Wissenschaftliche Preprints: Mit Erklärung mehr Klarheit und Orientierung schaffen

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KÖLN. Gerade in der Corona-Pandemie sind wissenschaftliche „Preprints“ zu einem wichtigen Kommunikationsinstrument geworden. Eine vorangestellte Erklärung könnte für mehr Klarheit sorgen.

Die Forderung nach einer Orientierung an der Wissenschaft zog sich und zieht sich nach wie vor wie ein Mantra durch die Streitgespräche zu Corona-Maßnahmen, unabhängig ob die Sprecher eine Verschärfung oder Lockerung fordern. Schon für Fachleute schwer zu überblicken, wird die Lage für Laien dabei schier unüberschaubar. Hinzu kommt: Seit der Corona-Pandemie werden immer mehr Fachartikel als sogenannte „Preprints“ vorveröffentlicht. Preprints haben nicht das wissenschaftlich etablierte Qualitätskontrollverfahren eines „Peer-Reviews“ durchlaufen. In der öffentlichen Kommunikation ist es so oft die Verwirrung noch gestiegen.

Finger zweier Hände deuten auf ein unerkennbares Detail auf einem Laptopbildschirm
Das Peer Review Verfahren besitzt große Bedeutung für die wissenschaftliche Qualitätskontrolle. Foto: John Schnobrich, Unsplash.com (U. l.)

Preprints werden – anders als beim Peer-Review-Verfahren – nicht von Fachkolleginnen und -kollegen begutachtet. Im Peer-Review prüfen Experten aus den jeweiligen Fachgebieten eine wissenschaftliche Arbeit vor der Veröffentlichung. Die Autorinnen und Autoren wiederum müssen die Kritik der Peer-Review-Expertinnen und -experten einarbeiten oder darlegen, warum diese unzutreffend ist. Dies ist für wissenschaftliche Publikationen eine wesentliche Qualitätskontrolle. Preprints fehlt diese Qualitätskontrolle und viele Forscher befürchten daher wohl zu Recht, dass Preprints Laien, Journalisten und politische Entscheidungsträger erreichen, die sie möglicherweise nicht von der begutachteten Literatur unterscheiden können.

Ein Forschungsprojekt von Sozialpsychologinnen und -psychologen der Universität zu Köln zeigt, dass schon eine kurze Erklärung zur wissenschaftlichen Qualitätskontrolle Abhilfe schaffen könnte und Laien dabei unterstützen würde, Forschungsergebnisse und deren Glaubwürdigkeit besser einzuordnen. Insgesamt hatte eine internationale Forschergruppe hierzu fünf Studien in den USA und in Deutschland durchgeführt.

Auch in ihren Experimenten hätte sich gezeigt, so die Wissenschaftler, dass Versuchspersonen ohne weitere Erklärung nicht zwischen Preprint und Peer-Review unterscheiden konnten und die beiden Formate für gleich glaubwürdig hielten. Sobald sie aber zuvor eine kurze Erklärung zum Unterschied erhielten, wurden die Versuchspersonen gegenüber Preprints vorsichtiger.

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In den ersten beiden Studien wurden Probandinnen und Probanden eine Reihe von echten Forschungsergebnissen gezeigt. Im Anschluss sollten sie die Glaubwürdigkeit dieser Forschungsergebnisse bewerten. Je nach Bedingung war ihnen dabei gesagt worden, dass die Forschungsergebnisse entweder aus Preprints oder aus Fachartikeln mit Peer-Review-Verfahren stammten. Es zeigte sich allerdings, dass diese Information ohne eine nähere Erklärung keinen Einfluss auf die Glaubwürdigkeitseinschätzung hatte. Dies lege nahe, dass Sorgen über ein fehlendes Verständnis von Preprints berechtigt sein könnten.

In den zwei Folgestudien zeigten die Forscherinnen und Forscher daher ihren Probandinnen und Probanden zunächst eine Erklärung von Preprints und dem Peer-Review-Prozess. Versuchspersonen, die diese Erklärung gelesen hatten, waren nun Preprints gegenüber wachsamer und schätzten diese als weniger glaubwürdig ein als etablierte Fachartikel. In der fünften Studie haben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler schließlich eine verkürzte Version dieser Erklärung entwickelt und getestet. „Bereits diese knappe Erläuterung ermöglichte es Nichtwissenschaftlern, zwischen Preprints und der von Expertinnen und Experten begutachteten Literatur zu unterscheiden. Zusammenfassend zeigen unsere Untersuchungen, dass auch eine kurze Erklärung des Konzepts der Preprints und des fehlenden Peer-Reviews es Personen, die wissenschaftliche Ergebnisse bewerten, ermöglicht, ihre Glaubwürdigkeitswahrnehmung entsprechend anzupassen“, so Tobias Wingen, Erstautor der aktuellen Veröffentlichung, (die das Peer-review-Verfahren durchlaufen hatte).

Auf der Grundlage dieses Ergebnisses empfehlen die Autorinnen und Autoren, Preprints eine entsprechende Erklärung beizufügen. Auch Journalisten, die über Preprints berichten, sollten das Format idealerweise zunächst erklären, da viele Nicht-Wissenschaftler über Medien mit Forschungsergebnissen in Kontakt kommen. Dies würde es ermöglichen, die Vorteile von Preprints zu nutzen – etwa eine schnellere und leichter zugängliche Wissenschaftskommunikation – und gleichzeitig die Bedenken hinsichtlich eines zu großen Vertrauens der Öffentlichkeit in die präsentierten Ergebnisse zu verringern. (zab, pm)

Die Publikation „Caution, Preprint! Brief Explanations Allow Nonscientists to Differentiate Between Preprints and Peer-Reviewed Journal Articles“ ist im Fachjournal Advances in Methods and Practices in Psychological Science erschienen.

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4 Kommentare
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Sissi
1 Jahr zuvor

Danke für diesen Artikel !
@ Redaktion

Viele Medien „berichten“ sozusagen „vorab“ und richten ein Mordschaos, ja, – was z.B. corona angeht – richtig Schaden an.
Weniger Informierte wissen dann nicht, dass die Verifizierung durch peer view fehlt, kann übel schief gehen ( letztes Bsp. Hepatitisdebatte ).
Ähnliche Gedanken macht sich

https://mobile.twitter.com/EckerleIsabella/status/1525818030931992579?ref_src=twsrc%5Egoogle%7Ctwcamp%5Eserp%7Ctwgr%5Etweet

Sissi
1 Jahr zuvor
Antwortet  Sissi

Information und Diskussion zu Boulevardlesern und Wissenschaftsfeindlichkeit – interessant

https://mobile.twitter.com/EckerleIsabella/status/1526237423788769281?ref_src=twsrc%5Egoogle%7Ctwcamp%5Eserp%7Ctwgr%5Etweet

Sissi
1 Jahr zuvor
Antwortet  Sissi

– 2

Und ein wichtiger preprint ( Not peervied) zur Hepatitis bei Kindern

https://www.medrxiv.org/content/10.1101/2022.05.10.22274866v1

Sissi
1 Jahr zuvor
Antwortet  Sissi

Pree*vied !