finden am 6.4.2022 und am 7.4.2022 Warnstreiks in Mannheim statt https://www.mannheim.de/de/nachrichten/stoerungen-aufgrund-von-warnstreiks Das Limit ist erreicht in allen pädagogischen Einrichtungen.

Bla
2 Jahre zuvor

Ich sehe die Entscheidungen der KM(K) kritisch.
Interessiert sie nur nicht.

Streikrecht ist da, also sollte es genutzt werden.
Die Bundeswehr hat ebenfalls dieses Jahr doch ein großes Zugeständnis bekommen. Hier will man Veränderungen, also muss man investieren.
Will man bessere Rahmenbedingungen für den Beruf und mehr LuL werben, dann muss man investieren (Zeit, Ideen und Geld!). Das Selbe gilt natürlich auch für andere (soziale) Berufe.
Irgendwann wir es „knallen“ und zwar gewaltig. Warum man immer erst warten muss, wenn es zu spät ist … Dann will’s aber wieder keiner gewusst haben.
Wenn Frau Giffey und andere KM Integration, Inklusion, Ganztag, Differenzierung, individualisiertes Lernen, soziales Zusammenleben (Ausflüge) usw. usw. will/wollen, dann müssen sie eben auch für gute Rahmenbedingungen sorgen. Geben und nehmen.
Das Spielchen mit „da kann xy doch nichts dafür“ „schlechter Zeitpunkt“ usw. ist billig. Denn die Politik kann etwas dafür und kann dies evtl. auch ändern. Also ist hier die Lösung zu suchen.

Und wenn es ein (zeitlicher) Kompromiss ist.
-> Maßnahmen, die kurzfristig gehen: Gerechte Besoldung für alle LuL! (egal welche Schulform und ob Abgestellter oder Beamter, Schulsanierungen anfangen)
-> Mittelfristig (digitalisierung usw.)
-> Langfristig (LuL werben und ausbilden, Schulen sanieren, kleinere Klassen)

Aber wenn man nur fordert und gar nichts zurück gibt… Ist das ziemlich einseitig.
Wenn man eben die LuL „nicht backen“ kann, könnte man schon mal bei den anderen Punkten Kompromisse suchen, um zumindest nicht noch mehr LuL zu verlieren und (noch mehr) zu verärgern.

Palim
2 Jahre zuvor

Oh, ja, wir rücken zusammen und stellen noch ein paar Stühle dazu,
das machen wir gerne…

… im Lehrerzimmer, um die Mitarbeitenden mit an den Tisch zu bitten, die vielen, die nun eingestellt werden,
– um die Inklusion auszustatten, damit Doppelbesetzungen und Teamteaching möglich werden, wo Unterricht auf ganz unterschiedliche Herangehensweisen für alle Schüler:innen erfolgt,
– um die Sonderpädagoginnen ins Gespräch einzubeziehen, die fortan zum Team dieser einen Schule gehören, weil sie nicht mehr an mehrere Schulen verteilt werden und den Vormittag auf der Straße verbringen, um den Standort zu wechseln,
– um den Therapeut:innen und Heilerziehungspfleger:innen und Erzieher:innen Raum zu geben, die selbstverständlich das Team unterstützen und dringende Aufgaben übernehmen,
– um den Schulbegleiter:innen einen Platz anzubieten, weil sie nah an den Kindern sind, die Begleitung und Zuwendung dringend benötigen,
– um mit den Sozialpädagog:innen über die Not bestimmter Schüler:innen zu sprechen,
– um mit der qualifizierten Lehrkraft, die die Vertretung übernimmt, Abstimmungen treffen zu können,
– um IT-Spezialist:innen zu fragen, wie weit es um die Digitalisierung bestellt ist, um die sie sich nebenbei kümmern, während sie erläutern, dass neue Schüler ins LMS eingebunden und die neue Software installiert und administriert ist und auf allen mobilen Endgeräten läuft, deren Update gefahren wurde, da das WLAN problemlos läuft,
– um auch mit den Lehrkräften zu sprechen, die in kleinen Gruppen mit Kindern Deutsch lernen und üben und Unterrichtsinhalte sprachsensibel aufgreifen und wiederholen…

Es tut wirklich gut, das zu lesen, dass Frau Giffey mit gutem Beispiel vorangeht und die Lehrkräfte in Berlin in Zukunft Tag für Tag in einem so kompletten Team ihre anspruchsvolle Aufgabe bewältigen können. Ich freue mich sehr für sie.

Hoffentlich sprechen die Kollegen:innen in der KMK darüber, helfen sich gegenseitig dabei, Schule auf diese Weise wahrzunehmen, und denken beim Abschreiben voneinander daran, dass sie auch gleich Container bestellen, um angemessen große Räume für das den Anforderungen angemessene Team in der Schule zur Verfügung stellen zu können.

Und sollte sich irgendjemand von den Notwendigkeiten überrannt fühlen, muss man zugeben, dass es den Lehrkräften seit Jahren so geht und sie trotzdem Jahr für Jahr neue Aufgaben erhalten, die sie Tag für Tag bewältigen müssen, um den Aufgaben, aber vor allem den SchülerInnen und Schülern gerecht zu werden, dabei die Ressourcen aber nicht aufgestockt, sondern dezimiert werden und das Team nicht durch professionelle Kräfte erweitert wird, sondern unentwegt die Begleitung derer übernehmen muss, die als Aushilfen ohne Vorbildung vor den Klassen stehen.

Die Schulen waren nicht auf die Flüchtlinge 2015 vorbereitet und auf weitere der anderen Jahre und Länder, nicht auf Digitalisierung, nicht auf Inklusion, nicht auf eine Pandemie?
Stimmt. Sie haben es irgendwie gemeistert, die Ressourcen dafür sind nie in den Schulen angekommen.

Jetzt kommen weitere Aufgaben hinzu und ein Hinweis auf das Zusammenrücken muss als Ausgleich ausreichen? Wo werden denn mehr Kapazitäten geschaffen? Welche aktiven Verbesserungen werden umgesetzt oder stehen vor Vollendung? Was hat man in den vergangenen 10 Jahren gegen den Lehrkräftemangel unternommen? Wo wurden die Arbeitsbedingungen in den Schulen verbessert?

Man hätte sich seit Jahren kümmern können und müssen, wollte man aber nicht!

Geht in die Schulen, in die Klassenräume, in die KiTa und sagt den Betroffenen doch einfach mal ins Gesicht, wie es ist:
„Wir wollen uns nicht kümmern! Ihr seid es nicht wert!“

Wie traurig und beschämend.

Gerd Möller
2 Jahre zuvor

Vielen Dank für die klaren Worte

Carsten60
2 Jahre zuvor
Antwortet  Gerd Möller

Klare Worte stehen auch in der offiziellen Statistik der Klassenfrequenzen in Berlin:
https://www.berlin.de/sen/bildung/schule/bildungsstatistik
Da steht auf Seite 4 klar ausgeführt, dass die durchschnittlichen Klassenfrequenzen gerade an Gymnasien im Durchschnitt ca. 20-30 % größer sind als an den anderen Schulformen. Für manche Bezirke werden Zahlen über 30 genannt. Das gilt auch für die grundständigen 5. und 6. Klassen bei einer im Prinzip 6-jährigen Grundschule. Mit anderen Worten: Das Gymnasium ist gerade in Berlin nach 25 Jahren SPD-Schulsenatoren eine Art von „Sparmodell“ im Sinne des Finanzsenators. Aber alle progressiven Schulpolitiker halten die Gymnasien für privilegiert und fordern deren Abschaffung. Die Abschaffung der grundständigen Gymnasien stand explizit in einigen Wahlprogrammen der jetzigen Regierungsparteien, wurde dann aber nicht realisiert.
Herr Möller: finden Sie das nicht auch krass unehrlich? Eine tatsächliche Abschaffung würde ja bedeuten, dass man erheblich mehr Schulklassen insgesamt hätte, also mehr Lehrer und auch mehr Schulräume. Und die gibt es nun mal nicht.

Palim
2 Jahre zuvor
Antwortet  Carsten60

Vielleicht schauen sich sich die anderen Seiten auch noch an?

Carsten60
2 Jahre zuvor
Antwortet  Carsten60

Auf Seite 8 steht z.B., dass der Anteil von Schülern nichtdeutscher Herkunftssprache in Berlin-Neukölln bei 70 % liegt und der an den dortigen Gymnasien ebenfalls bei 70 %. Das ist in anderen Bezirken anders, aber nicht in einer Weise, die auf eine dramatische Benachteiligung hindeuten würde. In einer solchen Stadt kann nicht alles gleichverteilt sein, das ist wohl auch in London, Paris, Brüssel und Moskau nicht anders.