„Sind mitten drin in der Bildungskatastrophe“: Philologen-Chef platzt der Kragen

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HANNOVER. Niedersachsens Gymnasiallehrer fordern deutlich mehr Investitionen zur Bewältigung des Lehrermangels. «Wir sind mitten drin in der Bildungskatastrophe, und es wird immer schlimmer», sagte der Landesvorsitzende des Philologenverbands (PHVN), Christoph Rabbow, am Dienstag in Hannover. Landesweit fehlten schon heute Tausende Lehrkräfte – bundesweit Zehntausende. «Es ist wirklich so, dass wir einen ganz eklatanten Lehrkräftemangel haben.» Allein mit Quereinsteigern seien die Lücken nicht zu schließen. Und die Politik? Müsse endlich handeln. Die anstehende Landtagswahl in Niedersachsen müsse der Startschuss für ein Jahrzehnt der Bildung sein.

„Die Politik hat jahrelang verschlafen, Vorsorge zu treffen.“ Illustration: Shutterstock

Die Lage sei ernst, so Rabbow. «Bundesweit sind über 30.000 Stellen unbesetzt. Und es wird in diesem Schuljahr noch bedrohlicher: Das Coronavirus ist immer noch da, der Winter steht uns noch bevor und es steht fest, dass weitere junge Menschen aus der Ukraine bei uns beschult werden müssen und sollen.» Das Institut der Deutschen Wirtschaft prognostiziere für das Schuljahr 2030/2031 bundesweit ein Fehlen von fast 70.000 Lehrkräften.

«Es wird in Niedersachsen und deutschlandweit viel zu wenig unternommen, um dem Mangel einzudämmen. Die Politik hat jahrelang verschlafen, Vorsorge zu treffen», kritisiert Rabbow. Mit dem Geburtenrückgang in den 90er Jahren seien massiv Studienplätze für das Lehramt abgebaut worden. Auch die Arbeitsbedingungen hätten sich massiv zugespitzt: Zu viel Verwaltungsarbeiten stünden zu geringe Aufstiegschancen gegenüber. «Solange Niedersachsen es sich erlaubt, 670 Lehrkräfte vor den Sommerferien zu entlassen, um sie dann zum Schuljahresbeginn erneut einzustellen, wurde nichts begriffen», so Rabbow.

«Die Zeit für Tricksereien mit Alimentationen und Versorgung ist vorbei. Die politische Klasse muss aufwachen und verfassungskonform handeln»

Die Bundesländer würben sich gegenseitig Lehrkräfte ab und die Präsidentin der Kultusministerkonferenz, Schleswig-Holsteins Bildungsministerin Karin Prien (CDU), freue sich darüber, dass Schleswig-Holstein ein „Lehrkräfteeinwanderungsland“ ist. Was als gesamtgesellschaftliche Aufgabe gesehen werden müsste, offenbare eine «ungehemmte Hemdsärmeligkeit» zwischen den Bundesländern. In ganz Deutschland müssten gleiche Bildungsverhältnisse gelten, weil sonst auch Abschlüsse nicht mehr vergleichbar sind. «Bildung muss in den Ländern endlich als Chefsache begriffen werden. Es können nicht alle Probleme in den Kultusministerien abgelegt werden. Wann erkennt man endlich, dass Bildung mehr wert ist? Wir erwarten vom zukünftigen Ministerpräsidenten und vom Finanzministerium in der nächsten Legislaturperiode ausdrücklich mehr. Die Zeit für Tricksereien mit Alimentationen und Versorgung ist vorbei. Die politische Klasse muss aufwachen und verfassungskonform handeln», fordert der Verbandschef

Aber auch die Ampelregierung in Berlin sei gefordert: «Im Koalitionsvertrag wurde versprochen, den „Grundstein für ein ‚Jahrzehnt der Bildungschancen‘“ zu legen. Nur zu! Wir brauchen ein Sondervermögen Bildung», meint Rabbow. Die staatseigene Förderbank KfW schätzt den Investitionsrückstand bei den Schulgebäuden 2021 auf bundesweit 45,6 Mrd. Euro (News4teachers berichtete). «Die anstehende Wahl in Niedersachsen muss der Startschuss für ein Jahrzehnt der Bildung sein. Wir fordern endlich Taten statt warmer Worte», so Rabbow weiter.

Die Unzufriedenheit der niedersächsischen Wahlberechtigen mit der Schulpolitik der rot-schwarzen Landesregierung sei groß. In einer repräsentativen Umfrage der niedersächsischen Tageszeitungen (Forsa) zeigten sich dem Verband zufolge zwei von drei Befragten mit der Bildungspolitik der Landesregierung «weniger» oder «gar nicht» zufrieden. Bei Befragten mit Kindern seien es sogar drei von vier Befragten. Vier von fünf Befragten verträten die Ansicht, die Schulen in Niedersachsen bereiteten die Kinder und Jugendlichen nicht ausreichend auf das Leben nach dem Abschluss vor.

«Die Mehrheit der Niedersachsen teilt den Schulfrieden und lehnt ideologisch wiederkehrende Denkweisen in Schwarz-Weiß-Kategorien ab»

Eine eindeutige Meinung hätten die Niedersachsen bei der Frage nach dem Schulsystem: 58 Prozent seien für die Beibehaltung des gegliederten Systems mit Gymnasien und Real- oder Oberschulen und damit gegen eine Einheitsschule für alle Kinder nach der Grundschule, so wie sie insbesondere die Grünen in ihrem Wahlprogramm forderten. Lediglich ein Drittel der Befragten würde eine flächendeckende Einführung von Gesamtschulen nach Klasse vier begrüßen.

«Die Niedersachsen sprechen sich für das aus, was die Verbände fordern: Keine Einheitsschulen für alle, sondern eine bildungs- und begabungsgerechte, individuelle Förderung für alle Schülerinnen und Schüler. Dies setzt selbstverständlich eine schulformbezogene Lehrkräfteausbildung voraus. Die Mehrheit der Niedersachsen teilt den Schulfrieden und lehnt ideologisch wiederkehrende Denkweisen in Schwarz-Weiß-Kategorien ab. Sollten nach der Wahl ideologische Irrwege, wie „die Einheitsschule mit der Einheitslehrkraft für alle“ beschritten oder die „Vision vom Stufenlehrer“ umgesetzt werden, werden wir uns als Anwälte der Wählerschaft verstehen», stellen Rabbow und der Vorsitzende des Verbandes der Elternräte der Gymnasien Niedersachsens, Lothar Holger Fiedler, fest.

«Gleiches gilt für die Wiedereinführung der Schullaufbahnempfehlung. Diese ist weder als Herabstufung von Haupt-, Real- oder Oberschulen zu sehen, noch bedeutet dies, dass an den Gymnasien eine ‚exklusive Elite‘ herangezogen werden soll. Im Gegenteil: Jede Schulform hat ihre unangetastete Berechtigung und nur diese Vielfalt (einschließlich der entsprechend ausgebildeten Lehrkräfte!) und fachkundige Empfehlung wird den individuellen Ansprüchen der Schülerinnen und Schüler gerecht», so Fiedler weiter.

Niedersachsen hat bis 2018 die inklusive Beschulung für die Klassen 1-10 eingeführt und schafft Förderschulen ab. 45 Prozent der Befragten halten einen gemeinsamen Unterricht von allen Kindern mit und ohne Behinderung an allgemeinbildenden Schulen grundsätzlich für sinnvoll. 49 Prozent sprechen sich für die Beibehaltung von Förderschulen und damit für eine getrennte Beschulung aus. «Dieses Meinungsbild mit einer Mehrheit für den Erhalt der Förderschulen spricht eine deutliche Sprache. Der Landesregierung war der Elternwille immer äußerst wichtig, wie die Entscheidung zum Übergang von der Grundschule zur weiterführenden Schule zeigt. Wenn der Elternwille einer zukünftigen Landesregierung wirklich wichtig ist, muss es eine Entsprechung bei der inklusiven Beschulung geben. Wer sein Kind in einer Förderschule besser gefördert sieht, muss ein entsprechendes Angebot direkt vor Ort nutzen können. Die Entsprechung des Elternwunsches diskriminiert gerade nicht», appelliert Fiedler.

«Gute Bildungspolitik hat Antworten auf ungelöste Probleme, kurzfristige Flickschusterei und bildungspolitische Schnellschüsse offenbaren dagegen fehlende Weitsicht»

Die Corona-Pandemie hat allen gezeigt, wie wichtig der Präsenzunterricht für die Schülerinnen und Schüler ist. Dies haben verschiedene Studien gezeigt, jüngst die Bildungsstudie der Robert-Bosch-Stiftung, die auch Verhaltensauffälligkeiten bei Kindern vor und während der Pandemie in den Blick genommen hat. Niedersachsens Wähler sehen dies genauso. Eine Mehrheit von 52 Prozent lehnt die Einführung einer Vier-Tage-Schulwoche, bei der am fünften Tag nicht in der Schule, sondern zu Hause gelernt wird, ab.

«Auch eine Kürzung von Fachunterricht wie zuletzt in Berlin gefordert oder Stilblüten wie ein Referendariat ohne Prüfung in Mecklenburg-Vorpommern lösen das gravierende Problem des Lehrkräftemangels ebenso wenig wie eine schulstufenbezogene Lehrerausbildung. Statt immer neuer Kuriositäten brauchen wir tiefgreifende Antworten. Man muss das Problem schon an der Wurzel anpacken und dazu haben wir mit einem von uns geforderten Bildungsministerium, in dem beide Phasen der Lehrkräfteausbildung (Studium und Referendariat) koordiniert und organisiert werden, einen tragfähigen Lösungsvorschlag unterbreitet. Nur so kann mittel- bis langfristig der Lehrkräftemangel behoben werden. Gute Bildungspolitik hat Antworten auf ungelöste Probleme, kurzfristige Flickschusterei und bildungspolitische Schnellschüsse offenbaren dagegen fehlende Weitsicht», stellt Rabbow abschließend klar. News4teachers / mit Material der dpa

Klatsche für die Kultusminister – Corona-Sachverständige: „Im Bereich der Schulen hat sich wenig getan“

 

 

 

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Dil Uhlenspiegel
1 Jahr zuvor

Mittendrin ja, aber noch nicht am Wendepunkt, eher am Sichwindenpunkt.

Ron
1 Jahr zuvor

Die gesamte Lehrerausbildung muss auf den Prüfstand. Derzeit absolvieren angehende Pädagogen ein wissenschaftliches Universitätsstudium, das zumindest für Gymnasiallehrkräfte mit 5 Jahren Regelstudienzeit sehr lang ist, letztendlich aber völlig unzureichend auf den späteren Beruf vorbereitet. Statt Schulbücher aufzuschlagen und zu lernen, Stunden vorzubereiten, wird wissenschaftlicher Stoff auf einem Niveau gelernt, der im späteren Beruf in aller Regel nicht gebraucht wird. Für mich wäre deshalb ein erster Schritt, das Studium für Lehrer vom universitären Regelstudium ein Stück weit abzukoppeln und praxisorientierter zu gestalten. Angehende Lehrer sollten bereits zu Berufsbeginn ein ausgearbeitetes Rüstzeug zur Bewältigung ihres späteren Jobs erarbeitet haben. Dazu gehört für mich auch, dass Lehramtsstudenten möglichst frühzeitig auch vor Ort in den Schulen sind und dort erste Erfahrungen sammeln. Die Frage, ob man eigentlich wirklich für diesen herausfordernden Beruf geeignet ist, darf sich nicht erst nach 5 Jahren Studium stellen. Für die Schulen dagegen wären hospitierende und unterrichtende Studenten mit Einschränkung eine unterrichtlich Unterstützung, gleichzeitig aber vor allem ein wichtiges Bindeglied zur aktuellen Pädagogik und Didaktik – also eine Art Frischzellenkur.

Student
1 Jahr zuvor
Antwortet  Ron

Vielleicht sollte man auch in Erwägung ziehen, nicht zwei Fächer studieren zu müssen oder das Studium auch mit mit einem Fach abschließen zu können.

Student
1 Jahr zuvor
Antwortet  Student

Ich bezog mich auf Erwägungen im Bildungssystem, nicht die der Studenten. Kann doch nicht sein, dass Quereinsteiger eingestellt werden, während andere ein volles Studium hinlegen müssen, und längst unterrichten könnten, wenn man auch nur ein Fach fertig hat… anstatt dass das eine fertig studierte Fach nur dann etwas wert und abgeschlossen ist, wenn das andere Fach auch fertig studiert ist.

Ron
1 Jahr zuvor
Antwortet  Student

Sie sind dann allerdings für den Stundenplaner nur noch sehr starr einsetzbar und wären nie mit mehr Stunden in einer Lerngruppe. Bei Quereinsteigern gibt es ja dieses Konzept. Für mich wäre das aber ein Argument, solche Absolventen in einer niedrigeren Gehaltsstufe einzustufen.

Last edited 1 Jahr zuvor by Ron
Student
1 Jahr zuvor
Antwortet  Ron

Genau, dann eben weiter auf potentielle studierte Fachlehrer verzichten. Keinen Lehrer zu finden ist ja besser, als einen in nur einem Fach. Q.e.d.

Ich_bin_neu_hier
1 Jahr zuvor
Antwortet  Student

Ich verstehe Ihren Ärger – auf der einen Seite. Auf der anderen Seite: Die Mangelsituation wird nicht bis in alle Ewigkeit bestehen und ein Kollegium mit Lehrkräften, die nur jeweils ein Fach unterrichten können, wäre eine stundenplanerische Vollkatastrophe.

Und ein Vorteil des Lehramtsstudiums ist u.a. gerade, dass man aus Neigung/Interesse auch Fächerkombis studieren kann, die „da draußen“ in der freien Wirtschaft nicht so gut ankämen: Mathe/Sport; Deutsch/Informatik usw. Das ist auch ein Stück Freiheit. Und ein Plus im Unterrichtsalltag: das sorgt nämlich für Abwechslung. 28 Stunden Chemie pro Woche, in vierzehn verschiedenen Lerngruppen, kann echt öde sein. Und stressig.

Die Lösung wäre wahrscheinlich in der Tat eine geringere Bezahlung der Quereinsteiger – wenn man dann aber keine Quereinsteiger mehr bekommt, dann… usw.
In jedem Fall kann es nicht von Nachteil sein, schon während des Studiums vorgeführt zu bekommen, wie Ihre späteren Dienstherren mit Ihnen umzugehen gedenken – nämlich willkürlich.

Student
1 Jahr zuvor
Antwortet  Ich_bin_neu_hier

Ich verstehe, dass es öde sein kann, nur ein Fach zu unterrichten.
Wenn man aber miterlebt, dass Quereinsteiger an einem vorbeiziehen,
die sich nicht durch dieselben Hürden quälen mussten und bereits Geld verdienen, während man sich durch hohe Anforderungen eines Fachs durchbeißt und deshalb das andere Fach liegenbleibt, man die Fächer dann besser hintereinander abschließt, dann kann einem der Kragen platzen. Das bereits fertig studierte Fach könnte man unterrichten, aber man ist ohne Abschluss nicht fein genug. Dasselbe gilt auch für fertig studierte und tätige Lehrer, die durch eine Zusatzbildung ein drittes Fach unterrichten können, ohne sich ebenfalls durch dieselben Hürden an der Uni quälen zu müssen.
Sorry, da kommt man sich doch verarscht vor, erst recht wenn man sich auch noch die tägliche Jammerei über Lehrermangel anhören muss.

Teacher Andi
1 Jahr zuvor
Antwortet  Student

Dann haben wir keinen Sportlehrermangel mehr!

Carsten60
1 Jahr zuvor
Antwortet  Ron

Nur leider ist es eine Tatsache, dass seit Jahrzehnten kaum etwas so eifrig reformiert wird wie das Lehramtsstudium. Praktika waren eigentlich immer vorgesehen. Eine Prüfungsordnung jagt die andere, meist sind zwei oder gar drei aktiv für die jeweiligen Jahrgänge. Das Problem scheint zu sein, dass es keine Einigkeit unter den Experten und Politikern gibt, wie das ideale Lehramtsstudium nun aussehen soll. Die einen wollen mehr Praxis, die anderen mehr Theorie (auch die neue sog. Bildungswissenschaft mit Studien zur Diagnosekompetenz sowie Heterogenität und Diversität). Und dann gibt’s die Vorschriften mit 180+120 ECTS-Punkten für Bachelor + Master.
Lehrer mit nur einem Fach: Dass das möglich ist, zeigt unser Nachbarland Belgien. Dort genügt ein Fach, und das vereinfacht das Studium in der Struktur enorm: Es gibt eine Grund-Fachausbildung für ALLE, und erst nach ein paar Semestern verzweigen sich die Studiengänge.

TaMu
1 Jahr zuvor
Antwortet  Ron

Warum hat Ron so viele rote Daumen bekommen? Er will ja nicht das ganze Studium über den Haufen schmeißen, sondern den angehenden Lehrkräften die Möglichkeit geben, von Anfang an den tatsächlichen Arbeitsplatz zu erleben und sich entsprechend auszurichten. Was spricht gegen das, was er geschrieben hat?

PaPo
1 Jahr zuvor
Antwortet  TaMu

Weil der Vorschlag dieser speziellen… Spezialisierung, ja Stenose des Studiums u.a. dem Anliegen einer Polyvalenz eines Studiums diametral entgegensteht.* Den Studienabsolventen stehen damit nicht mehr Türen offen, sondern noch weniger als ohnehin schon.

* https://www.news4teachers.de/2022/05/die-kluft-zwischen-universitaet-und-schule-ist-zu-gross-warum-sich-ein-lehramtsstudent-schlecht-ausgebildet-fuehlt/#comment-447042

Klugscheisser
1 Jahr zuvor
Antwortet  Ron

Je mehr frühzeitig an Schulen Erfahrungen gesammelt werden, umso grösser die Ernüchterung.
Viele machen danach keinen Master of Education mehr, sondern bleiben bei ihrem Fach und gehen in die Wirtschaft.

Mankannesnichtfassen
1 Jahr zuvor

Noch schlimmer als den Personalmangel empfinde ich die völlige Verflachung der Inhalte zugunsten einer übersteigerten Kompetenzorientierung. Bayern schmeißt Faust raus (ich hoffe, sie dürfen einen anderen Klassiker machen) und NRW verabschiedet sich offiziell vom Anspruch, indem es Shakespeare aus dem Lehrplan streicht, zugunsten eines Themas namens ‚identity‘, ein weiteres Larifarithema, das die Schülerinnen und Schüler „behandeln“ müssen, nachdem sie zum gefühlt 20sten Mal über Globalisierung, environmental problems etc. gesprochen/geschrieben haben. Warum nimmt man jetzt auch noch das letzte Thema aus dem Lehrplan, das noch einen Hauch von Landeskunde, Kultur und universitäre Anspruch hatte? Offenbar hat man sich zum Ziel gesetzt, Bildung zu Grabe zu tragen und durch reine Ausbildung zu ersetzen. KAoA, Informatik und Wirtschaft vor allem anderen. RIP, humanitäre Bildung. Es war schön mit dir. Schön, dass unsere Schülerinnen und Schüler später viel können, aber wenig wissen.

ABC
1 Jahr zuvor

Können sie wirklich viel, wenn sie wenig wissen?

Mein_Senf
1 Jahr zuvor

„Faust“ war eines der Themen, durch die viele durchmussten, obwohl sie ihn nicht haben wollten. Es wurde halt „behandelt“. Ich sehe zwar den Faust und ähnliche Klassiker für durchaus wichtig, weiß aber nicht, wie man solche Lektüre didaktisch schülerfreundlicher gestalten kann. Und: einen gewissen intellektuellen Stand/Vorkenntnisse benötigt man schon, um das Gelesene zu verstehen.

MeinSenf
1 Jahr zuvor
Antwortet  Mein_Senf

Schön, dass Sie meinen Nickname wenigstens nicht ganz imitiert haben. Ich würde es aber trotzdem bevorzugen, wenn Sie sich einen gänzlich eigenen zulegten.
Da ich nicht davon ausgehe, dass wir in allem gleicher Meinung sind, würde ich Verwechslungen gerne vermeiden.

Carsten60
1 Jahr zuvor
Antwortet  Mein_Senf

Also bedeutet in Ihrer Terminologie „schülerfreundlich“, dass kein „intellektueller Stand/Vorkenntnisse“ jemals vorausgesetzt wird? Also darf nichts mehr „schwierig“ sein, auch nicht auf dem Gymnasium? Übrigens gibt’s auch Faust-Verfilmungen, wären die eine Unterstützung? Und wenn ein Theater in der Nähe ist, dann wird Faust vielleicht dort mal gespielt. Oder kann keiner mehr so lange stillsitzen und sich so benehmen wie im Theater üblich?

PaPo
1 Jahr zuvor

Bei der Feststellung der „Verflachung der Inhalte“ etc. bin ich bei Ihnen, auch wenn ich da nicht eine (wohlverstandene) Kompetenzorientierung, sondern eine Lern- statt Lehrorientierung als Problem ausmache; s. https://www.news4teachers.de/2022/03/die-mehrheit-sind-reformer-vier-von-fuenf-schulleitungen-stellen-den-althergebrachten-faecherkanon-infrage/#comment-440665.

Das aber an der Dekanonisierung von Faust in Bayern festmachen zu wollen, halt eich für vollkommen verfehlt; s. https://www.news4teachers.de/2022/08/bayern-streicht-goethes-faust-als-pflichtlektuere-aus-dem-lehrplan-ja-und/#comment-465285. Zumal es bayerischen Lehrern offenbar ungenommen ist, den Faust nicht dennoch entsprechend zu thematisieren (Ihre Hoffnung scheint sich in diesem Punkt zu erfüllen, was zu begrüßen ist).

Dgl. gilt auch für den Shakespeare in NRW: Ich wäre überaus froh, ihn los zu sein… weil ich persönlich ihn ungern goutiere, seine vermeintl. Relevanz für überinterpretiert halte, seine schulcurriculare Kanonisierung als überlegenheitsdünkelnden Ausdruck von Personen erachte, die gerne despektierlich vom hohen Ross ihrer vermeintl. Hochkultur auf eine ebenso vermeintl. Populär-/Trivialkultur herabschauen wollen, und weil mir bereits zeitlich die möglichkeiten Genommenw erden, mich im Unterricht mit anderen, m.E. relevanteren, spannendneren, besseren etc. Autoren auseinanderzusetzen.
… aber wir sind ihn ja nicht los, wenn ich den Berichten der Kollegen auf den entsprechenden Implementationsveranstaltungen glauben darf, stattdessen soll er irgendwie in jedes andere Theme verwoben werden. Ich freue mich schon auf tolle Unterrichtsreihen zu Shakespeare in den USA oder „The Voices of Africa: Shakespeare!“ – nicht!

Aber ich teile Ihren Groll auf ein weiteres en vouge-Thema: War es nicht gar „gender identity“ statt „identity“? Was soll man denn dazu bitte mehr als ein oder zwei Unterrichtsstunden machen? (1) Begriffsdefinitionen: sex, gender und sex/gender roles. (2) Diskussion der Konsequenzen aus der Priorisierung des einen über das andere etc. (z.B.: Sollte das biologische oder das gesellschaftliche Geschlecht das interpersonale Miteinander u./o. die Interaktion von Staat und Bürgern prägen? Ist Selbstidentifikation hinreichende Bedingung für die Teinahme im sportlichen Wettkampf des jeweils anderen biologischen Geschlechts? Etc.). Das sind aber Themen, die eigtl. etwas für den SoWi-Unterricht wären, in dem aber fast nur noch Wirtschaft thematisiert wird (ich beschwerte mich an anderer Stelle…).

Rabe aus NRW
1 Jahr zuvor
Antwortet  PaPo

Womit wir wieder beim Thema Lehramtsstudium wären: Warum soll ein Englischstudierender überhaupt noch englische Literatur studieren, wenn er/sie dann im Unterricht Globalisierung, Gender, Gentechnik, Nigerianische Landeskunde etc. machen soll? Ich habe im Studium weder Wirtschaft noch Bio noch Soziologie studiert, aber all das wird dann von uns verlangt – zum selber beibringen. Irrenhaus!

Schattenläufer
1 Jahr zuvor

Welch eine Erkenntnis. Wir stecken in der Bildungskrise!!!

Wer hätte das gedacht?

Jetzt müssen wir was tun wird von der KMK gefordert.

Ich bin seit über 25 Jahren dabei.

Als ich angefangen habe standen wir knietief im Schlamm der Bildungskatastrophe.
Reaktion der KMK: Wir können uns gar nicht erklären, warum die LuL so undankbar auf eine kostenlose Fango-Packung reagieren?

Im Laufe der Jahre stieg das Wasser langsam bis zum Rand der Unterlippe an.
Reaktion der KMK: Ein Vollbad hat noch niemand geschadet. Ihr könnt uns später danken.

Jetzt ist die Welle dank Corona über unseren Köpfen angekommen.
Was soll jetzt kommen? Eine Interview mit der KMK mit dem Ergebnis „LuL sind eben zu dumm und faul um sich rechtzeitig Kiemen wachsen zu lassen“.

Passieren wird erst was, wenn das Wasser so hoch steht, dass die Mitglieder der KMK im obersten Stockwerk der Ministerium nasse Füße bekommen.

Wahrscheinlich wird man dann in den Ministerien im Rahmen eines Umbaus mit Steuergeldern ein neues Stockwerk hinzufügen.

Die Bildungskrise kennt jeder Insider schon seit Jahrzehnten.
Die Politik ist aber weder bereit, noch in der Lage etwas zu tun.

Kostet alles Geld. Braucht man für Diäten, Panzer, die Lufthansa, Wirtschaftssubventionen …