Belästigungsvorwürfe – Gründer von Rabbiner-Schule zieht sich zurück

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POTSDAM. Ein Kolleg der liberalen Rabbinerausbildung in Potsdam ist in die Schlagzeilen geraten. Die Vorwürfe drehen sich um sexuelle Belästigung und Machtmissbrauch. Der Gründer lässt nicht nur seinen Rektorposten ruhen.

Belästigungsvorwürfe erschüttern das Abraham Geiger Kolleg. Das Symbolfoto zeigt Juden beim Gebet. Foto: Shutterstock

Der Gründer des Abraham Geiger Kollegs, Walter Homolka, hat sich nach wachsenden Vorwürfen gegen das Institut zur Rabbinerausbildung als Gesellschafter zurückgezogen. Die Leo Baeck Foundation, die bisher nur einen Teil der Anteile hielt, habe unentgeltlich alle Anteile an der gemeinnützigen Gesellschaft von Homolka übernommen, teilte das Kolleg in Potsdam mit. Die Stiftung sei seit Freitag alleinige Trägerin des Geiger Kollegs. Das Brandenburger Wissenschaftsministerium bekräftigte am Samstag, Ministerin Manja Schüle (SPD) gehe davon aus, dass die Universität Potsdam die Vorwürfe umfassend und unabhängig aufkläre.

Die Zeitung «Welt» hatte vor rund zwei Wochen über Vorwürfe sexueller Belästigung eines Studenten durch einen Mitarbeiter des Abraham Geiger Kollegs berichtet. Die Geschäftsführung räumte danach weitere Vorkommnisse ein: Gegen einen Mitarbeiter wurden demnach schon im Dezember 2020 und im Februar 2022 Vorwürfe wegen sexueller Belästigung erhoben, das Arbeitsverhältnis endete Ende Februar. Es geht auch um den Vorwurf des Machtmissbrauchs. Die «Märkische Allgemeine» und die «Potsdamer Neuesten Nachrichten» berichteten am Samstag über den Rückzug Homolkas als Gesellschafter.

Am Abraham Geiger Kolleg werden seit 1999 Rabbiner für jüdische Gemeinden ausgebildet. Die renommierte liberale Institution ist Teil der Universität Potsdam. Die Uni setzte nach eigenen Angaben im Frühjahr eine Untersuchungskommission ein, die verschiedene Vorwürfe gegen Homolka und einen wissenschaftlichen Mitarbeiter prüfen soll.

Rektor Homolka ließ seine Ämter nach Bekanntwerden der Vorwürfe vorerst ruhen, darunter auch als Vize-Direktor der School of Jewish Theology. Dessen geschäftsführender Direktor Daniel Krochmalnik erklärte inzwischen seinen Rücktritt. Bis vor etwa zwei Wochen stand Homolka auch an der Spitze der Leo Baeck Foundation, seitdem ist Kanzlerin Anne-Margarete Brenker amtierende Vorsitzende der Stiftung. Damit ruht Homolkas Amt zunächst.

Der Zentralrat der Juden in Deutschland hatte die Vorwürfe als tiefgreifend bezeichnet und eine Anwaltskanzlei damit beauftragt, ein Gutachten samt Handlungsempfehlungen zu erstellen. Präsident Josef Schuster will damit nach Angaben des Zentralrats eine unabhängige und lückenlose Aufklärung der Vorwürfe erreichen, aber auch Betroffene schützen und Schaden von der jüdischen Gemeinschaft abwenden.

Zu Förderern und Unterstützern des Kollegs gehören unter anderen das Bundesbildungsministerium, die Kultusministerkonferenz, das Land Brandenburg und der Zentralrat der Juden in Deutschland. Homolka erhielt 2015 für seine Verdienste um die Ausbildung von Rabbinern in Deutschland das Bundesverdienstkreuz, 2020 für außerordentliche Verdienste um Brandenburg den Verdienstorden des Landes.

Am Donnerstag nahm die frühere Berliner Finanzstaatssekretärin Gabriele Thöne ihre Arbeit als Interimsdirektorin des Abraham Geiger Kollegs auf. «Höchste Priorität hat für uns, zügig alle notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um das Abraham Geiger Kolleg in die Zukunft zu führen und so auch weiterhin das liberale Judentum in Deutschland zu stärken», sagte Thöne am Freitag. Sie arbeitete von 1991 bis 2002 im Brandenburger Landwirtschaftsministerium. Ein Sprecher des Abraham Geiger Kollegs sagte: «Das Kolleg ist handlungsfähig.»

Im Brandenburger Wissenschaftsministerium waren einige Vorwürfe aus einem 24-seitigen Report bereits im Januar bekannt, über den das Nachrichtenmagazin «Der Spiegel» am Freitag berichtete. Darin ging es um Vorwürfe des Machtmissbrauchs und sexueller Belästigung. Schüle erfuhr laut ihrem Sprecher erst aus der «Welt» von den Vorwürfen.

Das Kolleg ist als gemeinnützige GmbH selbstständig. Im Europäischen Zentrums für Jüdische Gelehrsamkeit in Potsdam sind das Institut für Jüdische Theologie (School of Jewish Theology) sowie die Rabbinerseminare Abraham Geiger Kolleg und Zacharias Frankel College unter einem Dach in der Uni vereint. Homolka war auch Geschäftsführer des Frankel College, bis er den Posten ruhen ließ. (dpa)

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2 Kommentare
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tachelesme
1 Jahr zuvor

Liebe Redaktion, einiges fehlt in Ihrer Darstellung. Zu einem, ein wesentliches Problem stellt sich bei dem Fakt dar, dass es sich um mehrere Belästigungsvorwürfe handelt, zu anderem, der langjährige Mitarbeiter des Geiger Instituts ist der Ehemann von Herrn Homolka. Deshalb ist der Rücktritt auch ganz anders zu bewerten. Zur Bilddarstellung, es sind explizit keine „Rabbiner“ auf dem Bild, sondern einfach nur betende Männer. Auch gehören sie nicht der jüdischen Reform an, um derer Einrichtungen es sich im Bericht handelt. Vielleicht könnte man ein religiös weniger prägnantes Bild wählen, die Bedeckung der Augen ist ein Bestandteil des Gebets, nicht ein Ausdruck der Verzweiflung über das Skandal. Vielen Dank.