Mathematik, spielerisch und anschaulich: Das „Mathematikum“ feiert Jubiläum

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GIESSEN. Seit rund 20 Jahren gibt es in Gießen mit dem «Mathematikum» ein Museum, in dem sich Besucher spielerisch einem sehr theoretischen Thema nähern können. Mitmachen erlaubt – das ist für viele Museen mittlerweile ein Muss. 2002 kannte solch ein Konzept aber noch niemand.

Das Mathematikum in Gießen galt als das erste mathematische Wissenschaftszentrum der Welt. Foto: Shutterstock / Birgit Reitz-Hofmann

Mathematik steckt in allem, auch in riesigen Seifenblasen oder einfachen Holzbrücken. Das können Besucher des Mitmachmuseums «Mathematikum» in Gießen seit 20 Jahren spielerisch an interaktiven Exponaten herausfinden. Ausprobieren und Mitmachen – das gehört mittlerweile für viele Museen der verschiedensten Themen- und Wissensbereiche in Hessen dazu.

Bei der Eröffnung am 19. November 2002 war das «Mathematikum» weltweit einzigartig. Dass die Einrichtung weit über die Region hinaus bekannt und auch international renommiert sei, das sei «unglaublich», sagt Museumsdirektor und Mathematiker Albrecht Beutelspacher. Das zeige aber auch, dass man «eine Wissenschaft, der das niemand zugetraut hat, popularisieren kann. Dass man also die theoretischste, abstrakteste und trockenste Wissenschaft massentauglich im besten Sinne machen kann.» Das habe auch andere inspiriert zu sagen: So etwas könne man mit anderen Fächern doch ebenfalls versuchen.

Das «Mathematikum» mit seinen mittlerweile mehr als 170 Exponaten zum Ausprobieren und Knobeln zählt sich zu einem sogenannten Science Center, einem Mitmachmuseum, das Wissenschaft erlebbar machen soll. An einer Station gibt beispielsweise eine riesige Seifenhaut Einblicke in die Welt der Mathematik. Oder Besucher bauen eine kleine Brücke aus Holzlatten zusammen, die ganz ohne Hilfsmittel wie Kleber und Nägeln hält. An einer weiteren Station entsteht aus einzelnen Puzzleteilen nach etwas Um-die-Ecke-Denken eine Pyramide.

«Es ist ein ganz wichtiges Grundprinzip, immer mehrere Sinne zu bedienen, dass es verschiedene Möglichkeiten des Zugangs zu einem Thema gibt»

«Wir wollen unsere Besucher so schnell wie möglich und so unabgelenkt wie möglich zu den mathematischen Problemen führen», erläutert Professor Beutelspacher. «Und das geht ganz besonders gut mit interaktiven Experimenten.» Wichtig sei auch, die Besucher – Zielgruppe sind Kinder wie Erwachsene – ernst zu nehmen. «Wir wollen sie nicht bekehren, wir sollen sie nicht belehren, sondern sie sollen ihre eigenen Erlebnisse haben. Deswegen sind alle Exponate, die wir haben, Angebote.»

Auch andere Museen in Hessen wollen spielerisch Kenntnisse vermitteln. Dazu gehört etwa das «Junge Museum» in Frankfurt, das ebenfalls in diesem Jahr Geburtstag feiert – den 50. Das Haus war das erste Kindermuseum der Bundesrepublik. Bei der Gründung 1972 war das damalige Kindermuseum Teil des Historischen Museums. Als dieses abgerissen wurde, zog es für zehn Jahre in die Hauptwache, bevor es 2018 unter neuem Namen in das neugebaute Historische Museum zurückkehrte.

Im Laufe der Jahre hat sich das Angebot gewandelt, wie Kulturdezernentin Ina Hartwig (SPD) erklärt: Anfangs gab es eher experimentelle Ausstellungen, dann rückte die Spielzeugsammlung in den Mittelpunkt. Später wurden Werkstatt-Ausstellungen und das Format «Junges Museum unterwegs» entwickelt. Heute dominieren interaktive Ausstellungen für die Zielgruppe zwischen 6 und 14 Jahren.

Auch die «Grimmwelt» in Kassel, die dem Schaffen der Brüder Grimm als Sprachforscher und Sammler fantastischer Märchen gewidmet ist, lädt zum Mitmachen ein. Im «Wortreich», einem Mitmachmuseum für Sprache und Kommunikation in Bad Hersfeld, gibt es rund 90 interaktive Exponate. Dabei geht es auch um das Thema Digitalisierung und digitale Kommunikation. Ende November soll zudem ein neues Ausstellungsstück gezeigt werden, das die Besucher in den Bereich Künstliche Intelligenz und Mensch-Maschine-Kommunikation einführt.

Die klassischen Museen haben von der Form, wie in Science Centern oder Erlebnismuseen Themen interaktiv aufbereitet werden, viel gelernt und lernen auch weiterhin, wie Christina Reinsch sagt, Geschäftsführerin des Museumsverbands Hessen. Mittlerweile gebe es hessenweit auch in Häusern mit klassischen Sammlungen viele Angebote in diesem Bereich. Was präsentiert werden kann, hänge allerdings davon ab, über welche nicht zuletzt auch personellen Möglichkeiten die Museen verfügten.

Klar sei für die Wissensvermittlung in den Häusern: «Es ist ein ganz wichtiges Grundprinzip, immer mehrere Sinne zu bedienen, dass es verschiedene Möglichkeiten des Zugangs zu einem Thema gibt», so Reinsch. Denn es sollen alle Besucher und Besucherinnen angesprochen werden, unabhängig von deren Alter. «Wenn man Spaß daran hat, mitzumachen, dann ist ganz viel gewonnen, da muss man gar nicht unterschieden zwischen Jung oder Alt.»

«Eigentlich wollte ich überhaupt kein Museum gründen. Ich wollte die Lehre besser machen»

Dass es das «Mathematikum» in Gießen gibt, hat mit Beutelspachers Tätigkeit an der Uni zu tun: «Eigentlich wollte ich überhaupt kein Museum gründen. Ich wollte die Lehre besser machen», erzählt er. Die Idee, Studierende Modelle basteln zu lassen, um die darin steckende Mathematik zu erkläre, sei die Initialzündung gewesen. Die Studierende seien begeistert und deren Ergebnisse toll gewesen.

Daraus folgte die Erkenntnis: «Das reicht nicht, wenn nur wir 20 das sehen. Das müssen mehr Leute sehen. Lasst uns daraus eine Ausstellung machen.» Aus der Schau, die auch auf Wanderschaft ging, wurde schließlich das Museum, zu dessen Eröffnung sogar der damalige Bundespräsident Johannes Rau kam.

Das «Mathematikum» plant in seinem Jubiläumsjahr verschiedene Veranstaltungen sowie neue Sonderausstellungen. Dazu gehören Beutelspacher zufolge Kindervorlesungen, Ausstellungen zum Thema «Geheim» oder zu einem weiteren Jubiläum – dem 400. Jahrestag der Erfindung der Rechenmaschine. Von Carolin Eckenfels, dpa

Besucherinfos „Mathematikum“.

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