GEW: Bildungserfolg geflüchteter Kinder ist gefährdet – es mangelt in Kitas und Schulen an allem

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SCHWERIN. Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) in Mecklenburg-Vorpommern sieht den Bildungserfolg von geflüchteten Kindern und Jugendlichen aus der Ukraine gefährdet. In Kitas und Schulen mangle es an Personal, Geld, Platz und Sachmitteln sowie allgemein an einem guten Überblick über den tatsächlichen Bedarf, teilte die Gewerkschaft bei der Vorstellung eines Positionspapiers in Schwerin mit. Um die Herausforderungen zu meistern, fordert sie einen besseren Austausch zwischen den Bildungsträgern.

Millionen von Menschen – darunter viele Kinder – sind aus der Ukraine geflogen. Foto: Shutterstock / Drop of light

Zwar seien erst rund 2000 Schülerinnen und Schüler aus der Ukraine aktuell an Schulen im Land angemeldet. «Wie viele Kinder und Jugendliche jedoch aktuell tatsächlich einen Bildungsanspruch in Kitas, Horten haben beziehungsweise der Schulpflicht in den allgemeinbildenden und beruflichen Schulen unterliegen, darüber ist nichts bekannt», sagte der GEW-Vorsitzende Nico Leschinski. Laut dem Innenministerium in Schwerin halten sich aktuell rund 17.000 Menschen aus der Ukraine im Nordosten auf.

Der Gewerkschaft zufolge gibt es ein starkes Stadt-Land-Gefälle bei der Aufnahme von Geflüchteten in den Schulen. Den Angaben zufolge habe man angesichts von fehlendem Personal und fehlenden Stundenzuweisungen bereits Hilferufe erhalten. Insgesamt wird eine ganze Liste an Lücken in der Versorgung, Information und Kommunikation der Behörden genannt.

«Wir brauchen zusätzliche Gelder für das gesamte Bildungssystem, wir brauchen eine Analyse zur quantitativen Erfassung des Bedarfs»

Es existiert zwar laut GEW bereits eine Gesprächsrunde mit dem Bildungsministerium aus Pandemiezeiten. Angesichts der Anforderungen sei jedoch ein größerer Rahmen notwendig, um sich zwischen den Schulen und Kitas auszutauschen und Lösungsansätze zu diskutieren. Sollte das Ministerium hier nicht anpacken, kann sich die Gewerkschaft vorstellen, selbst einen derartigen Austausch der Verantwortlichen zu initiieren.

Ihre Co-Vorsitzende Annett Lindner betonte, dass das Kindeswohl Vorrang haben müsse. «Wir brauchen zusätzliche Gelder für das gesamte Bildungssystem, wir brauchen eine Analyse zur quantitativen Erfassung des Bedarfs.» Daneben sei Transparenz bei der Anerkennung von Abschlüssen von Beschäftigten aus dem Ausland nötig.

Insgesamt attestiert die GEW beim Thema Fachkräftemangel – vor allem in den Schulen – Mecklenburg-Vorpommern mangelnde Attraktivität für angehende Lehrerinnen und Lehrer. Das Verhältnis von zu leistenden Stunden, Gehalt und Ausstattung der Schulen sei andernorts einfach besser. Lehrer- und Kita-Fachkräftemangel ist allerdings bundesweit ein Thema.

«Sollte ein weiterer Bedarf entstehen, werden zusätzliche Stellen umgehend zur Verfügung gestellt, finanziert und ausgeschrieben»

Bildungsministerin Simone Oldenburg (Linke) nannte den Vorwurf eines fehlenden Überblicks «haltlos». «Mit der Registrierung der Geflüchteten beginnt auch die Schulpflicht. Grundsätzlich gilt, dass alle ukrainischen Schülerinnen und Schüler an der örtlich zuständigen Schule aufgenommen werden. Erfasst wird jede Schülerin und jeder Schüler im Berichtssystem», hieß es in einer Mitteilung.

Oldenburg verwies zudem auf die für 2022 vorgesehenen Mittel von 24 Millionen Euro zur Beschulung von geflüchteten Kindern und Jugendlichen – hiermit würden auch zusätzliche Lehrkräfte finanziert. «Sollte ein weiterer Bedarf entstehen, werden zusätzliche Stellen umgehend zur Verfügung gestellt, finanziert und ausgeschrieben.» Leschinski hatte zuvor in der GEW-Pressekonferenz bemängelt, dass zwischen der Ausschreibung und der tatsächlichen Besetzung einer Stelle eine große Lücke klaffe: Es gibt gar keine freien Lehrkräfte auf dem Arbeitsmarkt. News4teachers / mit Material der dpa

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12 Kommentare
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Georg
1 Jahr zuvor

Für die ukrainischen Kinder gibt es doch das von der Ukraine selbst ins Leben gerufene Online-Angebot an ukrainischem Unterricht. Wo ist das Problem?

Alla
1 Jahr zuvor
Antwortet  Georg

In der Kita? Online-Betreuung?

gehtsnoch
1 Jahr zuvor

Bildungserfolg geflüchteter Kinder in Deutschland (vor Ukrainekrieg!)https://www.tagesspiegel.de/wissen/bildungserfolg-gefluechteter-kinder-in-deutschland-guter-start-fuer-die-juengsten-sprachliche-defizite-vor-dem-schulabschluss/27369548.html

Studie über fünfeinhalb Jahre:
Studie ReGES – Refugees in the German Educational
System (Geflüchtete im deutschen Bildungssystem) wird
vom Juli 2016 bis Dezember 2021
https://www.lifbi.de/Portals/13/Transferberichte/LIfBi-Forschung-kompakt_02_ReGES.pdf

gehtsnoch
1 Jahr zuvor

Der positive Umgang mit der Herkunftssprache an der hier vorgestellten Grundschu-
le soll hier nicht unerwähnt bleiben. Der Einbezug der Herkunftssprache bringt nicht
nur den Vorteil, dass die Sprache, die die Kinder mitbringen, weiter gefördert wird und es ihnen ermöglicht, selbständig schwierige deutsche Begriffe nachzuschlagen.
Die aktive Verwendung im Unterricht symbolisiert auch die Anerkennung ihrer Herkunftssprache und damit auch ein Teil ihrer Herkunft und Identität selbst.“

entnommen aus:
Geflüchtete Kinder und Jugendliche im Bildungsbereich
am Beispiel der Stadt München
(Masterarbeit zur Abschlussprüfung an der Hochschule Darmstadt …)

https://www.wusgermany.de/sites/wusgermany.de/files/content/files/oezdemir.pdf

Palim
1 Jahr zuvor

„Sollte ein Bedarf entstehen…“

Wann entsteht denn ein Bedarf? Kann man ihn irgendwo anmelden oder müsste die Behörde ihn erheben und als solchen wahrnehmen und festsetzen, damit sich Handlungsoptionen ergeben und umgesetzt werden?

„In Kitas und Schulen mangle es an Personal, Geld, Platz und Sachmitteln sowie allgemein an einem guten Überblick über den tatsächlichen Bedarf, teilte die Gewerkschaft bei der Vorstellung eines Positionspapiers in Schwerin mit. “

Die Gewerkschaft hat also schon angemeldet, dass der Bedarf besteht.
Dass deshalb der Bildungserfolg geflüchteter Kinder und Jugendlicher gefährdet ist, stimmt, der Bildungserfolg aller anderen Kinder und Jugendlicher jedoch auch, da man sie ohne ausreichendes Personal nicht angemessen beschulen und betreuen kann. Selbst ohne zusätzlich zugezogene Schüler:innen herrscht Lehrkräftemangel – auch in MV.

Warum also sehen die Ministerien diesen Bedarf nicht?

Maike, Niedersachsen, 37
1 Jahr zuvor

Bei uns in Niedersachsen sind an unserer Schule inzwischen 19 Kinder/Jugendliche aus der Ukraine.
Die sind einfach da, von einem Tag auf den anderen. Wir werden über nichts informiert (Namen, Hintergründe, Sprachkenntnisse). Völlig unklar ist auch die Beschulung-bekommen die online Material? Sollen sie von uns (wie???) beschult werden. Es gibt kein DAZ-Material. Nichts. Wie ist das an anderen Schulen?

Palim
1 Jahr zuvor

„Die Schule“ regelt alles:

  • Lernstand erheben, mit etwas Glück auf Deutsch oder Englisch, ansonsten dolmetschende Person suchen,
  • Material suchen (bei 4teachers ist vieles in einem Forum gesammelt, es gibt auch Task-Card-Zusammenstellungen von Bundesländern oder Sprachbildungszentren),
  • beim regionalen Sprachbildungszentrum um Hilfe bitten,
  • online-Unterricht der Ukraine einbinden,
  • über „Aufholen nach Corona“ kann man Personalkosten für 450€-Jobs bekommen, je nach Qualifikation 6-10 Stunden pro Woche, Antragstellung, Personalsuche regelt die Schule,
  • es gibt ein eis-online-nilep-bewerberportal, in dem sich ukrainische Pädagog:innen eintragen können – nachgucken, ob sich das regional lohnt, bei der Dezernentin fragen, wie man an die Stellen kommt,
Realist
1 Jahr zuvor
Antwortet  Palim

„„Die Schule“ regelt alles“

Man fragt sich: Warum eigentlich?

In der Pandemie haben die Beamten in den Gesundheitsämtern einfach die Kontaktverfolgung eingestellt, wenn sie „überlastet“ waren.

Die für die Lebensmittelkontrolle zustänidgen Beamten haben wegen der Pandemie einfach einen Großteil der Kontrollen ausfallen lassen, natürlich auch wegen „Überlastung“

In den Rathäusern, Gemeindeverwaltungen usw. gab es entweder keine Termine oder nur solche mit unendlich langen Wartezeiten. Natürlich wegen „Überlastung“

Aber die Schulen: Die machen immer einfach alles??? Immer noch eine Schippe drauf??? Wann tritt denn hier die „Überlastung“ ein???

Palim
1 Jahr zuvor
Antwortet  Realist

@Realist
Genau das wollte ich darstellen. Das Land bezieht sich auf Unterstützungssysteme, lädt aber in Wirklichkeit die Arbeit der Personalsuche und vieles andere mehr in den Schulen ab.
Findet man tatsächlich jemanden, der bereit ist, dauert die Prüfung der Befähigung unendlich lang.
Dass „die Schule“ in dieser Zeit dennoch die Aufgabe erfüllen soll, die neuen Schüler:innen zu begleiten und zu unterrichten, dass die anderen Aufgaben schon nicht erfüllbar sind und ohnehin ständig Personal fehlt, benennt das Land nicht
und auch die GEW verspricht, dass Lehrkräfte sich kümmern, statt deutlich zu sagen, dass dies erst möglich sein wird, wenn das Personal aufgestockt ist.

Lanayah
1 Jahr zuvor

Bei uns gibt es Sach- und Geldspenden durch Eltern unserer Schüler/innen. Aus anderen Quellen (Land, Gemeinde) gibt es n i c h t s. Ich habe auch den Eindruck dass nur manche (offensichtlich leistungsstarke) Kinder einen Zugang zu diesem Online-Portal haben.

Hans Hoffmann
1 Jahr zuvor

An unserer Schule bekommen die Kinder noch nicht einmal Bücher. Auf Nachfrage bekam ich gesagt: „Das ist nicht vorgesehen. Die bleiben eh nicht lang “
Ich kenn das auch noch in der Variante „Coronavirus“ und „Luftfilter“. History repeating.

Noch 5 Jahre
1 Jahr zuvor
Antwortet  Hans Hoffmann

Bei uns wird offiziell vom Schulträger gesagt, man solle kopieren. Gleiche Begründung.
Das ist eine offizielle Aufforderung zur Straftat.
Funfact: es gibt kein Papier- kopieren nur noch für Klassenarbeiten etc.